
Am 9. April vergangenen Jahres fuhr der passionierte Rennradfahrer Fabrice Becker aus Sulzfeld im Landkreis Rhön-Grabfeld mit seinem Bike gerade von Schwarzach in Richtung Volkach, als es passierte: Der 30-Jährige wurde auf gerader Strecke von hinten von einem Auto erfasst und zu Boden geschleudert. Mit lebensgefährlichen Verletzungen, unter anderem Frakturen an Brust, Rippen und Becken und einem Schädelhirntrauma wurde er mit dem Hubschrauber in die Uni-Klinik nach Würzburg geflogen, wo er zwei Wochen lang im Koma lag und künstlich beatmet werden musste.
Über fünf Monate in der Klinik
Erst am 10. September 2020 wurde er nach weiteren Behandlungen in Bad Kissinger und Bad Neustädter Kliniken nach Hause entlassen. Gut zehn Monate später sitzt Fabrice Becker mit seinen Eltern in Sulzfeld auf der Terrasse ihres Wohnhauses, das in der Nähe des Badesees steht. Auf den ersten Blick hat er sich von den Folgen des Unfalls erholt, doch der Schein trügt. "Ich leide zeitweise immer noch unter körperlichen Schmerzen und psychisch bedingten Krampfanfällen", erzählt der junge Mann, der von Beruf Maschinenbautechniker ist. Seinen Job könne er wegen dieser Einschränkungen aber immer noch nicht ausüben. "Aktuell bis ich als Pflegefall Stufe zwei eingestuft und habe eine Behinderung von 70 Prozent."
Irreale Situation
Dann erzählt er von seiner Zeit im Krankenhaus, die er als irreal und als eine Zeit des Eingesperrtseins erlebt habe. "Besonders erschwert haben meine Situation die pandemiebedingten Einschränkungen, die für mich katastrophal waren." Im Nachhinein habe er Verständnis dafür, doch Besuche im Krankenhaus und die Möglichkeit, mit vertrauten Personen zu sprechen, wären für den Genesungsprozess sehr hilfreich gewesen. "Ich war mit allem überfordert und konnte die Lage überhaupt nicht realistisch einschätzen." Es sollten seit seiner Einlieferung in die Klinik über vier Wochen vergehen, bis Fabrice Becker, der noch einen älteren Bruder hat, seine Eltern wiedersehen konnte. Auch für sie sind die Folgen des Unfalls schwerwiegend. So müssen sie ihren Sohn zum Beispiel mehrmals in der Woche zu Ärzten und Therapeuten begleiten.

Viel zu milde Strafe?
Der 30-jährige Sulzfelder kommt auf zwei weitere Punkte zu sprechen, die ihm als Folge seines Unfalls immer noch zu schaffen machen. Zum einen habe sich der Unfallverursacher bis heute nicht bei ihm entschuldigt. "Für die psychische Verarbeitung des Geschehens wäre das für mich von großer Bedeutung gewesen." Zum anderen sei er aufs Höchste enttäuscht gewesen, fast ein Jahr nach dem Unfall erfahren zu müssen, dass das Strafverfahren gegen den Unfallverursacher mit einer Zahlung von 50 Tagessätzen zu 50 Euro und einem dreimonatigen Fahrverbot abgeschlossen worden sei. "Ich halte diese Strafe für deutlich zu gering in Anbetracht meiner lebensgefährlichen Verletzungen und den heute noch bestehenden körperlichen Einschränkungen." Dass sich das Strafmaß in den vom Gesetzgeber vorgegeben Grenzen bewegt, dessen ist sich Fabrice Becker durchaus bewusst. "Unterm Strich fühle ich mich als Opfer aber trotzdem mehr bestraft als der Unfallverursacher."
Mehr Rücksicht auf Radler nehmen
Zusätzlich zu der verhängten Strafe hätte sich Fabrice Becker zumindest eines gewünscht: den Unfallverursacher einige Arbeitsstunden in einer Einrichtung für behinderte Menschen ableisten zu lassen. "Dann wäre ihm klar vor Augen geführt worden, welche Folgen sein Verhalten im Straßenverkehr nach sich gezogen hat." Becker appelliert ganz allgemein an alle Verkehrsteilnehmer, mehr Rücksicht auf Radfahrer zu nehmen. "Viele Autofahrer überholen an riskanten und unübersichtlichen Stellen oder rauschen auf gerader Strecke mit hoher Geschwindigkeit an einem vorbei." Dass er dieses Verhalten selbst immer wieder beobachten kann, liegt daran, dass er seit einiger Zeit wieder in Begleitung seines Vaters Rad fahren kann, meist auf ausgewiesenen Radwegen und immer mit Helm.
Langsam geht es wieder aufwärts
"Der Kopfschutz rettete ihm bei seinem Unfall wohl das Leben", ist sich seine Mutter Michaela Becker sicher. Auch sein Vater ist froh, dass es bei Fabrice gesundheitlich langsam aber sicher wieder aufwärts geht. "Wir brauchen aber noch viel Zeit und viel Geduld", sagt Rainer Becker. Er weiß, dass sein Sohn noch einen langen Weg der Genesung vor sich hat. Einen konkreten Zukunftsplan hat Fabrice aber schon: Sobald das möglich ist, möchte er wieder seine Arbeit in einem Bad Königshöfer Maschinenbaubetrieb aufnehmen, wenn zunächst vielleicht auch nur für einige Stunden am Tag. "Dass meine Firma bis heute hinter mir steht, dafür bin ich besonders dankbar."