Fachkräftemangel und der demografische Wandel stellen Unternehmen vor neue Herausforderungen: Wenn die Belegschaft älter wird, wenn Mitarbeiter häufiger krank oder schwerbehindert sind, müssen sich Chefs oder Personalchefs Gedanken machen, wie sie diese Leute im Betrieb halten.
Inklusion ist das Stichwort: Im Berufsalltag bedeutet Inklusion, behinderten oder kranken Menschen eine aktive Teilnahe am Arbeitsleben, an Ausbildung und Beschäftigung zu ermöglichen. 2011 wurde der Nationale Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen verabschiedet. Zentraler Leitgedanke der Inklusion: Menschen mit Behinderungen gehören in die Mitte der Gesellschaft.
Funktionierendes Gesundheitsmanagement
„Bedingt durch den demografischen Wandel müssen Arbeitgeber neue Wege gehen, um genügend Mitarbeiter für ihr Unternehmen zu gewinnen. 87 Prozent aller Schwerbehinderungen werden im Laufe eines Lebens erworben, nur zwei Prozent sind angeboren“, sagt Beraterin Marlene Rost vom Unternehmens-Netzwerk Inklusion, „deshalb ist es notwendig, in den Betrieben ein funktionierendes Gesundheitsmanagement zu installieren oder kreative Wege zu finden, um betroffene Mitarbeiter weiter sinnvoll einsetzen zu können.“ Das können behindertengerechte Arbeitsplätze, Versetzung in eine andere Abteilung oder individuelle Pausenregelungen sein.
Beim jüngsten Runden Tisch des Unternehmens-Netzwerks Inklusion in der Bad Neustädter Stadthalle ging es um Strategien für Personalverantwortliche, die Mitarbeiter nach einem Burnout wieder in den Berufsalltag eingliedern wollen.
Betriebliches Eingliederungsmanagement
Dazu muss man wissen: War ein Arbeitnehmer im vergangenen Jahr länger als sechs Wochen krank, hat der Arbeitgeber die gesetzliche Verpflichtung, das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) in die Wege zu leiten. Ziel ist es, die Arbeitsunfähigkeit der Beschäftigten möglichst zu überwinden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen und den Arbeitsplatz des betroffenen Beschäftigten im Einzelfall zu erhalten.
Psychische Erkrankungen gehören mittlerweile zu den häufigsten Krankschreibungen mit den meisten Krankentagen. Mehr Krankentage verursachen lediglich Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems und Atemwegserkrankungen. Die Rückkehr nach einem Burnout oder einer Depression ist sowohl für den Arbeitgeber als auch für Angestellte nicht leicht.
Tabubehaftetes Thema
Denn, seelische Erkrankungen sind ein tabubehaftetes Thema – im Privatleben genauso wie im beruflichen Alttag. Man weiß zu wenig, man hat keine Ahnung, wie man sich verhalten soll – weder auf der persönlichen Ebene, noch im Berufsleben. Das war auch beim Runden Tisch in der Stadthalle spürbar. Personalchefs großer Firmen mögen sich mit der Thematik während des Studiums beschäftigt haben, doch in kleinen Firmen, in denen das Personalmanagement so nebenbei läuft, sind BEM-Strategien für Burnout-Fälle eine echte Herausforderung.
Das Unternehmens-Netzwerk Inklusion hatte den Psychologen Michael Hofmann als Referenten geladen. In seinem Vortrag machte dieser die Teilnehmer des Runden Tischs darauf aufmerksam: In der Medizin gibt es die Diagnose „Burnout“ nicht – zumindest wenn es darum geht, auf der Krankmeldung eine Diagnoseziffer einzutragen.
Das Phänomen Burnout
Das Phänomen Burnout gibt es allerdings schon. Burnout bedeutet ausgebrannt und erschöpft sein. Die Betroffene haben depressive Symptome, sie sind ständig erschöpft, beispielsweise genügt ein Wochenende nicht, um sich von der Arbeitsbelastung zu erholen. Ihre Gedanken und ihr Erleben sind eingeengt auf die Arbeit, sie zeigen Stresssymptome. Panikattacken, Schlafstörungen, somatische Beschwerden, Schmerzen, schwache Immunabwehr können weitere Symptome sein. Im Job hat man Konzentrationsschwierigkeiten, entfernt sich innerlich von seiner Arbeit, eine zynische Einstellung gewinnt Oberhand.
Hofmann machte auch deutlich, dass Arbeit an sich nicht der alleinige Auslöser eines Burnouts ist. Andere Einflüsse wie biografische Prägung, Belastungen im Privatleben, eine ängstliche Grundhaltung oder aber Perfektionismus kommen hinzu. Arbeitnehmer mit hoher Belastung oder solche mit wenig Selbstbestimmung gehören ebenso zur Risikogruppe wie Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen oder Mitarbeiter, die unter Mobbing leiden.
Prävention ist wichtig
Unternehmer haben laut Hofmann durchaus Einflussmöglichkeiten, die psychische Belastung am Arbeitsplatz gering zu halten, indem sie die „Leitlinie Gefährdungsbeurteilung“ des Arbeitsschutzgesetzes einhalten. Jenseits der rechtlichen Bestimmungen können sie präventiv tätig werden. Hofmann nannte: Körperliche Gesundheit erhalten, Beratung von Führungskräften und Mitarbeitern, Arbeitsprozesse gestalten und Partizipation ermöglichen.
Ziel des BEM soll aus Sicht des Psychologen sein, die Erwerbsfähigkeit zu sichern, gemeinsam Ursachen herauszufinden, Möglichkeiten zu suchen, um weiteren Arbeitsunfähigkeiten vorzubeugen, krankheitsbedingte Kündigungen zu vermeiden und Hilfsbedarf rechtzeitig zu erkennen.
Eingewöhnungsphase mit Fehlertoleranz
Aus Sicht der Psychologen sind beim Umgang mit Rückkehrern eine „Eingewöhnungsphase mit Fehlertoleranz“ wünschenswert. Wichtig sei eine gute Mischung zwischen fördern und fordern, das heißt: „Zügig so viel Verantwortung wie möglich überlassen, so wenig Unterstützung wie nötig geben.“ Von großer Bedeutung sei, dass der Rückkehrer von der Gruppe akzeptiert und willkommen geheißen wird. Hier habe die Führungskraft eine nicht zu unterschätzende Vorbildfunktion.
Vom Betroffenen selbst erwartet der Psychologe, dass er in der Eingliederung all die Strategien anwendet, die in der Psychotherapie zur Stress- und Problembewältigung gelernt hat.
Mit dem Eingliederungsmanagement ist das so eine Sache. Unternehmen müssen dem Mitarbeiter ein BEM-Gespräch anbieten. So will es das Gesetz. Tun sie es nicht, haben sie bei einer krankheitsbedingten Kündigung schlechte Karten vor dem Arbeitsgericht. Der Beschäftigte muss das Angebot nicht wahrnehmen – auch das macht sich vor dem Arbeitsgericht nicht gut. Lässt er sich auf das Gespräch ein, kann ihn niemand zwingen, seine Diagnose zu nennen.
Datenschutz
Nennt der Arbeitnehmer seine Diagnose, weil er darauf vertraut, dass dem Unternehmen an seinem Verbleib und seinem persönlichen Fortkommen im Betrieb gelegen ist und ihn unterstützen möchte, darf diese Diagnose nur in einer zweiten, gesondert geführten Personalakte vermerkt sein. Das dient seinem Schutz und dem seiner Daten.
Bei manchen Teilnehmern des Runden Tisches kam angesichts dieser kompakten Anforderungen an Personalverantwortliche die Frage auf, wie sie in ihren kleinen Betrieben mit ihren begrenzen Ressourcen und Erfahrungen dieses Eingliederungsmanagement auf die Beine stellen sollen. Müssen sie nicht, das Unternehmens-Netzwerk Inklusion bietet auf den Einzelfall abgestimmte Beratungen an und hat Fachleute bei den Integrationsfachdiensten an der Hand, die helfen, passgenaue Lösungen zu finden.
Unternehmens-Netzwerk Inklusion
Das Unternehmens-Netzwerk Inklusion ist ein bundesweit operierendes Projekt. Seine Berater unterstützen kleine und mittelständische Unternehmen bei der Inklusion. Sie bieten persönliche Beratungen im Betrieb an und informieren Personalverantwortliche und Führungskräfte bei Runden Tischen. Das Netzwerk versteht sich als Partner der Arbeitgeber. Schwerpunkte seiner Arbeit sind Einstellung, Beschäftigung, Prävention, die Vernetzung mit Institutionen, die Unterstützungsmaßnahmen anbieten, Ausbildung und inklusionsgerechte Führung.
Träger des Unternehmens-Netzwerkes ist die Bundesarbeitsgemeinschaft ambulante berufliche Rehabilitation, ein Zusammenschluss von Einrichtungen der Wirtschaft. Kooperationspartner sind die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und die regionalen Arbeitgeberverbände.
Seit einem Jahr arbeitet dieses Netzwerk auch in der Region Unterfranken. Inklusionsberaterinnen sind Theresa Oestemer und Marlene Rost.
Die Anschrift: bfz gGmbH Schweinfurt, Londonstraße 20, 97424 Schweinfurt, Tel. (0 97 21) 17 24 38, E-Mail: beratung-sw@bfz.de (ts)