Seit gut 25 Jahren sind die DDR und damit auch ihr Staatssicherheitsdienst Vergangenheit, aber noch immer blitzt die unheilvolle Geschichte des Geheimdienstes in die Gegenwart. Erst vor ein paar Tagen fand Gastwirt Christian Fischer Unterlagen in seinem Briefkasten, in denen es um den Besuch eines so genannten IM (Inoffizieller Mitarbeiter) der Stasi im Schlundhaus ging. Es ist mysteriös: Wer ihm die Informationen hat zukommen lassen, weiß Fischer nicht.
Der Mann, getarnt als Tourist aus Westberlin, war in den 1980er Jahren für Kurierdienste ausgebildet worden. Was er transportieren sollte, geht aus den gut 20 Seiten nicht hervor. In das „Operationsgebiet“ eingeschleust wurde er für einen zweitägigen Aufenthalt damals am 17. Juli 1985. Punkt für Punkt ist der Tagesablauf festgehalten. Zunächst stand ein einstündiger Fußmarsch von der Grenze nach Sulzdorf auf dem Programm, von wo aus der Mann um 9.37 Uhr nach Bad Königshofen (Linie 8305) gefahren ist.
Auf der Suche nach einem geeigneten „Treffort“, wie es im Stasi-Jargon hieß, schaute der IM am Mittag auch im Schlundhaus vorbei. Akribisch beschreibt er in seinem Bericht die Räumlichkeiten, den Weg zur Toilette und Weinkeller sowie mögliche Zugänge zu dem historischen Haus am Marktplatz. Sogar Skizzen von der Lage der Räume fertigt er an. Natürlich fand auch das Gespräch von Fischer mit Vertretern der Brauerei und einer Werbeagentur Erwähnung.
Allzu begeistert schien er vom Schlundhaus allerdings nicht gewesen zu sein. „Eine ungestörte Unterhaltung ist nur bedingt möglich“, hielt der IM in seinem Bericht fest. Er hatte nämlich mühelos dem Gespräch zwischen Fischer und den Vertretern folgen können, „obwohl ein Tisch dazwischen war“, wie er in seinem Bericht betonte. „An den Typen kann ich mich natürlich nicht erinnern“, schmunzelt der Schlundhaus-Wirt im Gespräch mit der Main-Post jetzt fast 30 Jahre später. Christian Fischer war damals 33 Jahre alt und bewirtschaftete seit 1978 das Hotel-Restaurant.
Zufrieden war der Spion dagegen mit dem Klostergarten. Schon in einem vorhergehenden Bericht hatte er die kleine Parkanlage als geeigneten Ort zur Installierung eines „TBK“ bezeichnet, wie der Begriff „Toter Briefkasten“ im Fachargon gekürzelt wurde. Tote Briefkästen nannte man Verstecke, die sich zur Übermittlung von Dokumenten, Geld oder anderen Dingen eigneten.
Der weitere Weg führt den IM an diesem Tag nach Schweinfurt, wo er ebenfalls auf die Suche nach Treffpunkten und Toten Briefkästen gehen sollte. Der IM lies es sich im goldenen Westen nicht eben schlecht gehen. Übernachtet hatte er – welch Ironie des Wortes – im längst abgerissenen Hotel „Roter Ochse“, wo er auch sein Abendbrot einnahm. „Das Angebot ist umfangreich und im Verhältnis preisgünstig“, hielt er im Bericht fest und fügte in Klammern gesetzt an: (Schnitzel mit Salat und zwei Bier ca. 18 DM).