Konzert? Nein, ein Konzert war das nicht, auch wenn die meisten Besucher wohl mit dieser Erwartung ins Schloss Wolzogen gekommen waren. Professor Peter Heitkämper von Kraft und Tenor Stephen Ibbotson hielten vielmehr eine Lehrstunde über das Thema, wie man sich einem anspruchsvollen Musikstück nähert, um es vertieft zu verstehen.
Der Komponist, der für von Kraft und Ibbotson im Mittelpunkt stand, war Franz Liszt, der von 1811 bis 1886 lebte und als einer der Impulsgeber zur musikalischen Moderne gilt. Dies herauszuheben war eines der Ziele, das der Professor verfolgte. Dazu hatten die Musiklehrer drei von Liszt vertonte Petrarca-Sonette als Beispiele gewählt. Das Thema ihres Vortrags lautete darum „Liszt und seine Sehnsucht nach Laura: Eine musikalische Begegnung von Francesco Petrarca und Franz Liszt“. An den Beispielen konnten sie zeigen, wie sich der Komponist von den Versen der Petrarca-Sonette hatte inspirieren lassen und dabei große künstlerische Freiheit walten ließ.
Sonette sind in Form und gedanklicher Struktur eine streng fixierte Gedichtform. Nichts dergleichen findet man in den Kompositionen von Liszt. Im Gegenteil, die Konturen wurden aufgehoben. Um dies zu veranschaulichen, hatte Heitkämper von Kraft das Bild „Der Engel vor der Sonne“ von William Turner an die Wand projiziert. So, wie hier in der Auflösung der Konturen dennoch die Detailmotive erkennbar sind, hat auch Liszt musikalische Motive zu verschiedenen Gedanken, Gefühlen und Bildern der Sonetttexte ineinander verwoben. Diese Teilmotive spielte der Professor einzeln vor, von Erläuterungen begleitet. Danach präsentierte er das ganze vertonte Sonett, am Flügel mit der Meisterhaftigkeit eines Profis gespielt.
Erst danach kam der Sänger zum Einsatz. Er las die drei Sonette in der italienischen Originalsprache vor, ehe er mit kraftvoller Stimme die Gesangsfassung erklingen ließ. Diese war von der Melodie her erheblich anders als die Instrumentalfassung. Ibbotson erkannte in den strenger durchkomponierten Gesangsversionen auch Elemente des Belcanto, wie er aus der Oper bekannt ist, im Wechsel von Rezitativ und Arie. Seine Interpretation der drei Gesangsstücke war getragen von größter Dynamik, eine mächtige Stimme, mit der der recht enge Raum im Schloss Wolzogen allerdings akustisch überfordert war.
Vielleicht wäre ein zurückhaltenderes Stimmvolumen nicht nur den Örtlichkeiten eher angemessen gewesen, sondern auch den Petrarca-Texten.
Eine entspannte Hingabe an die Musik konnte bei diesem methodischen Vorgehen kaum entstehen, bei diesem permanenten Wechsel zwischen dozierenden Erläuterungen und Musikdarbietungen. Die Besucher haben am vergangenen Sonntag Musik von einer ganz anderen, einer eher wissenschaftlichen Seite, kennengelernt. Dazu hat man auch nicht jeden Tag Gelegenheit.