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MELLRICHSTADT
Monate voller Angst, Not und Hilfe
Janette Fraas, Lehrerin am Martin-Pollich-Gymnasium (rechts), freute sich über den Besuch von Umeswaran Arunagirinathan. Er las den Zehntklässlern aus seinem Buch vor und berichtete von seiner Flucht aus dem vom Bürgerkrieg heimgesuchten Sri Lanka nach Deutschland.
Foto: Fred Rautenberg | Janette Fraas, Lehrerin am Martin-Pollich-Gymnasium (rechts), freute sich über den Besuch von Umeswaran Arunagirinathan.
Fred Rautenberg
 |  aktualisiert: 02.12.2016 03:56 Uhr

Seine Freunde nennen ihn nur Umes, denn sein voller Name Dr. Umeswaran Arunagirinathan ist doch ein wenig zu kompliziert für deutsche Zungen. Dass ein Mann mit solch einem Namen einen ausländischen Hintergrund hat, liegt auf der Hand. Doch Umes ist ein überzeugendes Beispiel für die gelungene Integration in die deutsche Gesellschaft.

Der 38 Jahre alte, in Sri Lanka geborene Assistenzarzt, der an der Herz- und Gefäßklinik in Bad Neustadt arbeitet, hat kürzlich am Martin-Pollich-Gymnasium sein Buch „Allein auf der Flucht“ vorgestellt. Lehrerin Janette Fraas hatte den Kontakt hergestellt. Die Schüler der zehnten Jahrgangsstufe waren gefesselt von den Erlebnissen des gebürtigen Tamilen, der vom Leben in seiner einstigen Heimat und von seiner Flucht als Zwölfjähriger aus einem vom Bürgerkrieg zerrissenen Land erzählte.

Aus seinem autobiografischen Buch mit dem Untertitel „Wie ein tamilischer Junge nach Deutschland kam“ las er Abschnitte vor, fügte aber immer wieder auch mündlich Erinnerungen und Kommentare ein. Das Thema war eigentlich nicht dazu angetan, um es von der lustigen Seite zu betrachten, aber der Arzt bewies immer wieder mit humorvollen Seitenbemerkungen, dass ihn Ungewissheit, Entbehrungen, Leid und Tod nicht am Leben verzweifeln ließen.

Ohne die hartnäckigen, von großen Entbehrungen begleiteten Bemühungen seiner Mutter wäre der damals Zwölfjährige nie von der Insel weggekommen. Sie befürchtete, dass ihr Sohn an der Schwelle zum Jugendalter von den Rebellen der Tamil Tigers zum bewaffneten Kampf gegen die singhalesische Regierungsarmee zwangsrekrutiert werden könnte. Glücklicherweise hatte Umes einen Onkel in Hamburg. Der Weg zu diesem Verwandten war jedoch abenteuerlich, denn er war von vielen Umwegen, von Angst, von Unsicherheit und auch dem Gefühl, ausgeliefert zu sein, gekennzeichnet. Monatelang verzögerte sich die Weiterreise, die Schleuser organisieren sollten, und allgegenwärtig war die Angst, dass Umes wieder zurück nach Sri Lanka geschickt werden könnte.

Einen Monat musste er im Nachbarland Ghana verbringen, über Benin kam er nach Nigeria, und nach weiteren Verzögerungen klappte endlich der Flug nach Hamburg.

Von den vielen Begegnungen, von seinen Gefühlen, Erfahrungen und Beobachtungen berichtete Umes den Schülern, schilderte, wie er Beamtenwillkür, Hilflosigkeit und Desorientiertheit ausgesetzt war, dass er aber auch menschliche Wärme erfahren hat und dass Standesunterschiede wie die Kastenzugehörigkeit auf der Flucht keine Bedeutung mehr hatten. Der Gedanke an seine Mutter richtete ihn immer wieder auf, wenn die Verzweiflung ihn zu übermannen drohte, sagte er.

Lebhaft schilderte der Assistenzarzt seine Eindrücke von Deutschland, wie er es schaffte, in der Schule Fuß zu fassen und wie er von einem Lehrer unterstützt wurde, so dass er nach dem Abitur in Lübeck studieren konnte. Inzwischen fühlt sich der Autor als Deutscher, er träume sogar in Deutsch, bekannte er, habe die deutsche Kultur als die seine angenommen. Nach Bad Neustadt kam er, weil er am Rhön-Klinikum seine Ausbildung zum Herzspezialisten fortsetzt. Auch hier fühlt er sich angenommen, wozu auch zweifellos seine perfekten Deutschkenntnisse beitragen.

Janette Fraas sprach Dr. Arunagirinathan Dank aus für seinen Besuch am Martin-Pollich-Gymnasium, dafür, dass er für so viele andere Flüchtlinge gesprochen hatte. Sie appellierte an ihre Schüler: „Macht nicht mit bei diesen plakativen Sprüchen, die die Menschen, welche bei uns Zuflucht suchen, unter Generalverdacht stellen wollen. Wir können ja gar nicht anders, als zusammenzurücken und zusammenzuleben.“ Die Schüler hatten am Ende wohl begriffen, dass hinter jedem Asylsuchenden und Flüchtling ein eigenes, düsteres Schicksal steht, das menschliches Verständnis und Entgegenkommen verdient.

 
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