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Sulzdorf
Verlustgeschäft Milchwirtschaft: Warum ein Sulzdorfer Landwirts-Paar nun lieber Galloway Rinder züchtet
Auch der Hof von Sebastian Schmidt und Carolin Gropp leidet unter dem Kostendruck in der Landwirtschaft. Ganz besondere Schotten sollen nun viel Ärger sparen.
Wenn es Leckerbissen gibt, kommen die Galloways schnell zu Carolin Gropp.
Foto: Regina Vossenkaul | Wenn es Leckerbissen gibt, kommen die Galloways schnell zu Carolin Gropp.
Regina Vossenkaul
Regina Vossenkaul
 |  aktualisiert: 06.06.2022 02:25 Uhr

Sebastian Schmidt und Lebensgefährtin Carolin Gropp haben aufgegeben - die Milchviehwirtschaft lohnt sich nicht mehr. Bereits im Jahr 2021 legte der Familienbetrieb in Sulzdorf a. d. L. bei jedem Liter erzeugter Milch ungefähr acht Cent drauf – ein Verlustgeschäft, hat Carolin Gropp ausgerechnet. Damit reiht sich der Betrieb in die Bauernhöfe ein, die ihre Kühe abschaffen. Sie steigen um auf die Zucht von Galloways. Was sind die Ursachen?

Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine haben sich die Preise für Betriebsmittel (Düngemittel, Treibstoff, Kraftfutter und Energie), die schon zuvor bis Januar 2022 stark gestiegen waren, noch einmal enorm erhöht. Die Preise für die Verbraucher kletterten ebenfalls, aber: "Das kommt bei den Bauern nicht an", sagte Carolin Gropp. Die Erlöse für die abgelieferte Milch seien zwar etwas gestiegen. Das reiche jedoch nicht aus, um die Kosten zu decken und anstehende Investitionen zu schultern. Die Umstellung von der Anbindehaltung zum Laufstall wäre fällig, in Bayern soll diese Umstrukturierung bis 2030 abgeschlossen sein.

Investieren oder aufgeben

"Vor 30 Jahren war die Anbindehaltung als optimal empfohlen worden, jetzt stehen viele Betriebe vor der Wahl: investieren oder aufgeben" berichtete Gropp. Ein Stallneubau würde die Verschuldung für die nächsten 30 Jahre bedeuten. Rund zwei Millionen Euro müssten mindestens investiert werden. "Die Kühe brauchen eiweißhaltiges Futter, sonst geht ihre Milchleistung zurück, das muss zugekauft werden, Mineraldünger ist knapp und fast unbezahlbar, die Energiekosten explodieren", fasst Gropp zusammen. Das Risiko und die Belastung sind den Hofbesitzern zu groß.

Die jüngsten Herdenmitglieder sind knapp vier Wochen alt, eine 'Tante' beaufsichtigt sie.
Foto: Regina Vossenkaul | Die jüngsten Herdenmitglieder sind knapp vier Wochen alt, eine "Tante" beaufsichtigt sie.

Der Hof in Sulzdorf mit 100 Hektar Ackerland und 30 Hektar Grünland sowie 120 Stück Vieh (Nachzucht), davon 50 bis 60 Milchkühe, warf früher genug ab, um alle Beteiligten zu ernähren: Den Altbauern und seine Frau, den Jungbauern mit Lebensgefährtin sowie seinen Bruder. Jetzt geht Sebastian Schmidt zur Arbeit. Seine Lebensgefährtin konnte wegen der Corona-Einschränkungen und aktuell krankheitsbedingt ihre Arbeit im Restaurant nicht ausüben, so hatte sie Zeit, sich eine eigene Marke auszudenken und mit der Familie über neue Ideen nachzudenken.

Nur noch 35 Kühe im Stall

Die Kühe werden nach und nach verkauft oder geschlachtet, man hat sie schon auf ungefähr 35 reduziert. Auf die Tierzucht wollte der Betrieb aber nicht ganz verzichten, so kam die Haltung von Galloways ins Gespräch. Die Tiere sind robuste, ruhige Artgenossen, die ganzjährig draußen leben können. Sie fressen im Sommer nur das Gras auf ihrer großen Weide, im Winter wird Heu und Grassilage zugefüttert, Kraftfutter wird nicht benötigt.

Die Idee wurde in die Tat umgesetzt, inzwischen grast eine kleine Herde in Sulzdorf, darunter ein Bulle. Jeden Tag wird kontrolliert, ob alle Tiere gesund und munter sind. Die jüngsten zwei Kälber sind fast vier Wochen alt. Der Betrieb setzt auf Eigenvermarktung. Geschlachtet werden die langsam wachsenden Tiere, wenn sie älter als drei Jahre sind und nicht für die Zucht gebraucht werden, in Wülfershausen.

Direktvermarktung als Selbstläufer

Nach dem Abhängen in einem Kühlraum verarbeitet ein Metzger die Teile, diese werden ab Hof verkauft oder im direkten Umkreis geliefert. Sogar aus Würzburg kommt Kundschaft, denn Carolin Gropp stammt von dort und hat noch Verbindungen dahin. Der erste Versuch sei gleich geglückt, berichtete sie. Über soziale Medien und auf ihrer Internetseite hat sie die Eigenvermarktung bekannt gemacht und postet als "Caro’s Landliebe Galloway & Co" die Angebote. "Das wird ein Selbstläufer", ist sie sicher.

Die große Weide bietet viel Platz für die Galloway-Herde, die hornlosen Tiere stammen ursprünglich aus Schottland.
Foto: Regina Vossenkaul | Die große Weide bietet viel Platz für die Galloway-Herde, die hornlosen Tiere stammen ursprünglich aus Schottland.

Was sagt der Bauer dazu? Der Schwiegervater freut sich, dass er bald nicht mehr täglich 2,5 Stunden pro Tag morgens und 2,5 Stunden abends im Stall arbeiten muss. Jetzt kann er mal am Sonntag Fahrrad fahren und sogar Urlaub machen. "Die Tiere gehen vor", war bisher die Devise. Der Ackerbau läuft weiter, aber da gibt es immer wieder Zeiten mit weniger Arbeit.

Galloway-Rinder

Galloways sind eine hornlose Fleischrinderrasse. Sie stammen ursprünglich aus dem Südwesten Schottlands und sind heute auf der ganzen Welt verbreitet. Sie sind friedfertig, genügsam und widerstandsfähig und bringen auch bei naturnaher Haltung eine gute Fleischleistung mit hervorragender Qualität. Galloways haben eine überdurchschnittliche Futterverwertung und einen deutlich niedrigeren Erhaltungsbedarf als intensive Rinderrassen. Galloways sind langlebig, fruchtbar und kalben leicht, wobei ihre Kälber von großer Vitalität sind. Die Einzige, für Galloways artgerechte Haltungsform ist die extensive Mutterkuhhaltung. Sie sind geeignet für die Ganzjahresfreilandhaltung und als nicht selektive Fresser auch für die Landschaftspflege zur Offenhaltung von landwirtschaftlich nicht genutzter Fläche. 
Quelle: Bundesverband Deutscher Galloway-Züchter e.V.
 
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