Was will die Sarah in Corona-Zeiten in der Sahara? Ja, was eigentlich? Das fragt sich auch Winfried Huyer-May. Und wenn ihn ein Thema beschäftigt, dann komponiert der Münchner Hobby-Liedermacher, der regelmäßig Urlaub in Burglauer macht, einen Song. Derzeit treiben den Pensionär die Corona-Pandemie und die damit einhergehenden Einschränkungen ganz besonders um. So sehr, dass er dem Thema eine eigene Liederserie gewidmet hat. Diese Ein-Mann-Senioren-Aktion soll zeigen, wie Senioren auch in Corona-Zeiten am Tagesgeschehen teilnehmen können. Ohne dass ihnen die Decke auf den Kopf fällt. Das Besondere: Seine "QuarantäneSprechSongs" kommen komplett ohne Gesang aus. Zumindest ohne den einer Sängerin im eigentlichen Sinne.
Mit den Enkeln fing alles an. Zu Beginn der Corona-Krise gingen Winfried Huyer-May und seine Frau Maria nicht mehr selbst einkaufen. Ihre Kinder und Enkel brachten die Einkäufe vor das Wohnhaus des Paares in München. Normalerweise leben Winfried Huyer-May und seine Frau in der Stadt. Rund vier Mal im Jahr verbringen sie eine Auszeit im Elternhaus von Maria (geborene Kaidel) in der Neustädter Straße in Burglauer. Mit einem Korb wurden die Einkäufe über den Balkon in die Wohnung gezogen. Eine Torte war auch einmal dabei, darüber war die Freude besonders groß. Die Idee und der Text für den Song "Die Enkel sind mit Torte da" waren schnell geboren. Doch wie sollte man ihn umsetzen, wo ein Treffen mit der 15-jährigen Enkelin Leonie Haas, die normalerweise den Liedern ihre Stimme verleiht, wegen Corona nicht möglich war?
Googles Stimme tröstet über das Fehlen der Sängerin hinweg
"Ich habe ein wenig an meinem Computer mit einem Musikschnittprogramm herumgespielt. Und plötzlich habe ich entdeckt, dass der PC auch selbst sprechen kann. Ich war auf den Google-Übersetzer gestoßen", beschreibt Winfried Huyer-May. "Ich fand das ziemlich witzig, vor allem da man dort sehr viele unterschiedliche Sprachen und Dialekte einstellen kann". Den Text schrieb der 79-Jährige selbst und baute den Song am PC mit Googles Computerstimmen zusammen. Nach und nach entstanden immer mehr Lieder, die Huyer-May auf seiner eigens eingerichteten Internetseite www.allesopa.de hochlädt. Inzwischen sind vier Serien à zehn Songs fertig, die fünfte ist in Arbeit.
Die Musikstücke der Serie klingen teils blechern, teils schallend, laut, leise: In jedem Fall sind sie aber außergewöhnlich. Den Songs zueigen ist ein mal humorvoller, mal kritischer, mal nachdenklich stimmender Blick auf die Zeit, wie sie momentan eben so ist. Thematisch geht es um Corona im weiteren Sinne. So dreht sich ein Lied um die Maskenpflicht, ein anderes um Quarantäne oder auch - wie im eingangs erwähnten "Was will die Sarah in der Sahara" - um Urlaubspläne, die in Zeiten der Corona-Pandemie nicht jeder sinnvoll findet.
Rhön-Grabfeld spielt bei einigen Liedern eine Rolle
"Auch die schönsten Urlaubspläne gehen baden in der Quarantäne" heißt es da etwa oder "Alles ist in Quarantäne, jede graue Strähne, weltweit". Thematisiert wird aber auch, dass übertriebene Vorsicht nicht immer zielführend ist, denn "nicht jeder Mensch im Autobus ist einer, der was haben muss". Eine besonders außergewöhnliche Note verleihen den Songs die verschiedenen Dialekte und Sprachen des Google-Übersetzers. Da kann es schon mal passieren, dass Huyer-May ein Lied über einen Deutschen auf einer italienischen Vespa mit der Stimme einer Chinesin singen lässt.
Was motiviert Winfried Huyer-May und seine Enkelin Leonie, die den Songs sonst gerne ihre Stimme verleiht? "Wenn uns was Spaß macht, machen wir ein Lied", erläutert Huyer-May. Vor der Corona-Krise produzierten er und seine Enkelin Demokratie-Lieder zur Europawahl und Anti-Brexit-Songs. Als Reaktion darauf hätten sich einige englische Abgeordnete bei ihm gemeldet, zeigt sich der Pensionär, einst als Volljurist in einer leitenden Stelle in einem Wirtschaftsunternehmen tätig, erfreut. Auch Rhön-Grabfeld spielt bei den Liedern ab und an eine Rolle. Zusammen haben Huyer-May und Leonie Haas zum Beispiel einen Song mit Ohrwurm-Gefahr über die Elektromobilität in Bad Neustadt komponiert, denn "Elektromobiltiät ist, um was sich alles dreht". Seinen eigens erfundenen "Riebezahl" lässt Huyer-May gerne einmal vom Riesengebirge in die Rhön, nach Mellrichstadt, Münnerstadt oder auch Hohenroth marschieren.
Die Ideen gehen Winfried Huyer-May nicht aus
Musik gilt in der Familie Huyer-May als "Familiengut". "Ich habe immer schon Musik gemacht, mein Vater war Musiklehrer und Kirchenmusiker. Keyboard spiele ich, Gitarre, acht Töne Flöte und fünf Töne Geige", erklärt der Hobby-Musiker und schmunzelt. Zum Schreiben und Komponieren der Songs brauche es aber schon Kenntnisse der Harmonielehre, sagt er. Huyer-May hat Musikwissenschaften studiert, wenn auch ohne dies abzuschließen ("Das war mir dann doch zu theoretisch"). Zu Komponieren bedeute richtig Arbeit. Manchmal bleibe man stecken im Text oder die Musik passe nicht gleich dazu.
Spaß an der Musik ist natürlich ebenfalls unumgänglich. Dass ihm gefällt, was er tut, zeigt sich auch beim Blick in die Burgläurer Kreativ-Scheune. Allerlei selbstgebaute Apparaturen zum Töne erzeugen finden sich da, die Huyer-May stolz präsentiert. Da kommt schon mal ein Schubkarren zum Einsatz, ein Hammer oder Metallfedern. "Das hier klingt wie ein Ton von Geistern, schade, dass ich noch keinen Song über Geister geschrieben habe", ruft Huyer-May und zeigt einen entsprechenden Aufbau. Und schon formieren sich neue Ideen in seinem Kopf. Vielleicht auch mal etwas ohne Text, überlegt er. "Opa in Amerika" zum Beispiel oder "Opa im Orient". Dazu muss man ja nun wirklich nicht wie Sarah in die Sahara reisen. Man kann sich auch von Burglauer oder München aus gemütlich auf musikalische Art und Weise dorthin träumen.