Der E-Bike-Boom in Deutschland hat das Fahrrad als Beförderungsmittel zur Arbeitsstelle auch im ländlichen Raum ein Stück attraktiver gemacht. Selbst eine Mittelgebirgslandschaft wie die Rhön kann ihren Schrecken verlieren, wenn vor Schichtbeginn und nach Feierabend der Hilfsmotor beim Strampeln unterstützt.
Das Angebot an Radwegen gehört im Landkreis nicht zu den schlechtesten, zumal viele touristische Routen die Rhön und das Grabfeld erschließen. Auch das Alltags- und Radpendler-Netz ist vor allem entlang der Flussläufe von Streu, Saale und Beispielsweise Brend gut aufgestellt. Dennoch gibt es Lücken. Ein Förderprogramm des Bundes unter dem Titel "Stadt und Land" könnte vorhandene Lücken schließen helfen.
Förderprogramm des Bundes
Ulrich Dolze von der Tiefbauabteilung des Landratsamtes stellte jüngst dem Kreisausschuss dieses Förderprogramm vor. Was freilich sehr verlockend klingt, hat dann die eine oder andere Tücke. Zuerst einmal sind die Kommunen für den Radwegebau verantwortlich. Entsprechend müssen solche Wegepläne in den Stadt- und Gemeinderäten diskutiert und entschieden werden. Auf der anderen Seite verlangt ein übergeordnetes Pendlernetz natürlich auch ein kommunenübergreifendes Planen. Und genau deshalb wurde das Förderprogramm im Kreisausschuss behandelt. Der Landkreis könnte eine solche Vorplanung für die Kommunen übernehmen.
Das genannte Förderprogramm des Bundes - ein Sondertopf mit ähnlicher Stoßrichtung wird auch auf bayerischer Ebene gerade aufgesetzt - ist so taufrisch, dass Ulrich Dolze gewisse Details nicht mitteilen konnte. "Erst sollte die Abrechnung der jeweiligen Baumaßnahme Ende 2023 erfolgt sein, doch das scheint sich gerade zu ändern", so der Fachmann. Auch Landrat Thomas Habermann nannte diesen Zeitplan "sehr ambitioniert". Solche Projekte benötigen ja viel Vorlauf.
Ziel des Förderprogramms ist die Schaffung von "hochwertigen, sicheren und leistungsfähigen Radverkehrsinfrastrukturen". Von lückenlosen Netzen ist die Rede, die geringe Verlustzeiten ermöglichen und so den ökologisch gewünschten Umstieg auf das Rad als Verkehrsmittel im Alltag attraktiv machen sollen.
"Mehrere Gemeinden haben ihr Interesse an dem Förderprogramm bekundet und erste Schritte unternommen", erläuterte Dolze. Voraussetzung sei aber ein übergreifendes Planungskonzept, das über die Grenzen der jeweiligen Kommune hinausreicht. Genauere Anforderungen an den Inhalt eines solchen Konzeptes kann Dolze ebenso wenig den Förderrichtlinien entnehmen, er befinde sich jedoch im Austausch mit der Regierung von Unterfranken als zuständiger Bewilligungsbehörde.
Einige Lückenschlüsse nötig
Dolze hat eine Handvoll von Entwicklungslinien bestimmt, die zu einer Verbesserung der Pendler-Infrastruktur beitragen könnten. Lücken sieht er zum Beispiel im Pendlernetz aus den Walddörfern in Richtung Bischofsheim, Wildflecken, Bad Kissingen und Bad Neustadt. Ausbaufähig sei auch eine Verbindung von Willmars in Richtung des Wegenetzes im Streutal.
Auch von Fladungen in Richtung Elstal und Wechterswinkel müsste ein Radpendlernetz entwickelt werden, gleiches gilt für Ostheim und seine Anbindung an Wechterswinkel und weiter nach Bad Neustadt, das beispielsweise über Steinach besser angebunden werden könnte. Aus Richtung Sondheim/Grabfeld-Hendungen-Rappershausen-Rothausen wäre eine bessere Anbindung zum Beispiel über Oberstreu nach Bad Neustadt wünschenswert, stellte Dolze seine Planungsideen vor. Schließlich nannte Dolze noch eine Linie Bad Königshofen-Hofheim, die Anbindung von Strahlungen an Bad Neustadt und Münnerstadt bzw. die Achse Mellrichstadt-Bad Königshofen. Auch die Lückenschlüsse zwischen Bischofsheim, Oberelsbach und Nordheim sieht Dolze als erstrebenswert an. All diese Wege besäßen eine gewisse "Verlagerungskapazität" vom Pkw auf das Fahrrad, was ein Förderkriterium sei, sagte Dolze.
Schwierigkeit der Räum- und Streupflicht
CSU-Kreisrätin Birgit Erb aus Oberelsbach brachte eine Problematik mit ins Spiel, wegen der viele Gemeinden auch zurückschrecken würden vor einem solchen Projekt: Es ist die Räum- und Streupflicht, denn solche Radpendler-Wege müssten ganzjährig befahrbar gehalten werden. Da stelle sich die Haftungsfrage und die Frage, wie man mit seinem Bauhof alle Wege rechtzeitig freihalten könne.
Was Erb noch zu bedenken gibt, sind die Schwierigkeiten, solche Radwege auf Gemeindeebene zu finanzieren, wenn die Kommunen gleichzeitig Stabilisierungshilfe beantragen wollen. "Überhaupt sollten die Planungen auch in Absprache mit dem Radwege-Experten Jochen Heinke erfolgen", schlug die Oberelsbacher Bürgermeisterin vor.
Üppige Förderung
Eine Förderung von 75 und mehr Prozent stellt das Bundesprogramm "Stadt und Land" in Aussicht. Wer 80 Prozent oder mehr Förderung will, muss bis Ende des Jahres den Maßnahmenbeginn oder die Maßnahmenbewilligung vorweisen. Der Kreisausschuss befürwortete, die ersten Planungen von Ulrich Dolze weiterzuführen, um den Kommunen eine Hilfestellung an die Hand zu geben für ihre Anträge.
Klar sei, dass solche Pendlerwege anderen Ansprüchen genügen müssten als reine touristische Strecken. Die Grünen-Kreisrätin Birgit Reder-Zirkelbach hatte zuvor den Radwegebau zwischen Sulzfeld und Stadtlauringen als überdimensioniert kritisiert. "Solche Pendlerwege müssen besonderen Sicherheitsstandards entsprechen und eine ausreichende Breite besitzen", sagte Landrat Thomas Habermann dazu.
Auch ein Landesprogramm hilft
Auf Landesebene kommt zu diesem Bundesprogramm noch das Projekt "Radverkehrsnetz Bayern" hinzu. Damit sollen über das bestehende Straßen- und Wegenetz die Hauptorte der bayerischen Städte und Gemeinden für den Alltagsradverkehr verbunden werden. Auf Kreisebene und kommunaler Stufe will der Freistaat dieses Netz Zug um Zug verdichten, sodass die 2056 Gemeinden Bayerns verbunden sind. Bis 2025 soll dieses Projekt umgesetzt sein.
"Die Gemeinden müssen es wollen, dann können wir helfen. Oder aber wir lassen es, wie es ist", forderte Habermann die Entscheidung der Verantwortungsträger. "Grundsätzlich ist die Richtung gut", befand dann auch Birgit Erb.