Der erste Landrat und der erste Kreistag für den neuzubildenden Landkreis Rhön-Grabfeld wurden vor 40 Jahren am 11. Juni gewählt. „Es sind nur noch wenige da, die das als Kommunalpolitiker selbst erlebt haben“, erzählt Gottfried Miller. Der Bad Neustädter trat damals als Landratskandidat der CSU gegen Dr. Karl Grünewald (FWG-SPD-FDP) an, der für die Altlandkreise Königshofen und Mellrichstadt stand.
Damals wie heute sagt Miller: „Mir ging es darum, das neue Kreisbewusstsein herauszustellen. Deshalb forderten wir die Bürger des Altlandkreises Bad Neustadt auch auf, Kandidaten für den Kreistag aus dem gesamten Angebot zu wählen.“ Die Bürger der Altlandkreise Königshofen und Mellrichstadt wählten aber aus den 170 zur Wahlstehenden Personen ihre Kandidaten, so waren im ersten Kreistag speziell die Mitglieder aus diesen Bereichen stark vertreten. Und: Karl Grünewald wurde der erste Landrat von Rhön-Grabfeld.
„Die Königshöfer und Mellrichstädter haben so gewählt, weil sie ja ihren Sitz als Landkreis verloren – und dazu auch das Landratsamt“, urteilt Miller. Von den 50 Sitzen im neuen Kreistag gingen lediglich elf nach Neustadt, die restlichen teilten sich Königshofen (20) und Mellrichstadt (19). Die CSU hatte die Mehrheit mit 29 Sitzen, die SPD bekam neun, die FDP einen, und die Freien Wähler waren mit elf Sitzen vertreten – für Miller heute noch überraschend. „Wir waren uns sicher, dass Bad Neustadt mit damals 39 000 Einwohnern den Landrat stellt und eine große Anzahl der Kreisräte“, erinnert er sich.
Die Landratswahl ging recht knapp aus. „Karl Grünewald hatte 52 Prozent der Stimmen. Ich habe die Wahl knapp verloren.“ Im Altlandkreis Neustadt hatte er 72 Prozent geholt. Miller blickt auf die Geburtswehen des neuen Landkreises zurück: „Mir war klar, dass es eine ganze Generation braucht, bis Rhön-Grabfeld zusammengewachsen ist.“ Die Stimmung in den drei ehemaligen Landkreisen war stark geteilt. „In Mellrichstadt und Königshofen wurde der Verlust der Landratsämter immer wieder beklagt.“ Das habe er bei seinen Wahlversammlungen in allen Ortschaften des Landkreises gehört.
An der Wahlniederlage habe er schwer zu tragen gehabt, sagt Miller. Schließlich war er zuvor von 1963 bis 1972 Behördenchef des Altlandkreises Neustadt. Aber auch für den ersten Landrat sei es eine schwierige Zeit gewesen. Miller erinnerte sich, dass im Kreistag damals Stimmen laut wurden, den Sitz des Landratsamts von Bad Neustadt nach Mellrichstadt zu verlegen. „Aber alle Wasser fließen nach Bad Neustadt und so blieb der Sitz der Landkreisverwaltung hier“, sagt der 88-Jährige lachend.
Rückblickend auf seine neunjährige Amtszeit in Neustadt zählt er vieles auf, das erreicht wurde. Miller baute das heutige Landratsamt, kümmerte sich um Straßenbau und Schulwesen. Wirtschafts-, Fachober- und Berufsschule entstanden. Der Naturpark wurde gegründet. Gottfried Miller spricht von vielen Höhen und Tiefen, die der neue Landkreis zu überwinden hatte. Sein Resümee: „Die schönste Zeit in meinem Leben waren die neun Jahre Landrat in Neustadt.“
ONLINE-TIPP
Mehr zur Main-Post-Serie über die Gebietsreform und eine alte Zeitungsseite mit den Gesichtern der 50 ersten Kreisräte des neuen Landkreises Rhön-Grabfeld finden Sie im Internet unter rhoengrabfeld.mainpost.de
Mitglieder im Kreistag 1972
CSU (29): Alex Hösl (Nordheim), Hermann Dürbeck (Ottelmannshsn.), Paul Goebels (Nes), Oskar Herbig (Met), Karl Groenen (Met), Elfriede Siegel (Rappershsn.), Hilmar Braun (Kön), Ferdinand Müller (Met), Elmar Griebel (Schönau), Hans Repp (Bischofshm.), Eugen Köhler (Gollmuthhsn.), Adolf Büttner (Ostheim), Edmund Grom (Hohenroth), Anton Türk (Oberstreu), Josef Scheuplein (Brendl.), Hans Albert (Sternb), Theo Schleicher (Nes), Franz Söder (Kilianshof), Gertrud Werp (Kön), Josef Volkmuth (Niederl.), Walter Wehner (Schmalw.), Ernst Härter (Aubst.), Ludwig Dietz (Aub), Raimund Goldbach (Flad.), Rudolf Reß, Georg Türk (beide Basthm.), Georg Lierheimer (Nes), Erich Bach (Sondhm./Rh), Oskar Adam (Großbardorf).
SPD (9): Raimund Hennig (Kön), Walter Graumann (Met), Kurt Zühlke, Franz Jahrsdörfer (beide Kön), Herbert Kamien (Met), Gerhard Schätzlein (Willmars), Arthur Hofmann (Kön), Andreas Feldner (Ostheim), Günter Maisch (Saal).
FW (11): Wolfgang Mack (Kön), Werner Artus (Osth.), Hans Imkeller (Kön), Hubert Widenmayer (Met), Wilhelm Zirkel (Aubs.), Friedrich Spatz (Hainhof), Kolonat Joachim (Sulzf.) Vitus Streit (Stockhm.), Hans Ulrich Dill (Nes), Hermann Krämer (Kön), Andreas Kuhn (Merkershsn.) FDP (1): Hermann Koch (Höchhm.)