Zum 11. Mal führte FIAKE, der Verein zur Förderung des internationalen Aus-tauschs für Künste und Erziehung, in diesem Jahr die deutsch-chinesischen Jugendtage in Berlin durch – und einer freundlichen Einladung zu diesem Event vom 19. bis 22. Juli folgte erstmals auch der Jugendchor des Sängervereins Mellrichstadt.
Weil leider nicht alle jungen Damen an dieser Fahrt teilnehmen konnten, war es nur eine kleine Gruppe von zehn sangesfreudigen Mädchen, die am letzten Donnerstag um 6 Uhr in der Früh unter der Leitung und Aufsicht von Marianne Klemm mit der Bahn in die Hauptstadt aufbrach. Fast auf die Minute pünktlich erreichten die Mellrichstädter ihren S-Bahnhof Sonnenallee im Bezirk Neukölln und mussten dann nur noch wenige Meter laufen, um ihre Unterkunft, das Vier-Sterne-Hotel Estrel, Deutschland größtes Hotel mit über 1100 Zimmern, zu erreichen. Staunen pur über die Ausmaße einer solchen Luxus-Herberge, die für nur 25 Euro pro Nacht allen Teilnehmern der deutsch-chinesischen Jugendtage zur Verfügung gestellt wurde. Erstaunlich auch, wie schnell die Jugendlichen sich in diesem riesigen Komplex zurechtfanden!
Da am Anreisetag kein offizielles Programm stattfand, wurde am Nachmittag die Hauptstadt auf eigene Faust erkundet. Natürlich waren der erste Anlaufpunkt das Brandenburger Tor und der benachbarte Reichstag. Eine ursprünglich gebuchte Führung fiel wegen der trotz Sommerpause einberufenen Plenarsitzung zur Debatte über die Eurokrise aus. Die verbliebene Zeit wurde aber locker mit Bummeln unter den Linden und Shoppen am Potsdamer Platz verbracht. Am Abend gab es im zum Hotel gehörigen riesigen Veranstaltungscenter unter dem Titel „All you need is love“ eine musikalische Hommage an die Beatles mit ihren größten und schönsten Hits, live gespielt von einer vierköpfigen Band aus Las Vegas, die nicht nur äußerlich den Originalen sehr ähnlich waren, sondern auch so wie sie sangen. In Erzählungen und Originaleinspielungen wurde der Aufstieg und der Erfolg der Kultband unter ihrem Manager Brian Epstein eindrucksvoll dokumentiert. Zumindest beim Schlusslied „All you need is love“ konnten alle Jugendchörler auch mitsingen.
Am Freitagvormittag stand ein offizieller Empfang im Roten Rathaus auf dem Programm und jeder hoffte insgeheim, den Hausherrn, den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit, zu sehen. Aber er ist zurzeit nicht in Berlin und die Verantwortlichen und die Vertretungen der teilnehmenden Gruppe hieß eine seiner Mitarbeiterinnen, eine gebürtige Ansbacherin, herzlich willkommen. Klaus Wowereit äußerte sich aber in einem Grußwort und wünschte allen Teilnehmern schöne gemeinsame Tage in der deutschen Hauptstadt. Wenn sich junge Leute treffen, um sich gegenseitig zu inspirieren, zu bereichern und um voneinander zu lernen, so sei dies ein wichtiger Beitrag zur interkulturellen Verständigung. Eine Führung und ein Rundgang in seinem imposanten Rathaus schlossen sich an.
Nach einem gemeinsamen Essen in einem China-Restaurant fuhr die Gruppe mit einem Bus hinaus in das FEZ, Berlins größtes Freizeit- und Erholungszentrum in der Wuhlheide. Dort fand am späten Nachmittag auf einer großen Bühne im Theatersaal das drei Stunden dauernde Eröffnungskonzert statt. Grußworte der maßgeblichen Leute aus Politik und Verbänden, das Vorstellen und Anmoderieren – jeweils in deutsch und chinesisch- aller teilnehmenden Gruppen, immerhin sieben chinesische und sechs deutsche, und deren Auftritte! Zum Schluss wurde es im Zuschauerraum schon etwas unruhig! Beeindruckend aber, welche fast militärisch anmutende Disziplin die chinesischen Akteure, überwiegend Grundschulkinder, bei ihren Auftritten an den Tag legten (oder legen mussten). Der Jugendchor des SV Mellrichstadt war der einzige teilnehmende Chor – die chinesischen Gruppen sangen zwar auch, aber nicht ganz so geschult. Besser be-herrschten sie das Akkordeon und das Spielen auf chinesischen Blas- und Schlaginstrumenten in einer Orchesterformation! Mit welch einer Begeisterung schlugen sie auf Klangschalen, schüttelten sie den Abakus (bei uns ein Rechengerät) und bliesen auf schrill klingenden Flöten! Bei dieser Lautstärke darf man als Leiter wahrlich nicht geräuschempfindlich sein und sollte auch keinen Tinnitus haben!
Aufgefallen und herrlich anzusehen waren die Kinder auch in bestimmt teuren, aufwendigen und farbenprächtigen Kostümen, sogar die Schuhe waren uniform! Eher bescheiden wirkte da schon die Mellrichstädter Chorkleidung, neue weiße T-Shirts mit Jugendchorlogo und individuellem Namensaufdruck, gerade noch rechtzeitig aus der Druckerei gekommen!
Mit dem gemeinsam gesungenen „We are the world“ und einer herzlich inszenierten Preisverleihung – auch der Mellrichstädter Chor errang einen ersten Preis und alle erhielten eine Urkunde – ging ein langes Konzert zu Ende. Sehr lange war danach auch die Schlange, die sich dann am Buffet anstellte, denn Mitwirkende und Zuhörer durften sich bedienen. Nach einem kurzen Open-Air-Konzert auf einer kleinen Bühne am See in der Anlage des FEZ wurde diese Eröffnungsveranstaltung mit einem wunderschönen, stimmungsvollen Feuerwerk beendet. Von FIAKE geschenkt bekamen übrigens alle Teilnehmer auch ein speziell für diese Jugendtage produziertes T-Shirt, das zusammen mit einem Button nach den Auftritten angezogen wurde, um ein Gemeinschaftsgefühl zu demonstrieren.
Weil das diesjährige Jugendtreffen mit einem besonderen Jubiläum zusammenfiel – vor 40 Jahren haben China und Deutschland erstmals diplomatische Beziehungen aufgenommen – durfte das zweite Konzert dieser deutsch-chinesischen Tage am Samstagabend zum ersten Mal im Konzertsaal des Roten Rathauses, der eine ausgezeichnete Akustik hat, stattfinden. Bei diesem Konzert sollte der Jugendchor auch zusammen mit dem chinesischen Blas- und Schlagorchester der Guxiong Grundschule Nanjing auftreten und chinesisch singen. Deshalb traf man sich bereits am Nachmittag zu einer ersten Probe! Chinesisch sprechen ist wirklich nicht ganz so einfach, aber Frau Liu als „native speaker“ war eine große Hilfe und zeigte viel Geduld.
Bevor dieser gemeinsame, das Konzert abschließende Auftritt aber an der Reihe war, begeisterten die Mädchen das Publikum mit ihrem Einzelauftritt und den drei ausgewählten Liedbeiträgen, besonders mit dem gefühlvoll und dynamisch gesungenen „Hallelujah“ von Leonard Cohen, am Klavier begleitet von Xi Yu, eine elfjährige und für ihr Alter beeindruckend ausdrucksvoll spielende chinesische Schülerin. Die Krönung an diesem Ort und zu diesem Anlass waren danach wohl die a-capella vorgetragenen drei Strophen der bekannten deutschen Volksweise „Die Gedanken sind frei“, für die es besonders viel Beifall von den deutschen und chinesischen Zuhörern im vollbesetzten Konzertsaal des Roten Rathauses gab. „Denn meine Gedanken zerreißen die Schranken und Mauern entzwei – die Gedanken sind frei“. Einige Zuhörer verstanden wohl auch die Hintergedanken dieses Liedes.
Zum Abschluss des Konzertes dann das gemeinsam musizierte Lied „You and Me“ (bzw. „vo ho ni“) – das Lied, das zur Eröffnung der Olympiade 2008 in Peking gesungen wurde, viele Gruppenbilder mit dem chinesischen Orchester, der Austausch von E-Mail-Adressen und ein langes Winken beim Verabschieden – da war er, der Beitrag zur unproblematischen, interkulturellen Verständigung von jungen Leuten, für die sich auch der Amtskollege von Herrn Wowereit, Mellrichstadts Bürgermeister Eberhard Streit, begeistern konnte und die er für so wichtig hält, dass er diese Fahrt des Jugendchores nach Berlin vonseiten der Stadt finanziell unterstützte. Dafür an dieser Stelle herzlichen Dank, auch an die Vorstandschaft des Sängervereins, die in gleicher Weise Geld zusteuerte, so dass die Kosten für die jungen Damen im Rahmen blieben.
Am Abschlusskonzert am späten Sonntagnachmittag konnten die Mellrichstädter nicht mehr teilnehmen, denn man wollte noch am frühen Sonntagabend mit der Bahn nach Hause kommen. Den Vormittag verbrachten sie dann anstelle einer Sightseeing-Tour mit dem Bus auf einem Ausflugsschiff, das direkt am Hotel anlegte, und sahen auf gemütliche Art und Weise viele interessante und schöne Seiten von Berlin. Mit diesen neuen Eindrücken und denen der drei Tage davor im Gepäck und ganz wichtig auch, mit einem neuen Gemeinschaftsgefühl, machte man sich dann wieder mit dem Zug in Richtung Heimat auf! Was kümmerte es da die Jugendlichen, dass sich die Ankunft in Mellrichstadt um zwei Stunden verzögerte, weil ein ICE 30 Minuten Verspätung hatte, der Anschlusszug verpasst wurde und man in Meiningen auf von der Bahn bestellte Taxen umsteigen musste, weil kein Zug nach Mellrichstadt mehr fuhr. Zum Glück gibt es ja Handys, mit denen die wartenden Eltern verständigt werden konnten. Und ein Verzehrbon der Deutschen Bahn ließ Hunger und andere Gefühle erst gar nicht aufkommen. Gegen 23 Uhr ging dann eine schöne Chorfahrt mit unvergesslichen Erlebnissen zu Ende.