
Dass es schon ein gewagtes Unternehmen war, in der DDR anderer Meinung zu sein, machte bei der zweiten Podiumsdiskussion Ulrich Töpfer deutlich. Er hatte über Jahre hinweg maßgeblich die Friedensgebete mit organisiert. Mit ihm waren Pfarrer Michael Wagner sowie Harald Hentschel, ehemaliger Stellvertreter des Kommandeurs und Leiter der Politabteilung des Grenzregiments 3 in Dermbach, Helmuth Schuchardt vom Deutschen Roten Kreuz und Ralf Luther auf am Podium. "Auch in den Kirchen musste man aufpassen, was man predigte", fügte Pfarrer Michael Wagner an. Dies galt auch für die Friedensgebete, die in den Kirchen begannen. Dort habe man immer zur Besonnenheit aufgerufen. Beeindruckend war die Erzählung von Ulrich Töpfer, der aus einem christlichen Elternhaus kam und von einer für ihn konfliktreichen Zeit unter dem DDR-Regime sprach. So blieben die Aufnahmeanträge in Pionierorganisation und FDJ unausgefüllt, ebenso wie der Antrag auf Teilnahme an der Jugendweihe.
"Ich weigerte mich, die dritte Strophe der 'Internationalen' zu singen, vergaß das DDR-Emblem auf der Deutschlandfahne, unterschrieb eine Resolution gegen den "Aggressor" Israel nicht und vieles mehr. Dafür weigerten sich die Schulbehörden, ihre Zustimmung zum Besuch der Erweiterten Oberschule (Gymnasium) zu geben." Im Herbst 1979 bekam er als Kriegsdienstverweigerer die Einberufung als Bausoldat zum Wehrdienst ohne Waffe. Töpfer sprach von schlimmen eineinhalb Jahren. Sogar in den Hungerstreik trat er.
Hauptverantwortlich für die großen Friedensgebete
1981 engagierte er sich in der Aktion "Schwerter zu Pflugscharen", sowie den Friedensdekaden, den "Gemeindetagen Frieden" und den "Friedensgebeten". Die Staatssicherheit reagierte und stempelte ihn quasi zum Staatsfeind Nr.1. 1984 entstand in Meiningen die einzige "blockübergreifende" Friedensaktion zur Überwindung der militärischen Konfrontation und der Militärblöcke, die es in Deutschland je gab. Letztendlich war er hauptverantwortlich für die großen Friedensgebete und Demonstrationen 1989/90 in Meiningen
Harald Hentschel war in einem kleinen Grenzabschnitt in Dermbach als Stellvertreter des Kommandeurs und Leiter der Politabteilung des Grenzregiments 3 eingesetzt. Dort verstand er sich mit dem katholischen Pfarrer ebenso wie mit dem Bürgermeister. So gelang es ihm, ein historisches Wappen zu sichern und mit dem Ortspfarrer traf er sich auch mal auf ein Gläschen Messwein. "Wir waren ein kleines Dorf und da ging so etwas." Natürlich musste er sich ab und zu auch mal gegen seine Vorgesetzten durchsetzen, blieb aber bis zur Grenzöffnung 1989 in seiner Grenzkompanie.
Pfarrer Michael Wagner erinnerte daran, dass die Kirche nicht nur die Friedensgebete unterstützte, sondern auch bei Ausreiseanträgen behilflich war, sich um die Obdachlosen und Kranken kümmerte und vieles mehr. Er wusste, das die "Aktuelle Kamera" der DDR die Redewendung von Schabowski von der sofortigen Öffnung der Grenzen nicht übertrug. Letztendlich sei die Rede Schabowskis "aus dem Ruder gelaufen". Keiner habe geglaubt, dass die DDR nicht mehr existiert, man habe nur ein anderes System erreichen wollen.
Fahrer der Krankenwagen hatten Passierschein
Auf die Absicherung von Friedensgebeten angesprochen, sagte Helmuth Schuchardt, dass man natürlich mit dabei war, aber im Ernstfall hätte man im DRK Meiningen wenig ausrichten können. Dazu gab es zu wenig Fahrzeuge. Das DRK sei aber eine neutrale Organisation gewesen. Die Fahrer der Krankenwagen waren im Besitz von Passierscheinen, wobei der jeweilige Abschnittsbevollmächtigte (ABV) die Vorprüfung dieser Personen durchführte. Danach wurden die Unterlagen an die Staatssicherheit weiter geleitet. Die gab dann die Genehmigung, um im Notfall auch in Sperrgebiete fahren zu können.
In der DRK-Kreisorganisation Meiningen gab es 72 Mitarbeiter. War er bei den Friedensdemonstrationen dabei? Nur an der Seite habe er gestanden, da er schon einmal Probleme mit der Stasi hatte. Aus seiner Zeit um 1987 berichtet Ralf Luther und erzählte, dass sein Vater bei seiner Konfirmation heimlich in die Kirche war, "um keinen Ärger zu bekommen". Luther war in seinem Heimatort Rosa in der CDU aktiv und hatte hier verschiedene Aktionen gestartet.
Nun stehen noch zwei Podiumsabende an und zwar am Mittwoch, 27. November, im großen Saal des Kreisarchivs. Da geht es dann um den 9. November, darum, wie die ersten Kontakte entstanden und schließlich landauf landab die Euphorie zu erleben war. Wie ist das heute? Damit befasst sich der vierte Abend am 4. Dezember, der unter dem Thema "Die Kinder der Grenzöffnung und Wiedervereinigung und das Deutschland heute". Die Veranstaltungen beginnen jeweils um 19 Uhr im großen Saal des Kreisarchivs in Meiningen. Der Eintritt ist frei.