
Als am 13. August 1961 die damaligen DDR-Grenzorgane mit dem Bau der Mauer in Berlin begannen, hatte das auch Auswirkungen auf die insgesamt knapp 1.400 Kilometer sogenannte Demarkationslinie zwischen der sowjetischen Besatzungszone und der Bundesrepublik Deutschland.
Bislang gab es hier zwar eine Grenze zur Deutschen Demokratischen Republik, die sogenannte "Grüne Grenze". Diese war aber noch weitgehend durchlässig. DDR-Soldaten und Grenzbeamte auf westdeutscher Seite hatten, wenn auch wenig, aber doch Kontakt.
Bis zu jenem 13. August 1961, sagt Gerhard Schätzlein, damals Lehrer an der Schule in Willmars. Auch der heutige Kreisheimat- und Archivpfleger Reinhold Albert in Sternberg erinnert sich an diese Zeit, als der systematische Ausbau der Grenzanlagen begann und die ersten Minen gelegt wurden. Diese lagen zwischen zweireihigen Stacheldrahtzäunen. An den Straßen und Wegen gab es noch einfache Schlagbäume aus Holz, die jedoch streng bewacht wurden.

In den Anfangsjahren waren Schmuggler sehr aktiv
Gerhard Schätzlein weiß noch, dass damals der 50 Meter-Streifen zwischen der bayerischen und der DDR-Grenze von Unkraut und Bäumen freigemacht werden musste. Dafür waren die Anwohner der Grenzdörfer eingeteilt. Er selbst beobachtete dies mit seiner Schulklasse vom westdeutschen Gebiet aus. "Plötzlich entdeckte einer meiner Schüler seine Tante und seinen Onkel und man konnte sich sogar auf die Ferne unterhalten." Damals hätten die Grenzsoldaten dies noch zugelassen.

Die Minen, die im Grenzstreifen verlegt wurden, waren sogenannte Holzkastenminen. Zwischen 15 und 20 Kilometer betrug die Länge zur DDR-Grenze im Bereich Filke und Willmars. Insgesamt hatte Unterfranken eine 133 Kilometer lange gemeinsame Grenze mit der DDR, berichtet Reinhold Albert.
Der Schmuggel habe in den Anfangsjahren geblüht. Taschenlampen, Ersatzteile, Medizin, und Zigaretten wechselten die Besitzer. Flugblätter wurden herüber und hinüber geschossen und es gab Propagandaschilder im Grenzgebiet.

Bauern aus dem Westen arbeiteten auf ihren Feldern im Osten
Reinhold Albert weiß aber auch von einem Viehhändler, der die Grenzanlage betrat in der Meinung, dass die Grenzbeamten keine scharfe Munition verwenden." Als er dem Aufruf der Grenzsoldaten, stehenzubleiben, nicht nachkam, schossen sie auf ihn und verletzten ihn tödlich." In diesem Zusammenhang berichtet der Kreisheimatpfleger, dass viele Soldaten Angst gehabt hätten, Dienst am Grenzzaun zu tun, weil sie im Ernstfall auf einen Flüchtling schießen mussten.

Es war aber auch die Zeit, als an der Grenze noch Landwirtschaft betrieben wurde und Bauern aus dem Westen ihre Felder in der DDR bearbeiteten. "Das wiederum war aber nur möglich, wenn sie eine Genehmigung der sowjetischen Besatzung vorweisen konnten", sagt Gerhard Schätzlein. Unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen der DDR-Soldaten wurde die Ernte eingebracht oder Kartoffeln geerntet.
Reinhold Albert berichtet von vielen menschlichen Tragödien
DDR-Bürger berichteten, dass dabei kein Wort gesprochen werden durfte. "Sonst hätte die gesamte Gruppe nach Hause gekonnt und wir hätten unsere Kartoffeln nicht ernten können." Reinhold Albert berichtet von einem Sterbefall in Schwickershausen. Die im Westen lebende Tochter bekam keine Einreisegenehmigung, lediglich die Mitteilung, dass sie vom Turm bei Zimmerau die Beerdigung ja mit ansehen könne.

Von alledem erfuhren auch prominente Besucher wie einst Herbert Wehner, damals Minister für innerdeutsche Beziehungen, oder Bundespräsident Heinrich Lübke und Bayerns Ministerpräsident Alfons Goppel bei ihren Besuchen im Grabfeld und in der Rhön.
Was passierte bei der Aktion "Ungeziefer"?
Es folgte die Aktion "Ungeziefer", womit die Zwangsaussiedlung von DDR-Bürgern gemeint war, die zu nahe an der Grenze wohnten. In einer Nacht- und Nebelaktion mussten sie ihr Anwesen räumen und wurden umgesiedelt. Orte, wie Billmuthhausen oder Leitenhausen wurden dann dem Erdboden gleich gemacht. In Billmuthhausen sind heute Reste eines Dorfbrunnens, die Trafostation und ein Silo sowie Mauerreste eines Gutshofes vorhanden. In einer kleinen Kapelle sind auf Bildtafeln Erinnerungen an Billmuthhausen festgehalten.

Auf westdeutscher Seite entstand in den 1960er Jahren in Breitensee, einem Dorf, das direkt an der Grenze lag, die erste Grenzinformationsstelle Deutschlands. Die Informationstafeln und Modelle wurden vom Verein für Heimatgeschichte im Grabfeld gesichert und im Museum für Grenzgänger in Bad Königshofen.
Nach und nach wurde die Grenze immer undurchlässiger. Ein 3,3 Meter hoher Metallgitterzaun ersetzte den Stacheldrahtzaun, Hinterlandzaun, Wachtürme und Erdbunker wurden gebaut. Anstelle der Holzkastenminen wurden Plastikminen verlegt. Um Fluchtversuche zu verhindern, montierten die Grenzsoldaten Selbstschussanlagen, die beim Berühren des Zaunes den Flüchtling schwer verletzten oder gar töteten.
