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MEININGEN
Lieber kein Häuschen mit Garten
Das Wirtshaus im Spessart als Puppentheater auf der Meininger Bühne. Mit Roland Klappstein, Falk P. Ulke und Maria Adriana Albu.
Foto: Josefine Weyer | Das Wirtshaus im Spessart als Puppentheater auf der Meininger Bühne. Mit Roland Klappstein, Falk P. Ulke und Maria Adriana Albu.
Siggi Seuß
 |  aktualisiert: 27.04.2023 06:37 Uhr

Ach, sie könnt' so schön sein, die Puppenoperette nach Wilhelm Hauffs Novelle – oder besser: nach Kurt Hoffmanns Verfilmung von „Das Wirtshaus im Spessart“. Nein, nicht nur, wenn Liselotte Pulver, Rudolf Vogel und Wolfgang Neuss vor unseren Augen erscheinen würden. Es wäre zu vermessen, die zweite Inszenierung des Meininger Puppentheaters in ihrer geplanten Räubertrilogie neben den deutschen Kultfilm von 1958 zu setzen.

Maria C. Zoppecks Inszenierung in den Kammerspielen hat ein paar Stärken, die das Ereignis zu einem runden kleinen Kunstwerk hätten machen können. Allen voran Ekkehard Hauenstein (Arrangement und musikalische Leitung), Soloflötist der Meininger Hofkapelle, und seine Brassband München, die die Geschichte zur Erst- und Zweitpremiere live musikalisch untermalt, dass es eine wahre Freude ist. Der immergrüne Ohrwurm „Ach, das könnte schön sein“ verfolgt einen in traumhafter Endlosschleife bis in die frühen Morgenstunden. Leider wird die Musik in den Folgevorstellungen vom Band erklingen.

Auch die drei Puppenspieler Maria Adriana Albu (als Gast), Falk P. Ulke und Roland Klappstein schlüpfen gekonnt in die zahlreichen Rollen und brummen, summen und tirilieren in den verschiedensten Tonlagen, dass man sich fragt, ob im intimen Wirtshaus und der schrägen Räuberhöhle tatsächlich eine Mikroportverstärkung nötig gewesen wäre.

Ironische Kommentatoren

Und – nicht zu vergessen: Die zwei Geister, die aus ihrem Domizil unterm Wirtshaustresen – Bühne und Figuren von Janine Hoffmann – als einzige leibhaftige, weißschleierige Puppenwesen erscheinen. Alle anderen Charaktere sind Flachfiguren mit aufgezeichneter Mimik. Die zwei Gespenster, die einst Räuber waren, und nun durch eine gute Tat erlöst werden wollen, sind in der Handlung so etwas wie ironische Kommentatoren. Nicht so sarkastisch wie die legendären alten Nörgler Waldorf und Statler in der Muppetsshow, aber immerhin: Sie geben der Geschichte einen satirischen Unterton, den die ansonsten, trotz Räubereien, recht brav inszenierte Handlung braucht, um ein bisschen tiefgründiger lustig zu wirken – eine Rolle, die im Film der unvergleichliche Rudolf Vogel als Buffon Parucchio innehatte. Leider werden die beiden Gespenster am Ende erlöst und müssen ihr weiteres Leben als erstarrte Gestalten in einem gerahmten Bild fristen.

Biedere Inszenierung

Die Inszenierung um zwei Wanderburschen, die in einem Wirtshaus auf eine reisende Gräfin treffen, zusammen von Räubern gekidnappt, und dank Rollentausch erhellende Einsichten über den Charakter des Landesvaters, die wahre Identität des Räuberhauptmanns und über sich selbst erlangen, die Inszenierung gerät, trotz guter Voraussetzungen leider zu bieder, um sich nachhaltig im Gedächtnis einzunisten. Die pfiffige Courage der anfangs ängstlichen kleinen Helden, das lauernde Böse in der Welt und der augenzwinkernde Schabernack, dem sie ihm, dank Gräfin, entgegenstellen, um menschenwürdig zu überleben, gerät allzu schnell zur oberflächlich-freundlichen Volksbelustigung.

Das Leben der Geschöpfe im tiefen, dunklen Spessartwald könnte also etwas schöner, vielleicht sogar abwechslungsreicher sein, als das kleinbürgerliche Idyll vom Häuschen mit Garten, das sich die guten armen Räuber, wahrscheinlich vergeblich, erträumen.

Nächste Vorstellungen: 17. und 19. Mai, jeweils 20 Uhr, 3. Juni, 16 Uhr. Karten: Tel. (0 36 93) 45 12 22. www.meininger-staatstheater.de

 
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