Sicher, so auftrumpfen wie das Klavier oder gar die Orgel kann die Gitarre nicht, aber sie kann eine kultivierte und auch eine verhalten leidenschaftliche Musik von vollendeter Klangschönheit erzeugen.
Dafür erlebten die Besucher der jüngsten Folge von „Leben im Schloss“ mit Helmut Koch aus Sandberg-Kilianshof am Pfingstsonntag ein wundervolles Beispiel.
Das Besondere daran war, dass der Gitarrist mit dem Balladen-Rezitator Peter Ackermann einen würdigen Partner zur gemeinsamen Programmgestaltung gefunden hatte. Gute Unterhaltung hatte Schlossverwalterin Edeltraut Rapp den Gästen bei ihrer Begrüßung gewünscht. Doch auch wenn die Balladen gruselig wurden, wie zum Beispiel bei Goethes „Erlkönig“, bei „Des Sängers Fluch“ von Uhland oder bei „Der Knabe im Moor“ von Droste-Hülshoff, es blieb beste Unterhaltung.
Ackermann hatte unterschiedliche Balladen von unterschiedlichen Autoren ausgesucht. Das Thema „Wein und Kunst stehen über Gold“ schlug Goethe in „Der Sänger“ an. Witzig war die Ballade „Von des Kaisers Bart“ von Emanuel Geibel, aus der ersichtlich wird, woher das geflügelte Wort vom Streit um den Bart des Kaisers kommt. Gewitzt der Lehrling in „Der rechte Barbier“ von Adalbert von Chamisso, dessen Rasiermesser im Zweifelsfall schneller gewesen wäre als der Dolch des bärbeißigen Soldaten.
Selbstlose Hingabe für die Mitmenschen feierte Theodor Fontane in seiner Ballade „John Maynard“ und freundliches Mitmenschentum in „Herr Ribbeck auf Ribbeck im Havelland“.
Das Thema „Liebe“ war mehrfach im Programm repräsentiert: Melancholisch Goethes „König in Thule“, der seiner verstorbenen „Buhle“ bis in den Tod die Treue hielt; schlicht und innig das mittelhochdeutsche Gedicht „Du bist mîn, ich bin dîn“; ironisch Heines „Sie saßen und tranken am Teetisch“, sarkastisch Erich Mühsams „Kleiner Roman“ von einem One-Night-Stand mit Folgen;
die „Sachliche Romanze“ von Erich Kästner, die von der Leere erzählt, die zwei Menschen verspüren, als „ihnen ihre Liebe abhanden“ kam; mit witziger Doppeldeutigkeit das Wort „Schlösslein“ in Ludwig Uhlands „Graf Eberstein“. Kein Gedicht, aber tiefe Weisheit lag in den Worten von Laotse über die Macht der Liebe, ohne die jede Tugend in ihre negative Kehrseite umschlägt.
Damit schloss Ackermann seine Textbeiträge. Zwischen die zum Teil auswendig und mit angenehmer Deklamation vorgetragenen Gedichte waren musikalische Blöcke eingefügt, zu denen Helmut Koch selbst kurze Einführungen vorausschickte. Der erste Block war dreigeteilt: Die Besucher hörten „Lagrima“ von Franciso Tárrega„, das Praeludium in d-moll von Bach und das Notturno von einem unbekannten Komponisten: alles sanfte, verträumte, kultivierte Gitarrenklänge, virtuos gespielt.
An den Hof von Louis XIV. führten das Präludium und die Sarabande von Robert de Visée, und mit „Adelita“ war Tárrega ein zweites Mal vertreten. Im dritten musikalischen Beitrag spielte der Gitarrist die anspruchsvollen Mozart-Variationen von Fernando Sor mit behutsamer Einfühlsamkeit. Den nächsten musikalischen Teil schloss Koch gleich an, mit einer bemerkenswerten Änderung an seinem Instrument: Denn für die drei Stücke „Sarabande“ von Leopold Weiß, „Capriccio Arabe“ von Tárrega und „El noy de la mare“, von Miguel Llobet musste die E-Saite auf den Ton D heruntergestimmt werden. Die Besucher hatten viel erwartet, und wurden nicht enttäuscht. Brigitte Proß vom Verein „Aktives Mellrichstadt“, der die Veranstaltungen im Schloss von Mühlfeld organisiert, hatte mit dem Engagement der beiden Künstler erneut eine glückliche Hand.