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Leserforum: Keine Betonmauern bei der Wolf-Problematik
Bearbeitet von Pressemitteilung
 |  aktualisiert: 09.03.2020 02:10 Uhr

Zum Artikel mit Herrn Prof. Kotrschal zum Thema "Wolf" vom 12. Februar erreichte die Redaktion folgender Leserbrief.

Die Ausführungen des Herrn Prof. Kotrschal zum Thema Wolf, Nutztierhalter und Bevölkerung schlagen leider einmal mehr in dieselbe Kerbe wie alles, was von offizieller Seite zum Thema Wolf verlautbart wird.

Es stimmt, dass der Wolf ein streng geschütztes Tier ist. Das ist auch in Ordnung, solange der Wolf so lebt, wie er eigentlich leben sollte, nämlich weit weg von menschlichen Siedlungen, weg von den Nutztieren und sich im Wald von Rehen, Füchsen oder Wildschweinen ernährt. Leider ist genau das aber mit der stetig zunehmenden Anzahl von Wölfen nicht mehr der Fall.

Dass andere europäische Länder mit noch höherer Wolfsdichte als Deutschland weniger Probleme mit dem Wolf haben, ist schlichtweg falsch. Seit Jahren wird in Frankreich, Italien, Österreich und der Schweiz mit Petitionen und Demonstrationen (vergleichbar mit unseren Bauernprotesten) gegen die unregulierte Ausbreitung der Wölfe und deren Folgen protestiert.

Diese Behauptung von Prof. Kotrschal mag vielleicht für einige osteuropäische Länder wie Rumänien und Bulgarien gelten. Der Unterschied zu den westeuropäischen Ländern liegt darin, dass die Bevölkerungsdichte dort im Vergleich viel geringer ist und die Herdenschutzhunde wegen fehlender Jogger, Radfahrer und Gassigeher richtig giftig sein dürfen. Falls trotzdem ein Riss passiert, ist es in diesen Ländern immer wieder geübte Praxis, den Kadaver liegen zulassen, um den zur Beute zurückkehrenden Wolf zu schießen.

Bei uns in Westeuropa dagegen wird Wölfen, die übrigens von Natur aus nicht scheu, sondern vorsichtig, neugierig und sehr lernfähig sind, kein Einhalt geboten, selbst wenn, wie beispielsweise in Frankreich geschehen, Schafe im geschlossenen Stall gerissen werden - der Wolf kam durch ein Fenster in zwei Meter Höhe.

Wodurch soll der Wolf Scheu lernen, wenn man ihm nicht klare Kante zeigen darf? Und damit meine ich nicht Steine werfen oder schreien, wie Prof. Kotrschal vorschlägt. Denn ein Raubtier, und ein solches ist der Wolf per Definition nun einmal, wird sich dadurch nicht von Übergriffen auf Nutztiere abhalten lassen.

Auch die von Prof. Kotrschal angesprochenen alten Kulturtechniken zum Leben mit dem Wolf funktionieren heute nicht mehr und haben schon früher nicht zufriedenstellend funktioniert – alte Dorfchroniken sind voll von Berichten zu dieser Problematik.

Eine Behirtung rund um die Uhr ist heute weder leist- noch finanzierbar. Die meisten Schäfereien zum Beispiel arbeiten unterbesetzt, finanziell mit dem Rücken hinter der Wand, und sollen nun auch noch für den Herdenschutz zuständig sein, den sie nicht bräuchten, wenn der Wolf sich artgerecht verhalten und seine Vermehrung reguliert würde. Zäune kosten viel Geld, gute Herdenschutzhunde sowieso und bevor man nun versucht, sich mit der Anzahl der Hunde an die steigende Zahl der Wölfe und Wolfsrudel anzupassen, sollte man überlegen, wohin dieses Unterfangen denn führt: in den finanziellen Ruin.

Wenn die Gesellschaft den Wolf möchte, müssen Nutztierhalter sämtliche Kosten des Herdenschutzes ersetzt bekommen, und zwar unbürokratisch und nicht erst nach wochen- und monatelangen Behördenmarathons. Denn das hauptsächlich von Rindern, Schafen und Pferden beweidete Grünland unserer Kulturlandschaft gehört in ganz Europa zu den artenreichsten Biotopen. Und durch sich unreguliert vermehrende Wölfe wird genau diese Biodiversität massiv gefährdet.

Wo bleibt denn die Artenvielfalt, wenn durch die steigende Wolfspopulation und dadurch immer höhere Anforderungen an den Herdenschutz die Nutztierhalter irgendwann beschließen, entweder gegen das Tierwohl ihre Tiere ganzjährig im Stall zu halten oder gar ihre Tierhaltung komplett zu beenden?

Einen interessanten Weg geht Schweden. Schweden leistet sich, um Wildtierbestände und Nutztiere zu schützen, eine aufwändige, jährliche "Wolfsinventur". Wenn sich dabei herausstellt, dass die Bestandszahl von 300 Wölfen deutlich überschritten wird oder wenn es auffällige Wölfe gibt, darf geschossen werden.

Natürlich ist das keine friedliche Koexistenz, wie sie so oft beschworen wird. Aber mit einem Raubtier, das sich unreguliert vermehrt und ungestraft ausprobieren darf, was machbar ist, Kann es keine friedliche Koexistenz geben. Ich möchte noch einmal betonen, dass selbst die allermeisten Nutztierhalter nicht gegen den Wolf sind - wenn er sich so verhält, wie sich das für die "Seele des Waldes" gehört.

Wer aber schon einmal vor seinen gerissenen Tieren stand, die vielleicht trotz ausreichender Schutzmaßnahmen hingeschlachtet wurden, darf sich die Frage nach dem Sinn stellen. Ebenso wie Nutztierhalter in den Gebieten, für die zwar die Beweidung von besonderer Bedeutung ist, die aber aufgrund der geographischen Besonderheiten ohne den geforderten Herdenschutz auskommen müssen und deswegen bei Rissen ganz leer ausgehen.

Und spätestens, wenn die einzuhaltenden Schutzmaßnahmen, ohne die ein Nutztierhalter nicht einmal die tatsächlich völlig unzureichende Entschädigung erhält, wieder ausgeweitet werden, muss man sich die Frage stellen, die schon Wolfgang Thomann, damals Fachberater für Schafzucht beim AELF Kitzingen, 2015 gestellt hat: "Wollen wir wirklich eine Landschaft, die mit drei Meter hohen, glatten Betonmauern zugebaut ist, die als Untergrabungsschutz noch einen Meter tief in den Boden eingelassen sind? Denn das ist der einzige Schutz gegen Übergriffe von Wölfen, die aufgrund ihrer Anzahl im Wald nicht mehr genug Futter finden."

Ich jedenfalls möchte das nicht.

Verena Heidenreich

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