Nach dem Willen von Landrat Thomas Habermann, hat der Landkreis Rhön-Grabfeld schon bald eine Sorge weniger: die mit Verlusten arbeitende Kreisklinik. Sie soll von der ebenfalls in Bad Neustadt ansässigen Rhön-Klinikum AG übernommen und die gesetzlich vorgeschriebene medizinische Grundversorgung der Bürger sichern.
Tatsächlich wirft der Plan, eine auf Gemeinnützigkeit angelegte Institution wie die Kreisklinik an ein auf wirtschaftlichen Gewinn ausgerichtetes Unternehmen zu übertragen, eine ganze Reihe von Fragen auf. Die erste: Warum sollte ein solches Unternehmen an der Übernahme einer defizitären Einrichtung interessiert sein? „Indikatives Angebot“ heißt im Klartext, dass der Landrat den Rhönkliniken die Kreisklinik angeboten hat und diese nicht sofort ablehnten.
Tatsächlich gibt es einige Bereiche der Kreisklinik, die von Interesse für die Rhön Klinikum AG sind. Die Abteilung Innere Medizin etwa, die Unfallchirurgie sowie die Dialyse. Verluste erwirtschaften dagegen unter anderem die Bereiche Geburtshilfe, Palliativmedizin sowie HNO und das medizinische Versorgungszentrum MVZ, das auf eine enge Anbindung an ein Krankenhaus angewiesen ist.
Die Bereiche, die nicht dem gesetzlichen Auftrag der Grundversorgung unterliegen, und das sind die defizitären, dürften geschlossen werden. Geburten wären dann in Bad Neustadt – ausgenommen Hausgeburten – die Ausnahme, die Palliativversorgung und andere pflegeintensive Gebiete fielen weg. Erhalten bleiben soll dagegen, das MVZ am bestehenden Standort,
Die Frage ist, was treibt den Landrat um? Die Antwort: Die Gebäude der Kreisklinik sind, selbst der neue Teil, nun über 25 Jahre alt und bedürfen in großen Teilen einer Grundsanierung und Modernisierung. Die Kosten dafür dürften sich, so ist in vertraulichen Gesprächen zu hören, im hohen zweistelligen Millionenbereich bewegen. Dieser Kostenblock bleibt dem Landkreis allerdings erhalten. Denn selbst wenn sich ein neuer Nutzer finden sollte, stehen ein totaler Umbau und die Grundsanierung an.
Damit rückt ein anderes Thema in den Mittelpunkt. Solange sich die Kreisklinik im Besitz der öffentlichen Hand befindet, genießen deren Beschäftige mit ihrem Haustarif Bestandsschutz. Bei einem Verkauf müssen die Mitarbeiter, die übernommen werden, aber neue Arbeitsverträge unterschreiben und wohl erhebliche Einkommensverluste in Kauf nehmen. Die Mehrzahl der Fachkräfte in den Bereichen Pflege, des medizinischen Dienstes und der Verwaltung dürften allerdings ihre Arbeitsplätze verlieren.
Offen ist auch die Zukunft der Rhön-Klinikum AG und damit der übernommenen Kreisklinik. So kauft diese AG derzeit Aktien im Wert von rund 1,7 Milliarden Euro zurück. Aktionäre die nicht verkaufen, sind damit in der Situation, dass sich ihr Anteil an der AG verdoppelt.
Für die B. Braun Melsungen AG, derzeit mit fast 16 Prozent an den Rhönkliniken beteiligt, könnte sich dieses Paket auf plötzlich über 30 Prozent erhöhen. Damit wäre B. Braun Melsungen nach dem Aktienrecht verpflichtet, den übrigen Aktionären ein Übernahmeangebot zu machen. Und ob sich das Melsunger Familienunternehmen auf dieses finanzielle Abenteuer einlassen und sich als Betreiber einer Kette von Kliniken sehen will, darf bezweifelt werden. Verständlicherweise gibt es dazu aus Melsungen keinen Kommentar. Die Konsequenz wäre der Verkauf der Häuser der Rhön-AG an einen anderen Klinikbetreiber, für den der Standort Bad Neustadt sicherlich von weniger Interesse ist. Der Landkreis Rhön-Grabfeld könnte plötzlich vor der Situation stehen, den gesetzlichen Auftrag zur medizinischen Grundversorgung der Bevölkerung zurückzubekommen und eine komplette neue Kreisklinik bauen zu müssen.
Stefan Rath Bad Neustadt
Lasst die Kreisklinik wie sie ist. Überlegt euch doch mal ein anderes Konzept. Mag sein, dass es Bereiche gibt, die nicht mehr zeitgemäß sind. Aber es gibt doch andere Bereiche, die immer wichtiger werden. Was ist mit den alten Menschen? Wir werden immer älter und dadurch auch immer gebrechlicher. Was ist mit den vielen psychischen Erkrankungen? Wohin kann man denn da in Rhön-Grabfeld?
Ich werde den Verdacht nicht los, dass der ganze Verkauf mit sehr heißer Nadel gestrickt ist und eventuell sogar wie in diesem Leserbrief geschrieben nur eine Person die Kreisklinik loswerden möchte
Nach wie vor bin ich der Meinung, dass alternativ an einer Konzeption gerbeitet werden sollte, die die Eigenständigkeit der Klinik auch in Zukunft sichert. Erfolgreiche Beispiele gibt es in unserer Nachbarschaft zur Genüge.
Aber - man muss das natürlich auch wollen! Aber wenn das Geld ruft, ist die Ratio nicht mehr gefragt.
Herr Landrat, besinnen Sie sich, bevor es zu spät ist.