"Wer in das Leben anderer Menschen Sonnenschein bringt, bekommt auch davon ab." Dieser Spruch von James Brie charakterisiert die Arbeit, die vom Verein der Lebenshilfe Rhön-Grabfeld geleistet wird, sehr gut. Seit 50 Jahren bringt der Verein Sonnenstrahlen in das Leben von Menschen mit Behinderung und ihrer Angehörigen. Mit einer Chronik, die jetzt zu Beginn des Jubiläumsjahres vorgestellt wurde, lässt man diese spannende Zeit noch einmal eindrucksvoll Revue passieren. Zahlreiche Bilder und andere Zeitdokumente führen dem Leser die spannende Entwicklung vor Augen, die der Verein genommen hat.
Im Dezember 1970 hatte sich, so wird in der Chronik erzählt, eine kleine Gruppe von Geistlichen, Kommunalpolitikern und Sonderschulpädagogen zusammengefunden, die der Wunsch einte, geistig behinderten Menschen Hilfe und Betreuung zu geben. Am 10. Januar 1971 war es dann so weit. Der Verein Lebenshilfe für geistig Behinderte e. V. Kreisvereinigung Bad Neustadt - Mellrichstadt wurde es aus der Taufe gehoben.
Inklusion ist wichtiger geworden
"Ich denke, wir können stolz auf die 50 Jahre sein. Hier wurde sehr viel geleistet", findet die Vorsitzende Brunhilde Hergenhan. Sie muss es wissen, hat sie doch selbst eine Tochter mit Behinderung. Sieht man, dass heute beispielsweise die Integration von Behinderten in die Gesellschaft, die sogenannte Inklusion, bereits weit vorangeschritten ist, dann kann man ihr nur recht geben. Dennoch ist man hier natürlich noch nicht am Ende, aber der Weg für eine gute Zukunft ist geebnet.
Die Chronik, die maßgeblich von Brunhilde Hergenhan und Peter Schmitt, der viele Jahre lang Schriftführer bei der Lebenshilfe war, erarbeitet und layoutet wurde, schlägt einen spannenden Bogen und zeigt dabei, wie sich der Umgang mit geistig behinderten Menschen gewandelt hat. "Bis ins 20. Jahrhundert galten Menschen mit Behinderung als eine Art 'Aussätzige', denen man mit Argwohn und Unverständnis begegnete", heißt es im entsprechenden Kapitel im Buch. Besonders die Ermordung von Behinderten im Dritten Reich bildet einen traurigen Höhepunkt der Menschenverachtung.
Vieles hat sich geändert
Glücklicherweise sind diese dunklen Zeiten vorbei. Menschen mit Behinderung sind heute nicht mehr ausgeschlossen und prägen vielfältig das Bild der Gesellschaft. Geschäftsführer Jens Fuhl freut besonders, dass man im Landkreis Rhön-Grabfeld eine große Unterstützung seitens der Bevölkerung hat. "Und auch die Gemeinden und Bürgermeister haben stets ein offenes Ohr. Hier wird das Gespräch gesucht und man bekommt hilfreiche Tipps, wie man Dinge umsetzen kann", sagt er. Überhaupt spüre man im Landkreis von allen Seiten ein Wohlwollen der Lebenshilfe gegenüber. "Das gibt natürlich uns ein gutes Gefühl", so Fuhl.
Dass die einzelnen Einrichtungen der Lebenshilfe im Fokus der Arbeit stehen, lässt sich schon am Aufbau der Festschrift ablesen. Hier stellen sie sich mit eigenen Beiträgen vor und man kann bereits beim Durchblättern sehen, mit wie viel Kreativität und Eifer man das Ganze umgesetzt hat. Davon zeugen besonders die Fotocollagen, aber auch die Fotos, mit denen man sich als Leser im wahrsten Sinne des Wortes ein eigenes Bild machen kann. Die Bewohner in den einzelnen Häusern beschreiben außerdem mit eigenen Worten, wie ihnen die Gemeinsamkeit Freude macht und was ihnen wichtig ist. So entsteht ein schönes Bild von Gemeinschaft.
Mühe hat sich gelohnt
Auch wenn eine solche Festschrift sehr viel Mühe macht: Sie hat sich gelohnt. "Peter Schmitt war hier unermüdlich tätig. Er hat das ganze auf die Beine gestellt und grafisch in eine sehr schöne Form gebracht", findet der 2. Vorsitzende Andre Hahn. Und Mitarbeiterin Daniela Stiel habe einen großen Teil beigetragen. Von Anfang an habe man, ergänzt Hergenhan, die Idee gehabt, eine Festschrift zu machen. "Wobei ich finde, dass der Begriff 'Festschrift' dem Ganzen nicht gerecht wird. Das Buch hat eher den Charakter einer Chronik", so die Vorsitzende.
Dazu trägt der Zeitstrahl bei, mit dem der Leser auf wichtige Ereignisse hingewiesen wird. Faszinierend ist dabei die Menge der historischen Fotos sowie die zahlreichen Zeitungsartikel, die abgedruckt sind. Und auch an Kleinigkeiten hat man gedacht. So wird der Text noch einmal in sogenannter "Einfacher Sprache" geschrieben. Denn jeder soll verstehen, um was es in der Chronik geht.
Lebenshilfe ist ein Teil der Familie
Mittlerweile hat die Lebenshilfe im Landkreis 19 Einrichtungen, 260 Hauptamtliche arbeiten hier und 80 bis 90 Ehrenamtliche sind ebenso mit dabei. Rund 700 Personen betreue man im Landkreis, informiert Brunhilde Hergenhan. Es sei wichtig, dass die Lebenshilfe auch in Zukunft ihren familiären Charakter behält. "Schließlich gehört sie zur Familie dazu, und das ein Leben lang."
Anlässlich des Jubiläums sollen eigentlich noch weitere Festivitäten stattfinden. Natürlich könne dies nur geschehen, wenn sich das Pandemie-Geschehen abschwäche. "Aber wir hoffen hier das beste", sagt die Vorsitzende.
1500 Exemplare wurden von der Chronik und Festschrift gedruckt. Und auch eine Sondermarke wurde für das Jubiläum erstellt. Erworben werden kann beides in der Geschäftsstelle in Bad Neustadt. Weitere Infos gibt es unter Tel.: 09771 630994-10 bzw. im Internet unter www.lh-rg.de.
In den 50 Jahren wurde viel erreicht. "Dennoch bleibt viel zu tun, bis alle Menschen mit Behinderung als gleichwertige und gleichberechtigte Mitglieder unserer Gesellschaft geachtet werden", heißt es am Ende der Festschrift. Außerdem wird ein Wunsch formuliert: "Wir wünschen uns für die kommenden fünfzig Jahre eine friedliche Welt, die allen Menschen - ob behindert oder nicht behindert, schwarz oder weiß, arm oder reich - die gleichen Chancen in unserer Gesellschaft einräumt."