Ruhe, Entschleunigung, Natur - das ist Urlaub auf dem Bauernhof. Eine Rauszeit aus Stress und Alltag. Urlaub auf dem Bauernhof ist aber auch Action im Heu, Lagerfeuerromantik, Trekkerfahren, Ponyreiten, Schafefüttern.
"Das Interesse an nachhaltigem Natururlaub steigt", sagt Corinna Ullrich, Projektmanagerin der Ökomodellregion Rhön-Grabfeld. Entsprechend gut sei derzeit die Ausgangslage für Landwirte, die sich im Bereich Tourismus ein zweites Standbein aufbauen wollen.
Trotz der guten innerdeutschen Nachfrage nach dieser Urlaubsform gebe es in den Landkreisen Rhön-Grabfeld und Bad Kissingen "insgesamt noch zu wenig Übernachtungsmöglichkeiten in diesem Bereich", so Andreas Ofenhitzer, Berater im Fachzentrum Diversifizierung und Strukturentwicklung beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Bad Neustadt. Er informiert interessierte landwirtschaftliche Betriebe hinsichtlich einer möglichen Umnutzung bestehender Gebäude, bezüglich einer Konzeptentwicklung aber auch in punkto Finanzierung und Fördermöglichkeiten.
Vom Potenzial verrückter Ideen
Theoretisch. De facto, erklärt Ofenhitzer, habe er diesbezüglich nur selten Nachfragen. Dabei seien die Voraussetzungen gut: "Bei gutem Wohnangebot, professionellem Auftritt, Vermarktung sowie Abwicklung kann die Gästebeherbergung für die Landwirtschaftsbetriebe einen dauerhaften Gewinnbeitrag leisten." Wachstum in Fläche und Vieh sei nun einmal begrenzt, das sei auch dem Staat bewusst, weshalb das Thema Diversifizierung und eben konkret die Möglichkeit "Urlaub auf dem Bauernhof" finanziell gefördert werde. Konkret spricht Ofenhitzer von Zuschüssen in Höhe von 25 Prozent der Nettoinvestitionskosten.
Der große Vorteil: Jeder Betrieb könne je nach vorhandenen Ressourcen den Umfang der Maßnahme und auch den Aufwand selbst bestimmen. Von der einfachen Zeltwiese oder einem Wohnmobilstellplatz bis hin zu einer Großinvestition sei alles denkbar. Seit Ofenhitzer auf Exkursion im Allgäu verschiedenste Projekte in Augenschein nehmen durfte - darunter ein Gebäude in Form eines Hühnereis, in dem Übernachtungen zum Preis von 300 Euro pro Nacht möglich sind und das fast ganzjährig ausgebucht ist - ist er überzeugt: "Verrückte und schräge Ideen haben Potenzial."
Doch wie ist die Lage derzeit in der Rhön? "Die Nachfrage nach dem Thema Urlaub auf dem Bauernhof ist auch hier groß", bestätigt Kathrin Kupka-Hahn, Pressesprecherin der Rhön GmbH. Auffallend sei, dass aber nicht mehr der reine Bauernhof-Urlaub gefragt sei. "Da braucht es heute oft noch spezielle Zusatzangebote, eben einen Mehrwert."
Der Urlauber wolle entweder selbst aktiv werden oder etwas dazulernen: Brot backen, Tiere füttern, Erlebnisführungen besuchen. "Da sind die Rhöner aber schon ziemlich pfiffig, was das angeht." Viele Höfe hätten sich inzwischen spezialisiert. Sie nennt als Beispiel die Weyersmühle Fladungen, die Wellness-Angebote macht und zugleich Rad-Apartment ist.
Angebot und Nachfrage: Urlaub auf dem Bauernhof
Wie es auf der Angebotsseite vollumfänglich ausschaut, kann sie allerdings nicht beantworten. "Nicht alle Anbieter arbeiten mit uns zusammen." In einer noch von der Vorgänger-Organisation Tourismus GmbH Bayerische Rhön erstellten Broschüre werden 17 Ferienhöfe, 14 in Rhön-Grabfeld, drei im Landkreis Bad Kissingen aufgeführt. Kupka-Hahn geht davon aus, dass es in Wahrheit "deutlich mehr" als die genannten in den beiden Landkreisen gibt.
Anfang des Jahres hatte die Ökomodellregion gemeinsam mit der Rhön GmbH zu einer Infoveranstaltung zum Thema "Urlaub auf dem Bauernhof" eingeladen. Gastgeber war die Familie Mültner in Nordheim/Rhön. Daniela und Tobias Mültner betreiben seit Jahren neben ihrer Biolandwirtschaft einen Betriebszweig mit fünf Ferienwohnungen. "Mit sehr großem Erfolg", wie Ullrich betont.
Gastgeber sind Abenteurer
Was daran liege, dass die Mültners ihren Gästen viel bieten: auf Gäste-Kinder warten neben vielen Outdoor-Spielgeräten eine Indoor-Spielscheune und ein kleiner Streichelzoo. Ein Mal die Woche gibt es Gästekaffee mit selbst gebackenem Kuchen, ein Einkaufsschränkchen in der Bauernstube versorgt die Besucher mit regionalen Produkten.
"Als Bio-Landwirt muss man Abenteurer sein", sagt Daniela Mültner. Als Gastgeber wohl auch. Der seit 2012 zertifizierten Erlebnisbäuerin ist es wichtig, ihren Besuchern zu vermitteln, was es heißt, mit "der Natur zu leben und zu arbeiten". Dabei lerne sie die unterschiedlichsten Menschen kennen. Der Nachteil: "Eine Sieben-Tage-Woche und dass man eigentlich rund um die Uhr erreichbar sein muss". Der Vorteil: Man könne sich die Arbeit selbst einteilen und habe einfach einen superschönen Job.
Dem Kreislauf der Spezialisierung entgehen
Alte Hasen im Bereich Tourismus sind auch die Familie Peter Schmidt in Ostheim/Rhön. Vor über 30 Jahren schufen sie die erste von mittlerweile fünf Ferienwohnungen. Auch Camping ist auf ihrem Hof in begrenztem Umfang möglich. Den Tourimus, berichtet Peter Schmidt, habe die Familie im Zuge des Strukturwandels für sich entdeckt. Viele früher breit aufgestellte Höfe, mussten sich irgendwann, wollten sie nach wie vor wirtschaftlich arbeiten, spezialisieren und expandieren.
Das blieb auch bei den Schmidts nicht aus: Die Tierhaltung wurde zum Hobby, der Betrieb konzentrierte sich auf den Ackerbau. Die frei gewordenen Ställe wurden nach und nach zu Ferienwohnungen umgebaut. Durch die Diversifizierung habe man dem Kreislauf des "Immer Größer" und der Spezialisierung zumindest ein Stückweit entkommen können, so Schmidt.
Warum das Angebot überschaubar ist
Dass es tendenziell in der Rhön eher wenig Angebote im Bereich "Urlaub auf dem Bauernhof" gibt, wundert Schmidt nicht. Prinzipiell gebe es weniger landwirtschaftliche Betriebe, die vorhandenen entsprächen oft nicht mehr den Erwartungen der Gäste, hielten sie doch nicht selten aufgrund der Spezialisierung keine oder nur noch wenig Tiere. Hinzu komme: Viele Überzeugungstäter von einst, die in sich des Themas Tourismus in den 70ern oder 90ern mit Herzblut angenommen hätten, gingen derzeit in Ruhestand. Nicht alle fänden einen Nachfolger. Im öffentlichen Dienst oder in der Industrie verdiene sich das Geld leichter. Auch sei es schwer, zuverlässige Hilfen und Unterstützung zu finden. Ein weiterer Punkt: Jeder müsse die richtige Balance beim Thema Privatsphäre finden.
Landwirts-Kollegen würde Schmidt nie explizit zum Tourismus als weiterem Standbein raten, auch wenn diese Entscheidung für seine Familie genau richtig war: "Das muss jeder für sich wissen, das muss einem liegen, da muss der Landwirt auch eine gewisse Grundfreude am Kontakt mit Gästen mitbringen."
Schmidt nimmt sich, wann immer möglich, Zeit - insbesondere für die Gast-Kinder auf seinem Hof. Sie dürfen ihn bei den täglichen Fütter-Runden begleiten, auch mal Ponyreiten oder auf dem Traktor mitfahren. Vor allem aber sollen sie etwas über die Landwirtschaft, die Kreisläufe, die Entstehung von Lebensmitteln erfahren. "Weil einfach immer mehr Menschen beim Thema Landwirtschaft mitreden, aber immer weniger wirklich etwas wissen."