Die Vögel zwitschern laut an diesem kühlen Morgen, gerade zwei Grad zeigt das Thermometer, als fünf Frauen am Parkplatz des Neustädter Hauses ihre Fahrräder bereit machen, einen Müsliriegel knabbern und einen Schluck aus der Trinkflasche nehmen.
Betty, Sandra, Christine, Jutta und Alexandra haben sich hier am Kreuzberg mit Andi Rohe verabredet. Sie werden an diesem Morgen einen Mountainbike-Fahrtechnikkurs am Flowtrail Kreuzberg, dem längsten seiner Art in Bayern, absolvieren.
Der Unterwaldbehrunger Rohe bietet Mountainbike-Touren und Fahrtechnikkurse in verschiedene Ecken der Rhön an. Die fünf Damen haben sich für den Spezialkurs „Ladies only“ angemeldet. Rohe sagt, „jeder hat andere Anforderungen an einen MTB-Kurs“ und Frauen fragen oft nach einem Training für Schotter- oder Wurzelstrecken, um ihre Fahrsicherheit zu erhöhen.
Doch bevor das Training mit Andi und seinem Co-Guide Dominik beginnt, werden erst die Bikes geprüft. Fahrsicherheit wird zudem durch die richtige Körperhaltung erreicht. Wichtig dabei: offene, leicht gebeugte Armhaltung – „Gorilla“ genannt, so der Guide.
Der Berg ruft!
„Schnell fahren kann jeder, das langsame Fahren ist die Kunst“, erläutert Andi gerade, als ein Auto flott in den Parkplatz einbiegt. Marco und Freddy aus Haßfurt sind zwei leidenschaftliche Biker, die zwei- bis dreimal im Monat zum Kreuzberg kommen. „Der Tag ist viel zu schade, um noch länger im Bett zu liegen, da fahren wir lieber hierher zum Biken“, grinst Freddy und setzt seinen Helm auf. Unschwer zu erkennen: der Flowtrail am Kreuzberg kommt gut an.
Die beiden sind kaum hinter der Wegebiegung verschwunden, kommt eine Gruppe Wanderer aus dem Wald, schnurstracks queren sie, etwas rücksichtslos, die Übungsfläche der Bikerinnen und schwenken grölend Richtung Neustädter Haus ein, einige mit Bierflaschen in den Händen.
Für diese Truppe haben die Radler nur ein müdes Lächeln übrig, jetzt sind die Bremsübungen an der Reihe. „Wir bremsen nicht nur für Hessen, sondern auch für besoffene Männer“, bringt es Andi grinsend auf den Punkt. Für ihn ist es wichtig, dass auch beim Bremsen das Rad immer unter Kontrolle ist. Das Aufreißen der Piste muss vermieden werden, „das hat ein guter Mountainbiker nicht nötig“.
Wird falsch gebremst, reißt man mit dem Hinterrad die Oberfläche des Naturtrails auf, Regenwasser kann eindringen und führt zu Erosion. Der Profi weiß, wovon er spricht, denn er ist einer jener MTB-Fahrer, die sich ehrenamtlich um den Erhalt und die Pflege des Flowtrail kümmern, in diesem Jahr haben ihn vor allem Sturmschäden in Atem gehalten, zudem steckt er einen Teil der Kursgebühren in die Pflege der Strecke.
Die fünf Teilnehmerinnen des Techniktrainings haben unterschiedliche Ansprüche an den Kurs. Betty aus Rothhausen fährt bisher nur auf befestigten Wegen und möchte sicherer im schweren Gelände werden. Alexandra aus Poppenhausen/Rhön fährt meistens Rennrad und will an ihrer Fahrtechnik arbeiten, Sandras Freund ist begeisterter Mountainbiker und sie möchte auf gemeinsamen Touren mithalten können.
Für Fußgänger tabu
Nach dem etwa einstündigen Techniktraining auf dem Parkplatz geht es ein Stück bergab bis zum Einstieg des Flowtrails. Mittlerweile haben die meisten ihre Handschuhe und dicken Jacken abgelegt, die Sonne kommt durch die Wolken. Andi trägt immer noch seine dicken Wanderstrümpfe. Er lacht, „wenn es mir zu warm wird, schiebe ich sie nach unten, beim Bergabfahren auf schmalen Pfaden schützen sie mich vor Brennnesseln und Gestrüpp“.
Die Gruppe begegnet immer wieder anderen Bikern auf der anderen Seite des Fahrweges. Vom Neustädter Haus marschieren Wandergruppen gen Kreuzberg, durch die Baumwipfel sieht man einen Schwarm von Gleitschirmfliegern – reinste Volksfeststimmung am Kreuzberg, und das morgens um halb elf.
Bei so viel Verkehr ist es kaum verwunderlich, dass es auch an der Tourenstrecke eine Ampel gibt. Steht die auf Gelb, wissen die Biker, dass sie vorsichtig in den Trail fahren müssen. Freddy und Marco warten an der Ampel, bis die Gruppe einen Streckenabschnitt gemeistert hat. Für Fußgänger ist der Flowtrail tabu.
Auf die Problematik mit querenden Wanderern angesprochen, nicken die beiden. „Ja, man muss einfach gegenseitig ein wenig Rücksicht nehmen. Wenn ich Fußgänger sehe, bremse ich kurz an, deshalb habe ich nicht weniger Spaß am Biken“, erklärt Freddy.
Beim Blick auf das Gelände seitlich des Trails fallen die blühenden Triebe des Seidelbasts ins Auge – für Co-Guide Dominik nichts Besonderes. „Wir Biker konzentrieren uns auf den Trail und nicht auf die Pflanzen der Umgebung, wir achten auf Sauberkeit und sammeln auch den Müll ein.“ Ein respektvoller Umgang mit der Natur und ein freundliches Miteinander ist den Guides wichtig.
Schon während ihres Kurses bemerken die Radfahrerinnen, dass sie im Umgang mit ihrem Sportgerät Fortschritte machen. „Ich habe bereits jetzt viel für das Bergabfahren gelernt“, freut sich Alexandra. Andi Rohe ist sehr zufrieden mit seinen Schülerinnen, „eine geschmeidige Truppe“ so sein Lob.
Und wie empfinden die Teilnehmerinnen den Kurs? Auf die Frage hin stellen sie sich unaufgefordert nebeneinander auf und heben – mit einem breiten Grinsen im Gesicht – den Daumen, gibt es ein besseres Lob?