Wer ist Dora Pejacevic? Nur wenigen Besuchern, die am späten Sonntagnachmittag zum Konzert ins "Kloster Wechterswinkel" gekommen waren, dürfte die kroatische Komponistin ein Begriff gewesen sein. Doch dank einer brillanten Darbietung der Pianistin Kyra Steckeweh, die schon mehrfach im Kreiskulturzentrum aufgetreten war, konnte sich das Publikum rasch davon überzeugen, welch großartige Werke dieses musikalische Genie, das in seiner Heimat Kroatien angeblich mindestens so bekannt ist wie Mozart, während seines nur kurzen Lebens (1885 bis 1923) geschaffen hat.
Neben diesem besonderen Einblick in das musikalische Oeuvre von Dora Pejacevic brachte ein längerer Ausschnitt aus dem derzeit in Arbeit befindlichen Dokumentarfilm weiteres Licht in das Leben dieser Künstlerin. Eine Diskussion am Ende mit Kyra Steckeweh und dem Filmemacher Tim van Beveren über das Projekt und insbesondere die aktuelle Situation der Kulturschaffenden rundete das Gastspiel der beiden gelungen ab.
Kaum Frauen in der klassischen Musik
So gingen die Konzertbesucher schließlich mit dem zufriedenen Gefühl nach Hause, an diesem Tag nicht nur Ausschnitte aus dem künstlerischen Schaffen der Komponistin genossen, sondern auch wertvolle Einblicke in Ihr Leben und die damalige Gesellschaft sowie den geschichtlichen Hintergrund gewonnen zu haben. Ein Konzertformat, das durchaus in der Zukunft häufiger wiederkehren könnte.
"Frauen finden in der klassischen Musik einfach nicht statt. Das ist eigentlich ein Unding". Tim van Beveren brachte es in der gemeinsamen Aussprache auf den Punkt: Die Musik von Komponistinnen sei bislang nicht gefragt gewesen. So erging es auch den Werken von Dora Pejacevic, die zu ihren Lebezeiten in Dresden, Budapest, Wien und vielen anderen europäischen Städten gespielt wurde. Nach ihrem Tod geriet ihr Name aber schnell in Vergessenheit. Schließlich verschwand er aus den Konzertprogrammen.
Steckeweh fördert die Wiederentdeckung von Musikerinnen
"Ich war von ihrer Musik sofort begeistert. Ihr bewegtes Leben und vor allem ihre vielen Klavierstücke haben mein Interesse geweckt", gestand Kyra Steckeweh gerne ein. Sie selbst hat während ihres Studiums Komponistinnen nie wahrgenommen, sagt. Erst als sie über das musikalische Schaffen von Fanny Mendelssohn, der Schwester von Felix Mendelssohn-Bartholdy, "gestolpert" war, wurde sie sich dieser Situation richtig bewusst. Seit einigen Jahren fördert sie nun zusammen mit Tim van Beveren die Wiederentdeckung dieser Frauen.
Die Spurensuche an diesem Tag führte zu einer Frau, die einer bedeutenden slawonischen Adelsfamilie entstammte und dank ihrer privilegierten Herkunft und der finanziellen Möglichkeiten ihr künstlerisches Talent früh entfalten konnte. Mit 14 Jahren komponierte sie bereits, studierte bei Privatlehrern in Dresden und München und nutzte die ihr gewährten Freiheiten für ihre Inspirationen.
Kraftvoll, energisch, mit Herzblut
Eine Blutvergiftung setzte ihrem jungen Leben früh ein Ende. Obwohl sie erst 37 Jahre alt war, besteht ihr musikalisches Lebenswerk aus zahlreichen Klavier-, Orchester- und Vokalwerken. Kyra Steckeweh gelang es, Auszüge aus ihrem Schaffen auf wunderbar einfühlsame Art und Weise auf dem "Steinway-Flügel" des Kreiskulturzentrums darzubieten. Ob es Pejacevics spätromantische Klaviersprache beim "Impromptu op.32b" aus dem Jahr 1912 war oder die beiden "Klavierskizzen op.44" von 1918 ("An Dich" und "Vor deinem Bild") - kraftvoll, energisch und mit viel Herzblut – Kyra Steckeweh begeisterte das Publikum, auch wenn die Unterschiede zwischen den beiden Werke deutlich zum Ausdruck kamen.
Kyra Steckeweh scheint in die Person der Komponistin hineinzuschlüpfen, ihre Mimik ist angespannt, die Stirn liegt in Falten, der ganze Körper ist – obwohl fest auf dem Sitz am Flügel "verankert" -ständig in Bewegung. Sie lebt die Stücke der Dora Pejacevic förmlich mit. Am Ende des viel umjubelten Konzertes kann man Kyra Steckeweh beipflichten: "Es gibt supertolle Musik von Frauen ".
Und Dora Pejacevic ist weit mehr als nur ein Geheimtipp. Um solche Musik noch verstärkt hörbar zu machen, bedarf es eines Umdenkens. Ändern muss sich auch etwas bei der Kulturförderung, so die Meinung nicht nur von Tim van Beveren. Nach seiner Ansicht liegt hier einiges im Argen.