Die künftigen Genüsse lassen sich schon an den Gerüchen erahnen. Der Duft von scharf angebratenem Fleisch mischt sich mit einem Hauch von Knoblauch. Zwiebeln, Kümmel und gedünstetes Kraut tragen ebenso zu der verlockenden Geruchsmischung bei wie ein Schuss Rotwein, der eben in aufgegossen wird.
Es wird richtig gearbeitet in der Küche der Bischofsheimer Hauswirtschaftsschule. Einmal in der Woche ist Praxistag. Diesmal jedenfalls herrschen Konzentration und gute Stimmung. Drei Torten sind schon fertig, mehrere Studierende üben im hinteren Bereich des großen Raums das Belegen von Wurstplatten. Kulinarisch interessanter geht er allerdings in den vorderen Kochzeilen zu.
Hier wird Fleisch vorbereitet. Der Laie erkennt nicht gleich, was hier eingerieben oder mit Speck belegt wird. Wildschwein und Reh, erläutert Fachlehrerin Helga Elzenbeck. Heute stehen Wildgerichte auf dem Stundenplan.
Zunächst gab's Theorie. Fleischarten, verschiedene Beizen, Regeln und Kniffe bei der Zubereitung wurden ebenso vorgestellt wie Wacholderbeeren, Lorbeerblätter oder Rosmarin als Wildgewürz. Helga Elzenbeck rät, das Fleisch nicht in einem Gefäß einzulegen. Bis es bedeckt ist, benötigt es recht viel Beize, die diesmal aus Weinbrand und Öl, also nicht ganz billigen Zutaten, besteht. In einem Gefrierbeutel ist wesentlich weniger Flüssigkeit erforderlich – bei gleichem Ergebnis.
Sauberkeit, Sorgfalt und eine genaue Abstimmung – darauf legt Helga Elzenbeck im praktischen Teil großen Wert. Entsprechend müssen die Studierenden einen Plan entwickeln, wie sie vorgehen: müssen zuerst die Kartoffeln gekocht, das Gratin in die Röhre oder das Fleisch gebraten werden? Schließlich sollen ja alle Zutaten gleichzeitig fertig sein.
Wer was zu kochen hat, steht auf einer Tafel an der Stirnseite des Raumes: Rehrücken mit Pilzsoße, Spinatspätzle und Kümmelkraut, lautet zum Beispiel die Aufgabe für Carina Dinkel. Ludmila Heurings Herausforderung ist ein Rhöner Wildraout mit Dörrobst, Steckrüben-Möhren-Gratin und Kartoffeltaler. Als Nachtisch gibt es eine Weincreme oder Schokopudding im Hemd. Schließlich soll jede der Frauen ja ein komplettes Menü herstellen.
Hier werden aber keine Köche ausgebildet, Ziel der Schule ist es, die Absolventen in Lage zu versetzten, einen Haushalt selbstbewusst, effektiv führen zu können. Und dazu zählt entscheidend auch das Essen, erläutert Schulleiterin Doris Hartan-Khan. Wenn das so viel Spaß macht, wie in der Schulküche – umso besser.
In der Küche herrscht nun ein emsiges Treiben. Es wird geschält, geschnitten und gerührt – und immer wieder auch gelacht. In den ersten Töpfen kocht es, Bratröhren heizen hoch, die Fenster sind bald schon beschlagen. Dass die Küchenzeilen von Unterrichtseinheit zu Unterrichtseinheit gewechselt werden und sie ebenso wie Herde und Töpfe unterschiedlich sind, macht das Arbeiten für die Studierenden nicht einfacher, fördert aber die Flexibilität.
„Soll ich dir die Wacholderbeeren quetschen“, die Frauen unterstützen sich gegenseitig und dann gibt es ja noch die Lehrerin. Die ist von einer Kochstelle zur anderen unterwegs: „Ist denn dein Gratin schon in der Röhre?“, stoppt sie einen voreiligen Versuch, Fleisch anzubraten. „Finger weg!“, wird der ansonsten eher fürsorgliche Ton auch einmal scharf, als da doch jemand wirklich mal so eben auf den Einsatz eines Löffels verzichten will. Ansonsten legt die Fachfrau auch mal Hand an, wenn es einem ihrer Schützlinge nicht so recht von der selbigen gehen will. Sie zeigt, wie man das Dörrobst für das Wildragout klein macht und kontrolliert, ob genügend Kümmel im gleichnamigen Kraut ist.
Das Gratin ist im Herd, das Fleisch schmort und Teig für die Kartoffeltaler in Scheiben geschnitten. Da sieht man sich schon mal bei den Kolleginnen um. „Bei dir riecht es aber lecker“ wird gelobt. „Probier mal meine Soße, ich hab noch nie Wild gemacht“, wird auch schon mal um Rat gebeten. Viel Zeit zum Meinungsaustausch bleibt aber nicht. Der Nachtisch muss vorbereitet werden und kurze Kochpausen lassen sich zum Beispiel auch gut nutzen, um mit dem Spülen von Schüsseln oder Pfannen zu beginnen.
„Noch fünf Minuten“, mahnt Helga Elzenbeck. Jetzt wird es doch etwas hektisch. Soßen werden abgeschmeckt, die fertig durchgestrichenen Spinatspätzle mit etwas Butter zum Warm halten in die Bratröhre gestellt. Rehrücken und Wildschweinbraten werden tranchiert.
„Das Kraut in die eckige, die Soße in die runde Schüssel“. Dass ein gutes Gericht auch schön angerichtet und kredenzt werden sollte, haben Studierenden offensichtlich schon verinnerlicht. Liebevoll und mit Akribie werden Schüsseln und Platten hergerichtet. Hie und da etwas Grün oder Birnenhälften mit Johannisbeergelee gefüllt. Das Auge ist ja mit.
Und siehe da: Pünktlich auf die Minute steht das Essen auf der festlich gedeckten Tafel im wunderschönen Speisesaal der alten Schul-Villa. Da ist die Stimmung natürlich blendend – wenn auch etwas angespannt. Wird es denn schmecken ?
Zum Essen ist auch Schulleiterin Hartan-Khan gekommen – sie scheint sich an der Freude ihrer Schützlinge zu freuen. Und nach einem kurzen Gebet beginnt das Essen, der mit Spannung erwartete Praxistest. Alle lassen es sich schmecken. Möglichst alles wird probiert. Aber es wird nicht nur genossen, es wird diskutiert und bewertet.
Es gibt viel Lob, aber auch (Selbst-) Kritik. Ist die Soße pfefferscharf? Das Gulasch ist etwas zäh, sind sich alle einig. Aber warum? Ist es die Qualität des Fleisches oder wurde es zu kurz oder nicht heiß genug angebraten? Spätzle, Kartoffeltaler oder Gratin kommen allgemein gut an. Beim Fleisch sind alle etwas kritisch. Viele kämen wohl auch ohne aus.
Letztlich aber sind sich alle einig, dass sich dieser Unterrichtstag gelohnt hat. Da meldet sich Helga Elzenbeck mit dem Hinweis, dass der Tag noch nicht beendet ist. Nach dem Nachtisch heißt es nämlich noch „Küche aufräumen“.