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Kreuzberg
Kreuzberg: Die verschwundenen Dörfer der Rhön
Heimatbuch "Die Hödde" von Matthias Elm auf dem Kreuzberg vorgestellt. Heute erinnert nichts mehr an das Leben und Arbeiten der Menschen im Tal der Kleinen Sinn.
Ortsansicht von Altglashütten mit dem Steinküppel im Hintergrund. Die Postkarte stammt aus der Sammlung von  Elli Roll, Einraffshof bei Schondra.
Foto: Marion Eckert | Ortsansicht von Altglashütten mit dem Steinküppel im Hintergrund. Die Postkarte stammt aus der Sammlung von Elli Roll, Einraffshof bei Schondra.
Marion Eckert
 |  aktualisiert: 28.10.2019 02:10 Uhr

Von Waldglashütten und Wiesenwärtern handelt das neue Buch von Heimatforscher Matthias Elm (Speicherz), das den Titel "Die Hödde" trägt. Im Bruder-Franz-Haus stellte er sein neues Buch vor, in dem er die Geschichte  Alt- und Neuglashütten, dem benachbarten Dörrenberg und dem Wiesenhaus auf dem Dammersfeld erzählt. All diese Orte wurden 1938 mit der Errichtung des Truppenübungsplatzes abgesiedelt. Heute erinnert nichts mehr an das Leben und Arbeiten der Menschen in dem Tal der Kleinen Sinn, nur der Friedhof Altglashütten blieb übrig und einige Erinnerungen.

Der Begriff "Hödde" sei eine alte gebräuchliche Bezeichnung der Glashütten, begann Elm seine Ausführungen. Die Menschen, die in Alt- und Neuglashütten lebten, seien als "Höddefüchs" bezeichnet worden, womit eine gewisse Schlitzohrigkeit der alten Glasmacherfamilien zum Ausdruck gebracht werden sollte. "Die Glasmacher waren keine ansässigen Rhöner Familien, sie kamen von auswärts und brachten die Geheimnisse der Glasherstellung mit und gaben sie nur untereinander weiter."

Gebiet war von strategischer Bedeutung

Aus Thüringen und dem Spessart seien die Glasmacherfamilien gekommen. In einer Beschreibung des Oberamts Motten aus dem Jahr 1790 wird der Charakter der Bewohner von Altglashütten mit "unbesonnener Kühnheit" und einer gewissen "Aufsässigkeit gegenüber der Obrigkeit" bezeichnet. Die Neuglashüttener seien dagegen "geschäftig, fleißig, friedliebend und biegsam" gewesen.

Das Tal der Kleinen Sinn lag im Grenzgebiet der Fürstabtei Fulda und des Fürstbistums Würzburg und war damit auch von strategischer Bedeutung. Die Grenze sei um das Jahr 1000 bereits festgelegt worden und behielt ihre Gültigkeit bis 1802. Wichtigster Faktor für die Auswahl des Hüttenstandorts sei die Verfügbarkeit von großen Mengen an Brennholz gewesen. Dieser Umstand traf im Tal der Kleinen Sinn sowohl für das fuldische als auch für das würzburgische Territorium zu. Der obere Teil des Sinntals gehörte zum Amt Bischofsheim des Fürstbistums Würzburg, der untere Teil zum Amt Kothen (später Motten) der Fürstabtei Fulda. Der Abtransport des Holzes sei aus dem Tal heraus sehr schwierig gewesen, so dass die Anlage einer Glashütte eine logische Konsequenz gewesen sei.

Geschichtliche Entwicklung der Glashütten

Ausführlich erläutert Elm in seinem Buch die geschichtliche Entwicklung der Glashütten im Tal der Kleinen Sinn. In seinen Recherchen konnte er auch die Namen der jeweiligen Glasmacher ausfindig machen und so entstand ein chronologischer Überblick über die Glasproduktion in dem Gebiet. Die erste Glashütte entstand auf würzburgischem Gebiet im Jahr 1570 an der Stelle, wo sich später der Ort Reußendorf befand.

Buchvorstellung "Die Hödde". Matthias Elm aus Speicherz (zweiter von rechts) schrieb die Chronik von Alt- und Neuglashütten mit Dörrenberg und Dammersfeld. Ihm zu Seite stand  Karl Hahn aus Bad Brückenau (zweiter von  links), der für das Layout zuständig war.  Thomas Helfrich (links) aus Wildflecken, er wurde in Reußendorf geboren, schrieb ein Kapitel zur Auswanderung nach Amerika und Oskar Wallrab aus Schweinfurt (rechts) steuerte eine Menge Bilder aus einem Familienarchiv bei. Sein Urgroßvater war Wald- und Wiesenaufseher auf dem Dammersfeld.
Foto: Marion Eckert | Buchvorstellung "Die Hödde". Matthias Elm aus Speicherz (zweiter von rechts) schrieb die Chronik von Alt- und Neuglashütten mit Dörrenberg und Dammersfeld.

Die erste fuldische Glashütte lag etwa einen Kilometer von der späteren Ortsstelle von Altglashütten entfernt, das war zwischen 1587 und 1589. 1604 wurden aus Altglashütten 2250 Glasscheiben und eine nicht bekannte Zahl an Trinkgläsern an die fürstliche Hofhaltung nach Fulda geliefert. Es kam zu diversen Verlegungen der Glashütte, die im Grunde nicht mehr als ein Brennofen im Wald war. Erst in späteren Jahren entstand die Siedlung, die zunächst aus sechs Wohnhäusern rund um die Glashütte bestand. Die Siedlung wuchs weiter an, vor dem Ende der Glashütte zwischen 1717 und 1724 hatte sich das Dorf entwickelt.

Sand und Asche für die Glasherstellung

Nur wenige Glasmacher aus Altglashütten gingen an die im Jahr 1724 nur wenige Kilometer entfernte gegründete fuldische Glashütte, dem späteren Neuglashütten. Über die Gründe könne nur spekuliert werden, erklärte Elm. "Sollte die Glashütte in Altglashütten schon 1717 stillgelegt worden sein, waren die Glasmacher möglicherweise schon abgewandert." Die neue Glashütte ging 1767 in Konkurs.

Matthias Elm hat zur Buchvorstellung eine Übersichtskarte zu den abgesiedelten Dörfern erstellt.
Foto: Marion Eckert | Matthias Elm hat zur Buchvorstellung eine Übersichtskarte zu den abgesiedelten Dörfern erstellt.

Die wichtigsten Bestandteile zur Glasherstellung sind Sand und Asche. Verwendet wurden Sande, die in der unmittelbaren Umgebung der Hütte zu finden waren. Das Holz wurde nicht nur als Brennmaterial, sondern auch als Grundstoff für die Ascheproduktion benötigt. Asche diente als Flussmittel und setzte die Schmelztemperatur des Sandes herab. Die Folgen des Holzhungers der Glas- und Eisenhütten seien noch heute in der Rhön sichtbar und brachten ihr den Namen "Land der offenen Fernen" ein.

Dörfer blieben bestehen und vergrößerten sich

Auch wenn die Glashütten in Konkurs gingen, die Orte blieben bestehen und vergrößerten sich sogar. Es blieben jedoch arme Rhöndörfer, die von karger Landwirtschaft und Handwerk lebten. Das Buch von Matthias Elm umfasst all diese Handwerksberufe und nennt die jeweiligen Handwerker und Dienste. Ausführlich behandelt es das kirchliche Leben, Schulwesen, die Gastwirtschaften mit dem Schankrecht, die Wasserversorgung und Vereine, die Stromversorgung und Jagd. Einen Großteil nimmt das Häuser- und Familienbuch ein, das jedes Haus, den Erbauer und die darin lebenden Familien mit Stammbäumen bis zur Absiedlung wieder gibt. Ein eigenes Kapitel ist dem Wiesenhaus auf dem Dammersfeld gewidmet, das Ausflugsziele und Schweizerei war.

Ansichtskarte von Neuglashütten mit Bildstock im Vordergrund und kleinem Auersberg im Hintergrund (Sammlung Wolfgang Raab, Heimbach)
Foto: Marion Eckert | Ansichtskarte von Neuglashütten mit Bildstock im Vordergrund und kleinem Auersberg im Hintergrund (Sammlung Wolfgang Raab, Heimbach)

Die Armut zwang die Bewohner schon früh, auszuwandern. So gab es Auswanderung zwischen 1686 und 1829 nach Ungarn. Zwischen 1830 und 1860 war Amerika das Land der Träume. Thomas Helfrich aus Wildflecken schrieb hierzu ein eigenes Kapitel. Zur Buchvorstellung gekommen war auch  Karl Hahn aus Bad Brückenau, von ihm wurde das Layout zum Buch erstellt.

Das Haus Nummer 29 war die Schule von Altglashütten. Das Bild stammt aus der Diasammlung zu den abgesiedelten Ortschaften im Stadtarchiv Bad Brückenau.
Foto: Marion Eckert | Das Haus Nummer 29 war die Schule von Altglashütten. Das Bild stammt aus der Diasammlung zu den abgesiedelten Ortschaften im Stadtarchiv Bad Brückenau.
Ansichtskarte von Altglashütten mit der Dammersfeldkuppe im Hintergrund. Die Postkarte stammt aus der Sammlung von  Elli Roll, Einraffshof bei Schondra.
Foto: Marion Eckert | Ansichtskarte von Altglashütten mit der Dammersfeldkuppe im Hintergrund. Die Postkarte stammt aus der Sammlung von Elli Roll, Einraffshof bei Schondra.
Die Kirche Altglashütten im Jahr 1938. Das Bild stammt aus der Diasammlung zu den abgesiedelten Ortschaften (Stadtarchiv Bad Brückenau).
Foto: Marion Eckert | Die Kirche Altglashütten im Jahr 1938. Das Bild stammt aus der Diasammlung zu den abgesiedelten Ortschaften (Stadtarchiv Bad Brückenau).
Ein typischer Rhönbauernhof in Altglashütten.  Das Bild stammt aus der Diasammlung zu den abgesiedelten Ortschaften im Stadtarchiv Bad Brückenau.
Foto: Marion Eckert | Ein typischer Rhönbauernhof in Altglashütten. Das Bild stammt aus der Diasammlung zu den abgesiedelten Ortschaften im Stadtarchiv Bad Brückenau.
 
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