
Was in den 1970er Jahren in Bayern ein heiß diskutiertes Thema war, dürfte im benachbarten Thüringen in den nächsten beiden Jahren noch für so manche Debatte und auch heftigen Streit sorgen: Dort sollen in den nächsten zwei Jahren neue Landkreise gebildet werden.
Die Bildung des Großlandkreises Rhön-Grabfeld im Jahr 1972 ist vielen noch in Erinnerung, bedeutete sie für Bürger in den Landkreisen Mellrichstadt und Königshofen einen erheblichen Verlust an Eigenständigkeit und Selbstbestimmung. Viele Behörden wie Landrats-, Gesundheits- oder die Arbeitsämter gingen verloren, zudem mussten die Bewohner der Altlandkreise quasi von einem Tag auf den anderen eine weiten Weg auf sich nehmen, wenn sie einmal etwas im Landratsamt zu erledigen hatten.
Das alles kommt nun auf die Thüringer zu. Schon seit geraumer Zeit wird dort über eine Landkreisreform nachgedacht und zwar nicht erst seit der Bildung eines Linksbündnisses unter Bodo Ramelow. Schon unter Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) wurde lange über eine Neugliederung der thüringischen Landkreise nachgedacht. Nun liegt das Ergebnis in Form einer Landkarte vor, die vor wenigen Tagen vom Thüringer Innenminister Holger Poppenhäger (SPD) vorgestellt wurde und die Reduzierung der Landkreise vorsieht.
Darunter soll ein neuer Großlandkreis sein, in dem die Kreise Schmalkalden-Meiningen, Hildburghausen und Sonneberg sowie die kreisfreie Stadt Suhl aufgehen.
Heftige Kritik auch aus eigenen Reihen
Die Idee für diesen „Rennsteig-Kreis“ wurde Anfang dieses Jahres von dem Südthüringer SPD-Politiker Uwe Höhn öffentlich gemacht. Höhn wurde daraufhin heftig angefeindet. Widerstand schlug ihm auch aus den eigenen Reihen entgegen, gerade aus Meiningen. Doch nun kommt es wohl so, wie es trotz der heftigen Kritik von vielen Beobachtern erwartet wurde: Uwe Höhns Idee soll spätestens bis 2018 Wirklichkeit werden. Denn bei der Neubildung der Landkreise setzt auch die rot-rot-grüne Landesregierung in Erfurt auf einen Großkreis in Südthüringen. Wegen des anhaltenden Bevölkerungsschwundes soll es statt 17 nur noch 8 Landkreise geben. Überdies verlieren 4 kreisfreie Städte ihren Status, so dass mit Erfurt und Jena lediglich zwei Städte kreisfrei bleiben. Die Reform soll spätestens 2018 in Kraft treten.
Die künftigen Kreisstädte stehen noch nicht fest. Beim neuen Großkreis in Südthüringen kommen wohl nur Suhl und Meiningen in Frage. Die beiden bisherigen Kreisstädte Hildburghausen und Sonneberg sind zu klein oder liegen zu abseits. Einen Namen gibt es auch noch nicht. Da sich der neue Landkreis entlang des Rennsteigs erstreckt, könnte er – wie von Uwe Höhn vorgeschlagen – tatsächlich nach dem Höhenweg des Thüringer Waldes benannt werden. Der Rennsteig ist schließlich eine bundesweit bekannte Marke, mit der sich um Touristen werben lässt.
SPD-Mann Höhn ist jedenfalls zufrieden, dass es nun ein verwaltungsmäßig vereinigtes Südthüringen geben soll. Nur der frühere Kreis Bad Salzungen bleibt als Teil des Wartburgkreises außen vor. „Das ist die Chance, die Region wirtschaftlich und touristisch zu entwickeln“, sagt Höhn über den geplanten Großkreis. Von den Wirtschaftsdaten her sei das einer der stärksten neuen Landkreise. Nun gelte es, die Kleinteiligkeit im Tourismus zu überwinden.
Kommt es so, wie die Regierung plant, entsteht als Nachbar des Landkreises Rhön-Grabfeld sogar der größte Thüringer Landkreis. Er hätte eine Fläche von knapp 2700 Quadratkilometern und rund 283 000 Einwohner. Der Gutachter der Landesregierung, der Bochumer Verwaltungswissenschaftler Jörg Bogumil, zählt den Südthüringer Großkreis zu den vier starken unter den acht neuen. Der Wartburgkreis, der um das kreisfreie Eisenach vergrößert werden soll, gehört ebenfalls dazu. Laut Gutachter ist das die „größte Industrieregion“ in Thüringen, nicht zuletzt wegen des Opel-Werks in Eisenach.
Während sich Wartburgkreis und Eisenach einig über ein Zusammengehen sind, rumort es in Südthüringen gewaltig. Weder die betroffenen Landräte noch der Suhler Oberbürgermeister können dem geplanten Großkreis etwas abgewinnen. „Dieser Entwurf einer Kreisgebietsreform ist ein Schlag ins Gesicht für unsere Region“, schimpft stellvertretend der Landrat von Schmalkalden-Meiningen, Peter Heimrich (SPD). „Ich kenne keinen Bürger bei uns im Landkreis, der so etwas gut findet oder dafür Verständnis hat.“ Heimrich spricht von einem „Monsterkreis“, den er mit allen Mitteln verhindern wolle. Dass er womöglich die besten Chancen hätte, neuer Landrat in dem Südthüringer Großkreis zu werden, scheint ihn nicht zu kümmern.
Seine Sonneberger Kollegin Christine Zitzmann (parteilos) hält ebenso wie der Hildburghäuser Landrat Thomas Müller (CDU) das Vorgehen der Landesregierung für falsch. Zunächst müsse klar sein, welche Aufgaben die Landkreise künftig hätten, erst dann könne über einen Neuzuschnitt geredet werden. Hildburghausen und Sonneberg liebäugeln seit längerem mit einem Wechsel nach Franken.
Auch Günther Köhler kann dem geplanten Großkreis wenig abgewinnen. Der Bürgermeister von Bad Königshofens Partnerstadt Römhild gilt als kommunalpolitisches Urgestein. Schon zu DDR-Zeiten wurde er Bürgermeister von Gleichamberg. Die Wende überlebte er politisch ebenso wie die vor drei Jahren durchgeführte Gemeindegebietsreform, in der seine Heimatgemeinde und etliche andere Ortschaften in der neuen „Stadt Römhild“ aufgingen und der 65-Jährige zum Ersten Bürgermeister gewählt wurde. „Der große Wurf ist die Kreisgebietsreform aus meiner Sicht nicht“, sagt Köhler, der skeptisch ist, dass dadurch Steuergelder eingespart werden können. „Es gibt genug Beispiele dafür, dass das nicht unbedingt der Fall sein muss“, meint der Römhilder Rathauschef. Dass die Landkreisreform einige Jahre nach der Gemeindegebietsreform kommt, hält er für falsch.
„Das hätte man andersherum aufzäumen müssen, damit die neu gebildeten Gemeinden gewusst hätten, wie sie dran sind.“ Ein Scheitern der Neugliederung der Landkreise hält Köhler trotz eines angestrebten Volksentscheids für ausgeschlossen: „Das zieht die Regierung jetzt gnadenlos durch.“