Bereits eine gute halbe Stunde vor Beginn des Konzerts waren alle Parkplätze um die Gustav-Adolf-Kirche und am Bahnhof in Mellrichstadt belegt. Das musste ein großes Ereignis sein, das da seine Schatten vorauswarf, und das wurde es auch tatsächlich. Denn in der evangelischen Kirche der Stadt wurde am Samstag ein Konzert gegeben, das sich so leicht nicht wiederholen lässt. Und das wieder einmal bestätigte, dass in der „Provinz“ die Kunst, zumal die Musik, eine außerordentliche Blüte erlebt. Es traten nämlich echte Hochkaräter auf: Clark Rubinshtein (Boston, USA), Pawel Izdebski (Boston und Mellrichstadt), Alexander Prokhorov (Moskau und Boston) und der Südthüringer Ärztechor unter der Leitung von Dr. Klaus Iwig. Weitere Mitwirkende waren Irina Rubinshtein am Klavier und Marcella Stephan, Violine.
Allein schon die Zusammensetzung der Künstler verriet, dass dieses Konzert unter dem Titel „Stimmen in Harmonie“ etwas Besonderes werden musste. Natürlich auch und vor allem, weil der international erfolgreiche Bassist Pawel Izdebski dabei war. Er ist in der Region längst bekannt, sein Name ein Begriff. Sein unglaublich voluminöser Bass kam in der hervorragenden Akustik der Gustav-Adolf-Kirche voll zur Geltung, zum Beispiel, als er aus Verdis Oper Simone Boccanegra die Arie „Il lacerto spirito“ sang, oder im zweiten Teil „I’m dreaming of a white Christmas“ – es muss nicht immer Bing Crosby sein, um dieses Lied zu Herzen gehen zu lassen!
Eine Stimme wie die von Izdebski braucht einen solchen Raum wie das Kirchenschiff, dann entfaltet sich ihre volle Musikalität und wird zu einem beeindruckenden Erlebnis für den Zuhörer. Man möchte ihn gern einmal in einer der großen Konzerthallen der Welt hören. Dieser Mann mit seiner imposanten Erscheinung und seiner mächtigen Stimme ist zweifellos in der Lage, noch ganz andere Räume zu füllen.
Viele Besucher waren nicht nur wegen des berühmten Mellrichstädters Izdebski gekommen, sie wollten auch Clark Rubinshtein wieder begegnen. Das elfjährige Wunderkind – in den Vereinigten Staaten wird er „the little Caruso“ (der kleine Caruso) genannt – ist in Mellrichstadt und darüber hinaus kein Unbekannter mehr, hatte er doch im August im Schloss Wolzogen zusammen mit Pawel Izdebski ein Konzert gegeben, das die Zuhörer zu Beifallsstürmen hinriss. Und das war am Samstagabend nicht anders, im Gegenteil: Der Beifall wollte nicht enden, Bravo-Rufe und sogar Pfiffe der Begeisterung schallten durch den Kirchenraum, es gab Standing Ovations für den kleinen Künstler, der sich ganz groß mit einer breiten Palette von wundervollen Melodien in die Herzen der Zuhörer sang.
Besonders der erste Teil des Konzerts war von Clark Rubinshtein geprägt. Melodien von Caldera, Schubert und Arthur Rubinstein trug er vor, Mozarts Zauberflöten-Arie „Der Vogelfänger bin ich ja“ und „Non piu andrai“ aus der Hochzeit des Figaro. Er sang die weniger bekannte, unglaublich schnell zu singende Melodie „Major General“ aus der komischen Oper „Pirates of Penzance“ von Gilbert & Sullivan und erntete rauschenden Beifall dafür.
Die Besucher hörten zudem den Glenn-Miller-Song „Chattanooga Choo Choo“ aus der Nachkriegszeit, sie hörten das italienische Volkslied „Funiculi Funicula“ und den Schlager „Smile“, den Charlie Chaplin bekannt gemacht hatte.
Auch nach der Pause hatte Clark einen großen Anteil an den Darbietungen, als bekannte Weihnachtslieder oder ein Medley von Christmas Songs erklangen. Zu den Höhepunkten zählten auch die Lieder, bei denen Clark Rubinshtein als Solist mit dem Chor das „Laudate Dominum“ sang, oder wenn der Junge mit Pawel Izdebski im Duett auftrat. Der stürmischen Forderung nach einer Zugabe kam Clark mit dem bekannten Lied „Mama“ nach, das ihm wie auf den Leib geschrieben erscheint.
Bei den weihnachtlichen Liedern beteiligten sich auch die anderen Künstler des Abends, nämlich der Bass-Bariton Alexander Prokhorov, der ansonsten stets am Klavier begleitete und dabei von Clarks Mutter Irina Rubinshtein unterstützt wurde, sowie der Ärztechor. Das Publikum wurde zum Mitsingen aufgefordert, was es auch begeistert tat.
Marcella Stephan hatte zuvor mit ihrer Violine Pawel Izdebski bei Cesar Franks „Panis angelicus“ einfühlsam begleitet, ebenso Alexander Prokhorov am Klavier. Der begeisterte Beifall des Publikums am Ende galt all diesen Künstlern und natürlich auch dem Südthüringischen Ärztechor mit seinen 45 Mitgliedern und dem Leiter Dr. Klaus Iwig. Diese Sängerinnen und Sänger, alle aus dem medizinischen Bereich stammend, bildeten einen wundervollen harmonischen Klangkörper, der dem Publikum sehr abwechslungsreiche Lieder in Vollendung vortrug: Er eröffnete mit Glucks „Füllt mit Schalle“ das Konzert, setzte seine Beiträge mit „Musica, die ganz lieblich Kunst“ und dem mitreißenden Gospel-Song „Heaven is a wonderful place“ sowie mit „Klänge der Freude“ von Edward Elgar fort.
Nach der Pause trug der Chor mit drei festlichen Liedern der Advents- und Weihnachtszeit Rechnung („Hosianna“ von Christian Friedrich Gregor, die Weihnachtsmotette von J. J. Wachsmann und Mozarts „Laudate Dominum“). Und natürlich war der Chor auch bei den Weihnachtsliedern und dem Christmas-Song-Medley dabei und trug damit ganz wesentlich zu dem musikalischen Erlebnis des Konzerts bei.
„Aus Zion bricht an der schöne Glanz Gottes“ – mit diesem Zitat aus dem 50. Psalm hatte Pfarrer Andreas Werner die Gäste in seiner Kirche begrüßt und verwies damit auf die Advents- und Weihnachtszeit, zu der dieses Konzert auch einen Beitrag leiste. „Ich freue mich auf den Auftritt dieser großen Künstler“, sagte Werner. Ein Filmteam des Bayerischen Fernsehens war vor Ort – ein Ausschnitt des Konzerts wird am vierten Adventssonntag in der Frankenschau gezeigt.
Als Moderatorin führte Joanna Izdebski durch das Programm. Sie stellte die Künstler vor, besonders natürlich Clark Rubinshtein, aber auch Alexander Prokhorov, der in Moskau Musik studiert hatte, in Boston sich zum Sänger ausbildete, eine erfolgreiche Karriere als Opernsänger begann und neben anderen Aufgaben als der künstlerische Direktor des Commonwealth Lyric Theater in Boston tätig ist. Dort nahm er Clark Rubinshtein unter seine künstlerischen Fittiche und ist bis heute der Gesangslehrer des Jungen.