Mehr als ein Vierteljahrhundert ist die Deutsche Demokratische Republik nun schon Geschichte. Dass der Unrechtsstaat im Bewusstsein der Deutschen niemals in Vergessenheit geraten darf, ist eine Aufgabe der Bildungsinstitute. Schüler des Rhön-Gymnasiums und der Fach- und Berufsoberschule erhielten von Professor Helmut Müller-Enbergs einen Einblick in die Aufarbeitung der DDR-Überwachungsmaschinerie.
Ein angesehener Mann in der DDR mit leidlichem Wohlstand beschließt, in den Westen auszureisen. Doch die Deutsche Demokratische Republik will ihn nicht gehen lassen. Also sucht sie ihm mittels Geheimdienst eine neue Frau, verkuppelt die beiden, lässt ihn privat glücklich werden und schon bleibt der Abtrünnige tatsächlich der DDR erhalten. Was aus heutiger Sicht einer Seifenoper nahekommt, ist ein authentischer Fall, über den Helmut Müller-Enbergs im Bildhäuser Hof berichtete. Natürlich ohne die wirklichen Namen und die wirklichen Berufsbezeichnungen der betroffenen Menschen, die ja heute noch leben, zu nennen.
Bespitzelung aller Mitbürger durch das Ministerium für Staatssicherheit war eines der Kernelemente des DDR-Unrechtsstaates. Der Vortrag „Demokratie hat was! Ein-Blicke in die Vergangenheit: Die Geheimpolizei der DDR“ ist deshalb in den Schulen so wichtig, weil diese jüngere Vergangenheit immer mehr in Vergessenheit zu geraten scheint. Da braucht es Referenten wie Müller-Enbergs, um den Schülern klarzumachen, dass dieses Ministerium für Staatssicherheit erst vor 26 Jahren aufgelöst wurde.
Helmut Müller-Enbergs ist Politologe und arbeitet seit 1992 als wissenschaftlicher Referent beim Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen. Seine Schwerpunkte sind Grundlagenforschungen zu inoffiziellen Mitarbeitern und der Hauptverwaltung Aufklärung des Ministeriums für Staatssicherheit sowie zu Spionage und Nachrichtendienstpsychologie. Müller-Enbergs ist Professor an der Universität in Odense (Dänemark) sowie an der historischen Fakultät der Hochschule in Visby (Schweden) und war bei Vorträgen schon einige Male Gast des Rhön-Gymnasiums.
Was der renommierte Forscher in seinem Vortrag, dem die Schüler sehr aufmerksam folgten, immer erwähnte, war die Vernichtung der Akten des Ministeriums für Staatssicherheit nach dem Ende der DDR. Wäre diese Aktenzerstörung nicht so sorgsam gelaufen und dokumentiert worden, wäre sie in einem weitaus größeren Umfang erledigt worden.
So können bis heute 111 Kilometer Akten in den Archiven aufgearbeitet werden. „Man kann in diese Stasi-Akten reingucken“, sagte Müller-Enbergs zu den Schülern und empfahl dies auch nachdrücklich. Auch für Familien aus Westdeutschland, denn Bundesbürger wurden ebenfalls von der DDR-Staatssicherheit bespitzelt.
„Die Stasi wurde nicht kontrolliert“, sagte Müller-Enbergs, „die konnten machen, was sie wollten!“ Genau hier liegt der Unterschied zwischen der Arbeit der Geheimdienste der DDR und des heutigen Deutschlands. Heute wird die Arbeit der Geheimdienste öffentlich diskutiert und deren Befugnisse sind genau definiert. Ein Verdienst der Demokratie, den Müller-Enbergs nicht zu erwähnen vergaß.