Das ist der Ort, wo man sich seine ewige Verbundenheit schwören muss. Die Ufer sind zugewuchert vom Grün. Vogelgezwitscher und Zirpen überall. Durch das Blattwerk der Bäume dringen Sonnenstrahlen, die auf dem Wasser reflektieren. Eine aufgeschreckte Ente flattert davon. Rechts, fast behäbig, führt die Streu ihr Wasser nach Südwesten. Ein paar Blätter nutzen die Mitfahrgelegenheit. Links, mit viel größerem Drang, rauschen die Wasser der Saale heran. Milchig, trüb, weil kurz vor dem Verschmelzen der beiden Gewässer noch eine kleine Kaskade zu überwinden ist.
Mit Blasen und Strudeln geht das milchige Wasser in das viel grünere der Streu über. Die beiden sind hier, mit Blick zum Kirchturm von Heustreu (Lkr. Rhön-Grabfeld), eins geworden. Fortan ziehen die beiden Flüsse als einer, als die Saale, hinunter in den Südwesten, bis wiederum der große Main die Saale schluckt.
Es gab einst größere Zeiten für die Streu. Da wurde das, was heute die Saale genannt wird, bis zu seiner Mündung in den Main Streu genannt. Bad Neustadt, Bad Kissingen, Hammelburg: Alle Städte trügen den Zusatz „an der Streu“ im Namen, wenn nicht irgendwann einmal die weichere Saale klanglich überzeugender geworden wäre. Im Mündungsbereich ist die Saale jedenfalls der kleinere Fluss. Auf einer Landkarte von 1621 trägt der gesamte Flusslauf bis nach Gemünden den Namen „Stray Flu“ (Streu Fluss).
So viele Streutal-Schönheiten
Heute ist die Streu gut 42 Kilometer lang. Der Fluss gibt einem Tal seinen Namen, das mehr als einen Besuch wert ist. Das beginnt schon ganz oben im Norden, wo die Streu durch Fladungen fließt, der ersten Perle der Kette von Streutal-Schönheiten. Sie schmückt sich mit dem Titel „Bayerns nördlichste Stadt“. In den vergangenen Sommern hat Fladungen mit seinen „Classics“ Furore gemacht. Oldtimer und Petticoat-Feeling lockten Tausende in die Stadt. Allerdings gibt es zurzeit Knatsch um die „Classics“, eine Neuauflage ist derzeit nicht geplant.
Das Fränkische Freilandmuseum in Fladungen aber ist ein beständiger Besuchermagnet. Es gibt eine ganz besondere Möglichkeit, die Erlebnisse Fladungen und das Streutal zu verbinden: und zwar mit dem Rhönzügle. Die Dampfeisenbahn startet noch zweimal im September (11. und 25.) von Mellrichstadt über Ostheim auf der Museumsstrecke hoch nach Fladungen. Ein unvergessliches Erlebnis mit viel Natur und noch mehr Kesseldampf. Wer will, kann seine Fahrräder mitnehmen und einen Teil der Strecke auf dem Sattel zurücklegen.
So kommt man der Streu noch näher. Ganz besonders intensiv ist dieser Kontakt am Gewässerlehrpfad der Streu in Ostheim. Auf knapp eineinhalb Kilometern lernt man die Pflanzen- und Tierwelt entlang des Flüsschens kennen. Infotafeln geben Auskunft, was in und um die Streu so keucht und fleucht. Wer seine vom Radeln müde Füße erquicken will, tut dies am besten gleich im Kneipp-Bereich an der Ostheimer Streu. Später ist auch noch einmal in Stockheim flussabwärts Gelegenheit zum Kneippen.
Die Streu entspringt im thüringischen Teil der Rhön, unweit des Bergs Ellenbogen bei Kaltennordheim (Wartburgkreis). In den Jahren des Kalten Krieges durchschnitt sie den Eisernen Vorhang. Eine dramatische Fluchtgeschichte ist dokumentiert. Ein ehemaliger Grenzsoldat, der im thüringischen Melpers bei Fladungen stationiert war, nutzte das Bachbecken der Streu, das nicht vermint war, zur letztendlich glücklichen Flucht über die Grenze.
Bachforellen und Saiblinge
Ansonsten ist die Streu ein eher unspektakulärer Fluss, der seinen Weg durch schöne, erholsame Rhöner Natur bahnt. Der Name Streu leitet sich übrigens vom litauischen Wort „strove“ für starke Strömung ab. Mühlen gab es viele in der Vergangenheit. Einige sind noch immer im Einsatz, und sei es zur Stromproduktion für den Eigengebrauch.
In Mellrichstadt macht die Streu einen großen Knick und ändert ihren Lauf von südöstlicher in südwestlicher Richtung. Die Angler freuen sich über Bachforellen oder Bachsaibling. In den vergangenen Jahren kam es aber immer wieder zu kritischen Situationen, wenn große Trockenheit herrschte. Um die Streu und ihr Wohlbefinden kümmert sich eine ganz besondere Berühmtheit des Streutals: die Ostheimer Bionade GmbH.
Der Hersteller der Bio-Brause ist seit dem Frühjahr 2016 offizieller Flusspate für die Streu. Zusammen mit dem Landschaftspflegeverband Rhön-Grabfeld und dem Landesbund für Vogelschutz möchte Bionade das heimische Gewässer als wichtigen Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten bewahren helfen. Ein Gewässerabschnitt von rund 600 Metern ist nun in der Obhut des Limoherstellers.
Kürzlich packten Mittelschüler aus Mellrichstadt fleißig mit an, um den Uferbereich von Pflanzen zu befreien, die an der Streu eigentlich nichts zu suchen haben. Dazu gehört auch das Indische Springkraut, das schon dem Namen nach wenig mit der Rhön zu tun haben dürfte.
Ausschau halten durften die Schulkinder auch nach der Prachtlibelle. Diese metallisch-blau leuchtende Libellenart steht auf der Liste der bedrohten Tierarten und lebt nur an sauberen Fließgewässern. Das Biosphärenreservat Rhön sucht Standorte dieser seltenen Libellenart. Tatsächlich findet man einige Plätze, wo sich die Prachtlibelle wohlfühlt. Am Zusammenfluss von Streu und Saale zum Breispiel oder am Malbach in Mellrichstadt, einem Zufluss der Streu.
Die kleinen Schätze kann man an der Streu entdecken. Und schon ein wenig stolz kann man sich im Streutal die Frage stellen, was Saale und Main wohl wären ohne diesen Rhöner Fluss.