Eineinhalb Jahre hat Guido Jörg dafür gesorgt, dass die Unteressfelder wussten, was ihnen die Stunde geschlagen hat. Täglich musste er dazu die aus dem 18. Jahrhundert stammende Kirchturmuhr mit einer Kurbel aufziehen. Anhand von drei Gewichten wurde sie bewegt. "Nicht immer stimmte die Uhr in letzter Zeit mit dem jeweiligen Stundenschlag zusammen", schmunzelt Guido Jörg. Das ist jetzt vorbei, denn nach 320 Jahren hat am Kirchturm von Untereßfeld das digitale Zeitalter Einzug gehalten. Guido Jörg hat damit seit einigen Tagen nun wieder mehr Zeit für sich und muss nicht täglich die ausgetretenen Stufen nach oben steigen, um die Uhr aufzuziehen.
Rund 5000 Euro hat die Digitalisierung der Uhr am Unteressfelder Kirchturm gekostet, sagt Bürgermeister Thomas Helbling. Er war selbst vor Ort, um den Einbau zu beobachten. Auch wenn Guido Jörg nun die eiserne Kurbel weglegt, die er zum Aufziehen bisher benötigte, ist es ihm wichtig, dass das historische Uhrwerk erhalten bleibt. "Vielleicht interessiert sich ja ein Museum dafür."
Die Uhr selbst dürfte um 1700 eingebaut worden sein. Der einstige Pfarrer J. Stöger aus Oberstreu verweist nämlich in seinem Büchlein "Pfarreigeschichte Untereßfeld" darauf, dass am 26. September 1704 der damalige Pfarrer Reuß nach Würzburg schrieb: "ein notwendiges Türmlein mit einer Stiege auf den Kirchturm und zur Uhr ist zu machen, wohin man jetzt auf einer im Wetter stehenden Leiter steigen muss". Dies geschah durch einen Fachwerkanbau, schreibt Pfarrer Stöger.
Rund 250 Einwohner
Viele Unteressfelder sind seitdem die Stufen nach oben gestiegen und haben die Turmuhr aufgezogen. 36 Jahre lang war das auch Inge Warmuth aus Untereßfeld. Vor eineinhalb Jahren gab sie aus Altersgründen das Amt auf. "Sie war schon über 80 Jahre, und da fiel das Treppensteigen natürlich immer schwerer", sagt ihr Nachfolger Guido Jörg. Er kam als Rentner zu dem neuen Amt. "Du wohnst neben der Kirche, du kannst das doch machen", überredeten ihn seine Mitbürger. Das sei in einem kleinen Dorf wie Untereßfeld mit rund 250 Einwohnern schon immer so gewesen, dass sich die Ämter auf wenige Leute verteilten. "Jeder muss sich einbringen", sagt Jörg.
Er weiß, wovon er spricht, denn er war 34 Jahre in der Kirchenverwaltung, 18 Jahre Küster und ist bei der Feuerwehr, im Sportverein, beim Radfahrverein und bei den Jagdgenossen. So ist ihm auch bekannt, dass die heutige Kirche in Untereßfeld 1708 von Weihbischof Bernhard Mayer geweiht wurde, sie hatte mehrere Vorgängerbauten. Untereßfeld bestand laut Überlieferungen als Pfarrei wohl schon im achten Jahrhundert und wurde 741 in einer Urkunde erstmals erwähnt.
Automatisch nach oben geschaut
Der Kirchturm wurde im 15. Jahrhundert erbaut und im Jahr 1612 erhöht. Er ist der älteste Teil des Gebäudes, weiß Kreisheimat- und Archivpfleger Reinhold Albert und fügt an: "Für die Menschen war die Uhr ganz wichtig, da ja nicht jeder, wie heute, eine Uhr zu Hause hatte. Alle haben automatisch zur Kirchturmuhr geschaut."