Ausschlafen, shoppen gehen, auf der Couch lümmeln – solche Samstage kennt Steven Glover nicht. Der 43-Jährige ist Weltmeister im Kickboxen Leichtkontakt im Superschwergewicht. Nun hat er sich auf die Europameisterschaft in Maribor in Slowenien vorbereitet, die am 22. Oktober beginnt. Der Bad Neustädter ist als Favorit nominiert. „Mein Ziel ist es noch Europameister zu werden und dann will ich aufhören“, so der Weltmeister.
Dafür musste er viel trainieren. Ein entspanntes Wochenende gibt es für ihn nicht. „Ich gehe jeden Samstag ins Studio zum Training. Das ist für mich Alltag und ganz normal“, sagt er. Glover ist Inhaber des Arena-Kampfsportzentrums in Bad Neustadt – und gleichzeitig Trainer dort.
Am Samstagmorgen vor dem Training ausschlafen? Auch das ist für den Familienvater nicht drinnen. „Ich stehe mit meinen Kindern um 8 Uhr auf und frühstücke mit ihnen“, sagt er. Danach geht es in den Garten zum Spielen, bevor er gegen Mittag in sein Studio fährt. Aufraffen dafür müsse er sich aber nicht, beteuert er. „Ich mache es aus Leidenschaft, nicht aus Zwang.“
Bevor es für ihn aber richtig in den Ring geht, hat er erst einmal eine Trainingsgruppe. „Nur für Frauen“, sagt Glover. Schließlich hat sein Arena-Kampfsportzentrum über 300 Mitglieder, wovon etwa 200 Kampfsportschüler sind. Danach geht es für den Sportler aber in den Ring: Das Training mit seinen Kämpfern steht auf dem Programm.
„Ich trainiere mit etwa 18 Kämpfern aus verschiedenen Gewichtsklassen, die zwischen 15 und 37 Jahre alt sind“, erklärt er. Zusammen bereiten sie sich auf Wettkämpfe vor. Bis zu elf Turniere stehen für die Bad Neustädter Kampfsportler im Jahr an. „Die meisten davon sind ebenfalls am Samstag“, erzählt Glover.
Um für die Wettkämpfe fit zu sein, stehen verschiedene Trainingsformen auf dem Programm: Bei der Kampfvorbereitung treten zwei Sportler gegeneinander an, während beim Taktiktraining die besten Wege für Verteidigung und Angriff eingeübt werden. „Und es kommt auf die Kombinationstechnik an“, so Glover. „Dort wird gezeigt, wie ich mit Fäusten und Füßen am Mann arbeite.“
Natürlich trainiert auch der Weltmeister selbst mit. Zwar ist der 43-Jährige im Ring mit seinen Schülern der Älteste – eine Chance gegen ihn hat deshalb aber noch keiner. „Zumindest momentan noch nicht“, sagt er lachend. „Sie sagen immer, dass ich außerhalb und innerhalb des Rings der Chef bin.“
Deutscher Juniorenmeister im Muay Thai
Seit seinem siebten Lebensjahr betreibt Steven Glover Kampfsport. „Es war reiner Zufall“, sagt er, der einen amerikanischen Vater hat. Meine Großeltern hatten in Bad Neustadt eine Kneipe und einen Gast aus Thailand. Chan Le war in der Rhön als Ingenieur bei Siemens tätig – hatte aber zu Hause in Thailand eine eigene Kampfsportschule für den Nationalsport Thailands Muay Thai. „Er sah Potenzial, wie ich mich bewegte und bot meinen Großeltern an mich zu trainieren“, so Glover. „Meine Mutter war nicht begeistert, ich war eh schon ein Schlimmer“, erzählt er. Aber durch das Training im traditionellen Thaiboxen ist der Junge gelassener geworden. „Das hat mir gut getan“, sagt er. Seinen ersten Titel holte er mit zwölf Jahren, da war er Deutscher Juniorenmeister im Muay Thai. Mit 16 war er schon Vizeweltmeister.
Da die Sportart wegen ihrer Härte aber nur in abgeschwächter Form in Deutschland erlaubt ist, wechselte Glover zum Kickboxen, erklärt er. Dies ist vor allem seit seinem Kreuzbandriss für ihn von Vorteil. „Ich kämpfe ohne Kreuzband im linken Bein und stabilisiere das nur durch die Muskulatur“, erklärt er. Da man beim Kickboxen nur ab der Gürtellinie aufwärts treffen darf, ist es ihm auch möglich ohne sein Kreuzband zu kämpfen.
In der Vergangenheit hat der Bad Neustädter schon einige Titel gewonnen. Bei der Wako-Weltmeisterschaft im November 2015 im irischen Dublin feierte Glover aber seinen bislang größten Triumph. Er wurde Weltmeister im Kickboxen Leichtkontakt im Superschwergewicht. „Für mich persönlich war dieser der schwerste, aber auch größte Erfolg in meiner Laufbahn“, sagte er nach seinem Finalsieg gegen den Italiener Nicola Bertolotti.
Die Weltmeisterschaft der Wako World, des größten Kickboxverbands der Welt, ist das größte Kickboxturnier der Welt mit Sportlern aus über 130 Ländern. In Dublin trat der deutsche Bundeskader mit 40 Kämpfern an. Am Ende waren drei Sportler daraus Weltmeister und eine Sportlerin Weltmeisterin.
„Es wurde in verschiedenen Disziplinen und Gewichtsklassen gekämpft“, erklärt Glover. So gibt es die Disziplinen Pointfighting, Leichtkontakt und Vollkontakt. „Beim Vollkontakt wird im Ring gekämpft und der Gegner kann k.o. gehen. Beim Leichtkontakt kämpfen die Sportler auf der Matte, aber sie dürfen sich nicht k.o. schlagen. Das ist eine technisch anspruchsvolle Disziplin“, so der Kickboxer. Er hat den Titel im Leichtkontakt geholt. „Vollkontakt darf man nur bis 40 Jahre kämpfen“, erklärt er.
Auch nach 36 Jahren brennt Glover noch für den Kampfsport. Seine Motivation zieht er sich nicht nur aus den eigenen Erfolgen – sondern vor allem aus den Triumphen seiner Schüler. „Zu sehen wie weit sie nicht nur im Kampf, sondern vor allem in der persönlichen Entwicklung kommen, das ist der beste Lohn“, sagt er. Wenn sie dann aber noch Titel holen, ist es für ihn perfekt.
"Kichboxen ist eine Lebenseinstellung"
Kickboxen ist für Steven Glover nicht nur ein Hobby oder seine Arbeit – „das ist eine Lebenseinstellung“. Dies merke er auch immer wieder an Interessierten, die zu ihm ins Studio kommen. „Sie sagen sofort, dass dies nichts für sie ist oder bleiben ewig. Entweder man liebt Kickboxen oder man liebt es nicht. Es gibt nichts dazwischen.“
Doch irgendwann hat auch ein Weltmeister am Samstag Feierabend. Und den verbringt Glover am liebsten zu Hause bei seiner Frau und den beiden Kindern. Denn auch wenn der Kickboxer in seiner Montur im Ring vielleicht nicht den Eindruck erweckt – der 43-Jährige ist ein echter Familienmensch.
„Meine Kinder sind mein Ausgleich“, sagt er. Seine 3,5-jährige Tochter Vivien und sein 1,5-jähriger Sohn Tyron halten ihn aber dann auch noch am Samstagabend auf Trab. „Nervlich sind meine Kinder anstrengender als das Kickboxen“, sagt der 43-Jährige: „Körperlich ist es das Kickboxen – noch.“