
Das Orgelbau-Museum in Ostheim birgt wahrlich rare Schätze. Einer davon, auf den Museumsleiter Jörg Schindler-Schwabedissen besonders stolz ist, ist die sogenannte Manderscheidt-Hausorgel, nach ihrem Erbauer Nicolaus Manderscheidt (1580 – 1662) benannt. Diese Orgel ist heuer 370 Jahre alt. Aus diesem Anlass hatte Schindler-Schwabedissen ein „Jubiläums“-Konzert organisiert und dafür den Nürnberger Cembalisten und Pianisten Ralf Waldner gewonnen.
Dieser international bekannte und für Tastenmusik umfassend ausgebildete Künstler und Musikpädagoge gab ein fulminantes Konzert, wobei er Nürnberger Orgelmusik des 17. Jahrhunderts ausschließlich auf der Manderscheidt-Orgel spielte. Dieses außergewöhnliche Musikerlebnis im Renaissanceraum des Museums, in dem sich die Manderscheidt-Orgel befindet, hatte viele Freunde alter Musik angezogen. Ein „Schlüsselerlebnis“ nannte Schindler-Schwabedissen das Konzert.
Wechselvolle Orgelgeschichte
Die Jubiläumsorgel hat eine abenteuerliche Geschichte hinter sich. Der Museumsleiter und sein Bruder Christoph Schindler erzählten, dass diese zum Typ der „Positive“ zählende Orgel einst dem Herzog Christian August vom Stadtrat von Sulzbach in der Oberpfalz als Huldigungsgeschenk übergeben worden war. 200 Jahre stand sie in der Schlosskapelle, bis sie Mitte des 19. Jahrhunderts in die Friedhofskirche umgesiedelt wurde. Dort versah sie ihre Dienste bis zum Zweiten Weltkrieg.
Vandalismus zerstörte dann die Orgel fast vollständig. Sie hatte keine Tasten, keine Blasbälge mehr, von den 264 Pfeifen waren nur noch drei vorhanden, und eigentlich war die Orgelruine nichts mehr wert, als dass man sie gänzlich zu Kleinholz hätte machen können. Doch der Vater der Schindlers hatte erkannt, dass sie ein besonderes Instrument darstellte.
Durch internationale Nachforschungen und Vergleiche fand er heraus, dass sie der Nürnberger Orgelbauer Manderscheidt geschaffen hatte. Zusammen mit seinem Sohn Christoph machte sich Schindler senior an die Restaurierung. Und so steht die Manderscheidt-Orgel in neuem Glanz, nicht weniger schön vermutlich als in ihrem Entstehungsjahr, an einem Platz, der ihrer Bedeutung gerecht wird.
Christoph Schindler baute die historische Orgel übrigens als sein Meisterstück nach; das Duplikat steht nicht weit entfernt vom Original, ebenfalls im Renaissanceraum des Museums.
Zu der Musik, die Waldner dann erklingen ließ, findet vermutlich nicht jeder so ohne weiteres einen Zugang. Orgelmusik der Spätrenaissance im Übergang zum Barock ist an sich schon für Ohren des 21. Jahrhunderts unvertraut. Hinzu kommt die Verfremdung durch den speziellen Klang der Manderscheidt-Orgel, die nur sechs Register hat und natürlich auch nicht das riesige Klangvolumen einer großen Kirchenorgel erreichen kann. Waldner räumte auch auf eine Frage hin ein, dass er sich „natürlich“ die Partituren der Stücke des Programms zuvor genauer angesehen hatte.
Weltliche und geistliche Musik
Als einem für historische Aufführungspraxis ausgebildeten Experten und versierten Künstler war es ihm dann aber möglich, wie er sagte, sich in die Musik hineinzufühlen, ihren Charakter zu begreifen und sie ganz im Sinn des damaligen Zeitstils auch zu interpretieren. So lauschten die Zuhörer fasziniert, wie Waldner, vor der Tastatur stehend – denn sitzend kann man die Manderscheidt-Orgel nicht spielen – Orgelmusik besonders von Johann Erasmus Kindermann, aber auch aus der Nürnberger Orgeltabulatur, von Paulus Hainlein, David Schedlich und Georg Caspar Wecker virtuos zu Gehör brachte.
Weltliche Musik für den Tanz und geistliche Musik für den Gottesdienst, wohl eher in den meisten Fällen durch den Titel als durch die Musikqualität als solche unterscheidbar, erklangen im Wechsel. Zur Originalität des Spiels gehört auch, dass die Orgel ihre Luft aus zwei Blasbälgen erhält, die Jörg Schindler-Schwabedissen von Hand betätigte.
Waldner unterbrach sein Spiel immer wieder, um seinem Publikum zwischendurch Erläuterungen zu geben. Er zeigte sogar das Faksimile eines Orgel-Tabulaturblattes, bei dessen Anblick dem Laien das Grausen kommen konnte, wie man das überhaupt in hörbare Musik umsetzen kann.