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Bad Neustadt
Josef Mikus: Eine gerechte und nachhaltige Wirtschaftsordnung
Karl Reichel
 |  aktualisiert: 26.02.2020 02:10 Uhr

"Wie kommt man zu einer gerechteren und nachhaltigen Wirtschaftsordnung?" Mit dieser Frage stellte der Organisationsberater Josef Mikus aus Konstanz in seinem Vortrag im Bildhäuser Hof die Gemeinwohlökonomie (GWÖ) in den Mittelpunkt.

Die GWÖ, 2013 von Christian Felber in Wien initiiert, ist eine Reaktion auf Umweltkatastrophen, Finanzkrisen, Klimaveränderung, soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten. Der Referent zeigte unter anderem Vermögensungleichheiten in Deutschland, Bankenskandale, die Macht großer Finanzkonzerne und fragwürdige Privatisierungen auf. Es stünde eine Wirtschaftsweise im Vordergrund, die praktisch nur dem eigenen Profit nütze, sich aber nicht an dem im Grundgesetz und in der bayerischen Verfassung formulierten Gemeinwohlwert orientiere. Dort heiße es, die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit diene dem Gemeinwohl, insbesondere der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins für alle und der allmählichen Erhöhung der Lebenshaltung aller Volksschichten. Dadurch solle jedem Einzelnen ein Leben ermöglicht werden, das frei von Angst  und Not sei. Ähnlich drücke es Papst Franziskus im Jahre 2015 in seiner Enzyklika „Laudato si“ aus, in der er die Bewahrung der natürlichen und gesellschaftlichen Grundlagen der Menschheit vor willkürlicher Zerstörung, Umwelt als Kollektivgut, Gemeinwohlpflichtigkeit des Privateigentums  hervorhebt.

Ökologisch intakte Umwelt schaffen

Das sei auch das Anliegen der GWÖ. Ihr gehe es nicht um maximalen monetären Gewinn,  sondern vor allem um Handlungen und politische Entscheidungen, die dem Menschen, der Gemeinschaft eine ökologisch intakte Umwelt schaffen. Ziel sei ein Wirtschaften, das auf Dauer Sinn macht. Dabei trete das finanzielle Eigeninteresse zurück. Bei wirtschaftlichen Entscheidungen von Konzernen solle nicht einseitig das Interesse der Aktionäre befriedigt werden, sondern es sei auch das der Mitarbeiter, der Kunden, der Einfluss auf die Umwelt usw. zu berücksichtigen. Die Vorstände von Unternehmen sollen also ihren Beitrag zur Nachhaltigkeit, zur  gesellschaftlichen Verantwortung und zum Klima leisten.

Wie diese Ideen umgesetzt werden könnten, das erläuterte Mikus anhand einer in Spalten und Zeilen angeordneten Tabelle. Sie ist für Unternehmen gedacht als praktisches Handwerkzeug zur Organisationsentwicklung und zur Bewertung unternehmerischer Tätigkeit. Untersucht und bewertet werden darin z. B. das Verhältnis zu den Kunden, die ehrlich und umfassend über das Produkt, seine Herstellung, seine Lieferketten und seine Auswirkungen auf die Umwelt zu informieren seien. Die Frage nach der Sinnhaftigkeit und natürlich auch der  sogenannten Obsoleszenz werden gestellt, ebenso Fragen nach einer Finanzierung durch ethische Geldanlagen, einer finanzielle Mitbeteiligung von Mitarbeitern, fairem Entlohnen der Mitarbeiter und letztlich nach dem Nutzen für die Gemeinschaft.

Positive Entwicklungen

In der anschließenden Diskussion wurden mehrere positive Entwicklungen laut. So hieß es zum Beispiel, dass die EU (Kommission und EZB) mit dem „Green Deal“-Projekt beabsichtige, bis 2050 eine  klimaneutrale  EU zu schaffen. Das entsprechende Gesetz solle bis März 2020 vorliegen. Viele Firmen würden sich dazu bekennen, den CO2-Ausstoß zu verringern und bis 2030 klimaneutral zu werden. Unternehmen würden zunehmend Sozial- und Arbeitnehmerbelange beachten. Im Handel seien immer mehr Produkte, die mit einem Siegel (Fair Trade, Grüner Knopf) ausgestattet sind.

Bad Neustadt selbst sei nicht schlecht aufgestellt. Bad Neustadt ist Modellstadt für Elektromobilität und seit 2015 Fairtrade-Stadt. Ferner besteht die Absicht, Rhön-Grabfeld zu einem Fairtrade-Landkreis zu machen. Der Bezirk Unterfranken hat als erster Bezirk in Bayern den Beschluss gefasst, Fairtrade-Regierungsbezirk zu werden.

Der Referent rief dazu auf, den in Bad Neustadt schon eingeschlagenen Weg gemeinsam von Stadtrat, Verwaltung, Parteien, engagierten Unternehmen und zivilgesellschaftlichen Organisationen konsequent weiterzugehen und schließlich, wie schon einige andere Städte in Deutschland, auch eine Stadt der Gemeinwohl-Ökonomie zu werden.

 
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