Analog oder digital – diese Frage stellt sich heutzutage überall. Auch Radfahrer zählen zur bekennenden Digital-Spezies. Touren werden geplant und getrackt in Apps wie Outdoor Active, gpsies oder Komoot. Da kommt ein Buch eher altbacken daher. Gerade, wenn es den Titel trägt „... ins Land der Franken fahren“.
Inoffizielle Frankenhymne gefragt
Doch langsam: Über sieben Millionen Treffer listet Google in Sekundenschnelle auf beim Suchbegriff der inoffiziellen Frankenhymne. Setzt man das Schlüsselwort „Buch“ dahinter, sind es immerhin noch über eine Million Treffer. Und Überraschung: Auf Platz sieben der Google-Hitliste findet man das neue Werk von Jochen Heinke mit dem zielführenden Titel.
Der Wahl-Rhöner mit hessischen Wurzeln beschreibt darin reizvolle Radwandertouren im Steigerwald, in den Haßbergen, im Maindreieck, an der Aisch, in der Rhön und im Spessart. Und – man möge es glauben oder selbst erfahren – Heinke findet immer wieder Ecken, wo sich die Natur der fränkischen Region in ausgesprochener Schönheit erleben lässt; auf dem Schondra- und Thulbaradweg beispielsweise.
Service wird großgeschrieben
„Mir geht es immer darum, Strecken zu finden, die man als Wochenend-, Tages- oder Halbtages-Tour ohne Schwierigkeit bewältigen kann. Bestenfalls ist die Anreise per Bahn möglich“, hat sich der 71-jährige Pensionär selbst vorgegeben. Beim Beispiel Schondratal wäre es der Bahnhof Gräfendorf an der Saale. Dies alles vermerkt der Autor neben einer Strecken-Grafik in einem Infokasten, der zu jeder beschriebenen Tour gehört. Dort findet man Startpunkte, Streckenlänge und -charakteristik, Markierungen, Einkehr-Tipps und – das ist neu – einen Wohnmobil-Service.
Bei der Tourbeschreibung selbst lernt man den geschichtlich interessierten und versierten Jochen Heinke kennen. Sein Hobby war schon immer die Erforschung von alten Straßen. Das hat ihn auch bei seinen Radbüchern – 16 sind es mittlerweile in diesem Segment – viel geholfen. Dass sich der Name Schondra vom keltischen scuntra ableitet und im idyllischen Tal noch im Jahre 1912 bis zu 4000 Ster Holz von der Rhön in die Saale geflößt wurden, werden die wenigsten Radler gewusst haben, die es schon mal in diese Rhöner Abgeschiedenheit verschlagen hat.
Kilometerlang in der Einsamkeit
Dass die Schondra mittlerweile einer der saubersten Flüsse in Unterfranken ist, lernt der geneigte Leser ebenso wie die Tatsache, dass man dort durchaus Essbares und Trinkbares in den Satteltaschen haben sollte. Schließlich kommt man hinter Gräfendorf erst nach elf Kilometern in den nächsten Ort. Nach Heiligkreuz sind es dann wieder 17 Kilometer bis nach Schondra. Man tangiert zwar zwei Weiler wie die Heckmühle und Münchau – aber sicher ist sicher, empfiehlt der Autor.
Und der hat jede seiner beschriebenen Touren selbst erfahren – meist auf einem Netzwerk, das man durchaus als Lebenswerk von Jochen Heinke bezeichnen kann. Der in Stetten in der Rhön lebende Autor hat Fahrradwege ausgeschildert, die sich über Unterfranken spannen. Er dürfte, urteilte ein Journalist, wie kaum ein anderer die Radrouten zwischen Taubertal und Hochrhön so gut wie seine Satteltasche kennen.
6000 Kilometer langes Netzwerk
„Gut 6000 Kilometer habe ich mittlerweile mit Mitarbeitern der verschiedensten Bauhöfe in Unterfranken beschildert“, sagt Heinke. Etwa 9000 Kilometer saß er dafür im Sattel. Er hat das Fernradwegenetz, touristische Radrouten und die einzelnen regionalen Radwege nicht nur in seinem Computer, sondern auch im Kopf. Aktuell verpasst er dem Streu- und Elstalradweg einen neuen Zuschnitt. Fragt man ihn, wo seine Lieblings-Touren verlaufen, muss der 71-Jährige nicht lange nachdenken. „Ich bin ein Fan vom Steigerwald!“.
Das unterstreicht er mit einer Aussage eines weiteren profunden Radtouren-Experten: „Auch dem Jochen Kleinhenz, der den Graveller rund um Unterfranken konzipiert hat, gefiel der Steigewald offensichtlich ganz besonders!“ Gefreut hat sich Heinke vor allem darüber, dass Kleinhenz, übrigens auch ein gebürtiger Rhöner, den Böhlgrund in seiner Schotter-Tour aufgenommen hat. „Dieser Weg hat mich auch fasziniert – ein Hohlweg mit Geschichte, einer fast verwunschenen Natur mit hängenden Baum-Lianen um ihn herum. Den musste ich zwangsläufig beschreiben.“
Genuss-Touren im Wortsinne
So finden sich im Buch „... ins Land der Franken fahren“ viele kleine und große Überraschungen der vielgestaltigen Landschaft. Ob am Main, der sich wie ein roter Faden mitten durch das von Viktor von Scheffel besungene Gebiet schlängelt, oder in den Mittelgebirgen Rhön, Haßberge und Spessart. „Dort gibt es nicht nur in den Tälern reizvolle, gut befahrbare und gut beschilderte Radwanderwege“, weiß Heinke. Er setzt mittlerweile auf den Komfort eines E-Bikes und sagt: „Da gibt es keine Probleme, wenn sich mal eine Steigung in den Weg stellt!“
Er verspricht in seinem Buch auch echte Genuss-Touren. Denn das Gebiet zwischen Werra und der Hohen Rhön im Norden bis zur Tauber im Süden, von den Toren Bambergs mit dem Steigerwald und den Haßbergen im Osten bis zum bayerischen Spessart im Westen und dem dazwischen liegenden fränkischen Weinland ist durchaus bekannt für kulinarische Genüsse. Die findet man im Serviceteil bei jeder Tourbeschreibung.
Selbsterklärende Beschilderung
Wichtig ist Heinke, dass sich seine Touren auf den einheitlich mit Wegweisern ausgeschilderten Radwegen orientieren, die den Bedürfnissen der Radwanderer entgegenkommen und nicht vor Verwaltungsgrenzen Halt machen. Dieses Konzept verfolgt er seit 15 Jahren. Angefangen hat seine Leidenschaft, als er, der ein paar Jahre zuvor in die Region gekommen war, für den Naturpark Bayerische Rhön ein Netz für Mountainbike-Touren entwickelt hatte. Seine Idee, keine Rundstrecken zu entwerfen, sondern ein Streckengeflecht, auf dem man sich von fast jedem Ort praktisch nach Belieben seine Lieblingstour zusammenstellen kann, erwies sich als richtig. Für sieben Landkreise hat Heinke die Beschilderungssysteme für Fahrradwege entwickelt und betreut. Neben den beiden Rhön-Landkreisen sind das Schweinfurt, Haßberge, Würzburg, Main-Spessart und Aschaffenburg. Radler in Unterfranken können sich seitdem überall nach dem gleichen System orientieren. Und stets werden auf den Wegweisern neben den Entfernungen zwei Ziele angegeben, ein Fern- und ein Nahziel.
Mit GPS, Fotoapparat und Diktiergerät
Der Pensionär fährt zuerst seine Strecken mit einem GPS-Gerät, Diktiergerät und Fotoapparat ab. Damit schafft der Radl-Fachmann die Grundlage für alle späteren Arbeiten, seien es Routen-Führung oder Beschreibung. Zuhause in Stetten ist nun ein großes Datenarchiv zum Wegenetz in der Region angewachsen. Für das erste wirkliche Fahrradbuch „Radeln zwischen Rhön und Haßberge“ hat er noch Anzeigen selbst gesammelt und das Layout in Word gesetzt, erzählt Heinke. „Ein Riesen-Aufwand damals.“ Sein insgesamt 21. Buch erschien vor einigen Wochen in Parzellers Buchverlag Fulda mit einer Auflage von 2000 Exemplaren.
„Klar gibt es eine Internet-Konkurrenz“, gibt der emsige Rhöner zu. Der begegnet er mit einem Trick nach Hausmacher Art. „Wer bei mir stimmig nachweist, dass er das Buch gekauft hat, bekommt von mir auch alle GPS-Daten per E-Mail!“ Das kann man in Zeiten von Outdoor Active und GPSies durchaus als kommod bezeichnen.
Buchtipp: Jochen Heinke,
„ins Land der Franken fahren“,
230 Seiten, Parzellers Buchverlag Fulda, 14 Euro, ISBN: 978-3-7900-0526-4