Der Traumjob war es nicht für Klaus Ullrich, auch wenn er nach 30 Jahren als Stadtkämmerer von Bad Neustadt beim Abschied in den Ruhestand zufrieden zurückblickt. Standesbeamter, das wäre es für ihn gewesen. „Das hätte mir Spaß gemacht“, sagt er. Und er wäre allen Versuchen politischer Einflussnahme aus dem Weg gegangen. „Bei einem Standesbeamten gibt es politisch nichts zu beeinflussen“, stellt Ullrich klar.
Respekt und Dankbarkeit
Er hat sich offenbar aber auch als Kämmerer ziemlich gut geschlagen und nicht politisch beeinflussen lassen. Wahrscheinlich gerade deswegen genießt er quer durch alle Fraktionen im Stadtrat Respekt. Sogar Dankbarkeit empfindet man ihm gegenüber, wie stellvertretende Bürgermeisterin Rita Rösch in der letzten Stadtratssitzung mit Klaus Ullrich sagte. Kein Wunder, der Mann übergibt sein Amt mit geordneten Finanzen. So, wie man es von ihm halt gewöhnt ist.
Schwierige Situation am Anfang
Mit Lorbeeren will er dafür nicht überhäuft werden. Denn ob es einer Stadt finanziell gut oder schlecht geht, das sieht Ullrich weniger als Verdienst des Kämmerers. Wenn keine entsprechenden Einnahmen zu verbuchen sind, lässt sich auch wenig bewegen, stellt er ganz sachlich fest. Wenn man allerdings zehn Millionen Euro an Gewerbesteuereinnahmen hat, weil sich Industrie und Gewerbe gut entwickeln, dann könne man entsprechend investieren.
Die Situation in Bad Neustadt war aber nicht immer so günstig wie heute, erinnert sich Ullrich. Gleich, als er 1987 die Leitung der Kämmerei übernahm, war ein Nachtragshaushalt nötig. „Um die Finanzen stand es damals nicht so gut.“ Für Entlastung sorgten Einschnitte wie die Schließung des defizitären Brender Hallenbads, der Verkauf des Schlachthofs oder die Übergabe des Rhön-Gymnasiums an den Landkreis, stellt Ullrich fest. Manche Entscheidung wurde heiß diskutiert im Stadtrat, aber nötig wie Ullrich findet.
Seither hat die Stadt kräftig investiert. „Wir haben Werte geschaffen“, sagt er nicht ohne Stolz und erinnert zum Beispiel an das Triamare, an die Stadthalle oder daran, dass praktisch alle Schulen der Stadt erweitert oder saniert sind. Spätestens da wird klar, wie wichtig ein guter Kämmerer ist, der hartnäckig bleibt und so Gelder über Zuschüsse und Förderungen besorgt, ohne die manches Projekt nie verwirklicht worden wäre.
Schon als Azubi bei der Stadt
Als Ullrich 1984 in die Kämmerei wechselte, da war er schon seit 14 Jahren bei der Stadt beschäftigt. Der einzige Arbeitgeber, den Ullrich jemals hatte. Denn nach der Realschule begann er seine Ausbildung bei der Stadt, war danach stellvertretender Standesbeamter und später im Hauptamt unter anderem für die Einführung der EDV verantwortlich und kam 1981 als Leiter in das Steueramt, bevor er in die Kämmerei wechselte. Interessant übrigens, als er damals deren Leitung übernahm, war eine Zeit lang Andreas Schlagmüller sein Stellvertreter. Der wechselte dann zu den Stadtwerken und wird nun Ullrichs Nachfolger als Chef der Kämmerei.
30 Jahre Chef der Kämmerei, das ist eine lange Zeit – eine Zeit mit vielen Änderungen. Damals, so erinnert sich Ullrich, standen in den Büros noch riesige Rechenmaschinen, heute sind die Schreibtische übersichtlicher mit einem Computer mit Flachbildschirm. Und auch die Menschen haben sich geändert. Früher kamen sie eher ein wenig nervös und ängstlich zur Finanzverwaltung. Widerspruch gegen Bescheide habe es nur selten gegeben. „Heute sehen wir die Bürger als Kunden“, und die seien heute auch eher geneigt, erst einmal Widerspruch zu erheben.
Psychische Belastung
Dass der Job des Kämmerers durchaus auch psychische Belastungen mit sich bringen kann, das war Ullrich bewusst. Dass aber dann der Fall eines betrügerischen Mannes in der Bauabteilung der Stadt über ihn hereinbrechen sollte, damit hatte Ullrich nicht gerechnet. „Das hat mir stark zugesetzt.“ Immerhin stand Ullrich damals eine Zeit lang selber unter Betrugsverdacht. Zu unrecht, wie sich herausstellte. „Woher sollten wir in der Kämmerei auch wissen, dass die geprüften Rechnungen nicht stimmten?“ Zu schaffen machte ihm damals die Haltung einiger Stadträte, „die politischen Nutzen daraus zu ziehen versuchten“.
Außerdem lernt man in solchen Situationen, wer die wirklichen Freunde sind, so Ullrich.
150 000 DM in der Tüte
Es gab natürlich auch andere Situationen und Zeiten. Spannende und schöne. Für Ullrich war das unter anderem die Grenzöffnung. Er erinnert sich noch genau, wie er damals 150 000 Mark von der Sparkasse in das Landratsamt trug für die Auszahlung des Begrüßungsgeldes. „Unvorstellbar eigentlich.“ Auch dass er damals in den neuen Bundesländern – zum Beispiel in der Partnerstadt Oberhof – dabei helfen konnte, eine funktionierende Verwaltung aufzubauen, daran denkt Ullrich gerne.
Abschied mit einem guten Gefühl
Jetzt am Ende des Arbeitslebens, beim Abschied vom Job des Stadtkämmerers, hat Ullrich ein gutes Gefühl. Er freut sich auf mehr Zeit mit der Familie, schließlich ist er erst Opa geworden. Haus Garten, Wandern – er hat keine Angst, die Zeit könnte ihm lang werden. Und dann ist da ja noch sein Hobby. Klaus Ullrich fährt gerne Roller. Lange war es eine Vespa. Inzwischen ist er auf ein größeres Gefährt umgestiegen. Eine 500er Aprilla. Immer noch italienisch, und immer noch ein Roller. „Die hat sogar einen Piaggio-Motor.“ Damit will Ullrich demnächst bis Schweden fahren. „Ich hab dann ja Zeit.“