In Deutschland gibt es 50.000 Orgeln. Aber nur rund 2.500 Menschen wissen, wie das hochkomplexe Musikinstrument gebaut wird. Zu den wenigen Experten zählt die jetzt unter dem Namen "Orgelbau Hoffmann & Schindler" firmierende Ostheimer Traditionswerkstatt. Gegründet anno 1848, feiert das renommierte Unternehmen 2023 jetzt sein 175-jähriges Bestehen.
Eine Orgel vereint in sich so vielfältige Klänge wie ein ganzes Orchester. Organisten brauchen beide Hände und Füße, nicht selten wird ihnen beim Spielen der Königin der Instrumente ordentlich warm. Orgelbaumeister Christoph Schindler liebt Herausforderungen. Er selbst, Sohn Dominik und die gesamte Belegschaft schwitzen meist lange, bevor der erste Ton erklingt. Warum? Das erklärte Schindler inmitten seiner Werkstatt am Prospekt (so heißt in Fachkreisen das äußere Erscheinungsbild) der Stertzing-Orgel aus dem Jahr 1697.
Im September 2022 wurde jenes sanierungsbedürftige Exponat behutsam aus der Kirche im thüringischen Berka/Werra ausgebaut und nach Ostheim transportiert. Seit Monaten versuchen die Experten, möglichst viele Originalteile zu erhalten, zu reparieren und wieder einzubauen. "Eine spannende Geschichte", lacht Christoph Schindler. Am 1. Advent soll das wertvolle Stück runderneuert und wohlbehalten zurück im Gotteshaus erklingen.
Wechselvolle Firmenhistorie
"Ich bin die 7. Generation", schmunzelt Tobias Hoffmann. Sein Beruf sei vielseitig, was schon bei den Materialien anfange, schwärmt er. Es brauche eine große Portion Geduld, viel Liebe zum Detail, Improvisationstalent und musikalisches Gehör. All das hat der 47-Jährige vermutlich von Vater Günter Hoffmann geerbt. Dieser wurde bei einem Festakt zum Jubiläum durch Michael Bissert, Präsident der Handwerkskammer Unterfranken, mit dem Goldenen Meisterbrief ausgezeichnet. Die Firmeninhaber Christoph und Dominik Schindler erhielten eine Ehrenurkunde zum 175-jährigen Bestehen.
Karina Werner gratulierte seitens der Stadt Ostheim. Ein Familienbetrieb bedeute Verantwortung; Zusammenhalt sei stets oberstes Gebot. Doch wenn das Klima stimme, könne man in der Gemeinschaft einiges erreichen, betonte die Zweite Bürgermeisterin und wünschte allen Verantwortlichen weiterhin viel Erfolg. "Das 200-jährige Jubiläum schaffen wir", versprach Dominik Schindler, der das Orgelbauhandwerk als Geduldsspiel bezeichnete.
Christoph Schindler ließ die wechselvolle Firmenhistorie Revue passieren. Damals war es der Weitsicht von Bürgermeister Christian Glock – selbst Organist - zu verdanken, dass sich Johann Georg Markert nicht Richtung Hessen orientierte, sondern im Heimatort niederließ. Die Werkstattgründung erfolgte nach dem Umbau der Döring-Orgel in der Stadtkirche St. Michael, der 1848 abgeschlossen wurde. 1886 übernahm Otto Reinhold Markert.
Rekonstruktion der Bachorgel
Während der Kriegsjahre wurden Orgelpfeifen eingeschmolzen und zu Munition umfunktioniert, erinnerte Schindler an ein düsteres Kapitel. Mit Beendigung des 2. Weltkrieges fiel der gesamte Thüringer Kundenkreis weg, neue Märkte mussten erschlossen werden. Aufgeben war keine Option. Mittlerweile hatten Louis und Otto Hoffmann das Ruder in der Hand, wobei letzterer den Betrieb ab 1965 alleine führte. Nach der Grenzöffnung freute es Otto Hoffmann besonders, dass viele alte Instrumente anhand sorgfältig aufbewahrter Originalunterlagen restauriert werden konnten.
Zwischen 1985 und März 2010 lenkten Horst und Günter Hoffmann die Geschicke. Neubauten entstanden, die Auftragsbücher waren voll. Man profilierte sich dank zahlreicher Restaurierungen bedeutender historischer Exponate, von der Fachleute noch heute schwärmen. Als besonderer Höhepunkt sei die Rekonstruktion der Arnstädter Bachorgel genannt. Im April 2010 ging der Betrieb in den Besitz von Günter Hoffmann und Intonateur Christoph Schindler über. Zum 1. Januar 2020 übertrug Hoffmann seinen Geschäftsanteil an Dominik Schindler, Orgelbauer und Bachelor of Engineering. Das nunmehr in 7. Generation bestehende Unternehmen setzt somit die über 400-jährige Orgelbautradition Ostheims fort.
Kleines, feines Konzert
Gibt es ein Erfolgsgeheimnis? Laut Christoph Schindler müsse man sich stets seiner Wurzeln besinnen, um aus langer Tradition heraus das zu tun, was man am besten kann. Nach dem offiziellen Teil verwöhnten Kontrabassist York Prüfer und Regionalkantor Peter Rottmann die Festgäste mit musikalischen Leckerbissen. Da der Himmel aufriss, kam zum "Grande Finale" die Open-Air-Orgel im Rahmen eines kleinen, aber feinen Konzerts zum Einsatz.