Fachleute der Bayerischen Landesanstalt für Wein und Gartenbau, Veitshöchheim, waren zu Gast beim Imkerverein Bad Königshofen und besichtigten das Bienenzentrum. Beeindruckt waren sie von den vielfältigen Aktivitäten des Vereins, vor allem von dem neuen Angebot Bienenstockluft- Therapie und Propolis-Verdampfung. Bei Kaffee und Kuchen ergab sich die Gelegenheit, mit dem Biologen Dr. Stefan Berg über das Thema Bienen- und Insektensterben zu sprechen.
Kaum noch Insekten, kaum noch Sechmetteringe
Die Fachleute sind alarmiert, die Medien greifen das Thema Insektensterben vielfach auf. Nicht nur die Bienen kämpfen ums Überleben, die gesamte Insektenvielfalt ist um mindestens 75 Prozent zurückgegangen. Wie Berg berichtet, gibt es inzwischen Langzeitstudien, die nachweisen, was jeder aufmerksame Autofahrer und Spaziergänger schon lange bemerkt hat: Kaum noch Insekten an der Windschutzscheibe, kaum noch Schmetterlinge und Libellen in der Natur.
Eine der Studien wurde kürzlich, am 18. Oktober 2017, im renommierten Wissenschaftsjournal „PLOS ONE“ unter dem Titel „More than 75 percent decline over 27 years in total flying insect biomass in protected areas“ veröffentlicht. Dafür wurden 1989 bis 2015 an über 60 Standorten in Deutschland wissenschaftliche Daten gesammelt und damit das ganze, für Fachleute erschreckende Ausmaß erstmals wissenschaftlich erfasst. Dass es sich nicht um ein örtlich begrenztes Problem handelt, zeigt eine zweite Studie aus England mit ähnlichen Ergebnissen.
Bienen brauchen bis Ende September Nahrung
„Die Insekten stehen am Anfang der Nahrungskette, als nächstes reduzieren sich die Singvögel drastisch“, bestätigt Berg. Den Unkrautvernichter Glyphosat, über dessen Zulassung nach einer erfolgten Verlängerung in diesen Tagen im EU-Parlament abgestimmt wird, sieht er nicht als alleinigen Verursacher. Es seien viele Faktoren, die sich summieren, so der Biologe, darunter auch der Flächenverbrauch.
Neonicotinoide, das sind Insektizide, die als Saatgutbeizmittel verwendet oder auf Pflanzen aufgesprüht werden können, verteilen sich in der ganzen Pflanze, vernichten kleine Insekten und werden beim Sammeln von Nektar und Pollen von den Bienen aufgenommen. Die Mittel wirken sich negativ auf das Lernvermögen und die Orientierungsfähigkeit der Bienen aus, dazu kommt eine schlechtere Überwinterungsfähigkeit.
Was kann man tun, um dem Artenschwund und dem Quantitätsrückgang entgegen zu wirken? „Es gibt zu wenig Blühpflanzen in der Natur, die Landwirte mähen ihre Wiesen so früh, dass keine Blüten- und Samenbildung erfolgen kann“, kritisiert Berg. Die Wiesen seien grün, aber nicht bunt, die Artenvielfalt geht zurück. Bienen brauchen bis Ende September Nahrung, um dann in die Winterruhe zu gehen, aber schon nach der Rapsernte gibt es in der Flur kaum noch Nahrung für sie. Dann berauben sich die Völker auch gegenseitig, berichtet Dr. Berg, dabei werden Krankheiten übertragen und die Varoa-Milbe kann sich noch mehr ausbreiten. Sind die in Rhön-Grabfeld ausgesäten Blühflächen mit den in Veitshöchheim entwickelten Blühmischungen (wir berichteten) eine Lösung? Das sei ein Schritt in die richtige Richtung, so der Biologe.
Es müsste aber noch mehr Flächen geben, die auch untereinander vernetzt sind.
Was das Insektensterben eindämmen könnte, wäre die Veränderung der Anbauweise in der Landwirtschaft, außerdem müsste sich das Einkaufsverhalten bei den Verbrauchern ändern und auch die Privatleute sollten ihre Gartengestaltung überdenken, so Dr. Berg. Blumenwiese statt grünem Zentimeterrasen wünscht er sich. Gerade jetzt zeigen sich die Auswirkungen des Verbraucherverhaltens: Die Erika-Pflanzen, die für Grab- und Balkonschmuck gekauft werden, sind so gezüchtet, dass sie Blüten treiben, die aber nicht aufgehen und deshalb für Insekten nicht zur Verfügung stehen. Man will eine lange blühende Pflanze haben, dem sind die Züchter nachgekommen.