Lesung ist das falsche Wort. Wenn Wladimir Kaminer auf der Bühne steht, hat er zwar Manuskripte in der Hand und selbstverständlich auch sein neues Buch "Die Kreuzfahrer", aber die amüsanten Texte sind nur die halbe Wahrheit. Die andere ist der Erfolgsautor und Entertainer selber.
Munter und mit hintergründigem Humor plaudert er von den kuriosen und urkomischen Dingen, die er so im Alltagsleben der Menschen im Allgemeinen und in der Familie im Besonderen beobachtet, und landet mit der Pointe ganz sicher einen Lacherfolg, nicht selten aber auch einen Volltreffer mitten hinein in problematische Phänomene. Nehmen wir nur den Blick auf die Familie, auf die Tochter, die studiert. Was in dem Fach wissenschaftlich behandelt wird, weiß keiner so genau, das soll auch ein Geheimnis bleiben. Für den Sohn ergibt sich nach dem Abi eine andere Situation. Er sucht sich und verharrt dafür zu Hause. Aber was will er zwischen Fernseher und Kühlschrank finden?
Bei Kaminers Generationenbeschreibung konnte die ganze Stadthalle im Chor mitsprechen: Da gibt es die Alten, die alles wollen und nichts mehr können, und die Jungen, die alles können und nichts wollen. Und mittendrin einer, der sich wunderte, dass er in 20-jähriger Lesetätigkeit erst mit seinem 25. Buch nach Bad Neustadt gekommen ist - Stadthallenmanagerin Petra Lettang machte es mit ihrer Einladung möglich. Sie sorgte auch dafür, dass der variable Saal mit Lampentischchen und geringerer Bestuhlung angenehme Leseatmosphäre verbreitete. Und die Sterne auf der Bühne funkelten mit Kaminers Geistesblitzen und Wortgewandtheit um die Wette.
Allerdings gab es einige, denen der russische Akzent des Autors etwas Verständnisschwierigkeiten bereitete. Aber die meisten hatten sich medial schon lange eingehört und verfolgten amüsiert, wie Kaminer die Ankunft syrischer Flüchtlinge in einem brandenburgischen Dorf beschrieb und die ungläubige Frage der Einheimischen stellte: "Ihr habt den Weg von Syrien hierher gefunden und wisst jetzt nicht, wie man zur Kaufhalle kommt?" (weil es weit und breit keine gibt).
Begeben wir uns noch kurz mit Kaminer auf Kreuzfahrt. Auf so einem Schiff herrscht oft große Langeweile, und wenn es dann regnet, braucht man eine 14-tägige Lesung und freut sich an den touristischen Begebenheiten auf Teneriffa oder in der Karibik, wo man bei viel Rum auch viele Brandenburger kennenlernt und vielleicht die philosophischen Qualitäten einer Eidechse entdeckt.