Zwei Künstlerinnen, die mit völlig unterschiedlichen Materialien arbeiten und in ihrem kreativen Schaffen dennoch Gemeinsamkeiten gefunden haben, luden am Sonntag zur Vernissage ins „Alte Gut“ nach Herbstadt ein: Christine Wehe Bamberger, Hausherrin im „Alten Gut“, arbeitet vorrangig mit Textilien, Edeltraud Klement aus Niedernberg bei Aschaffenburg gestaltet ihre Plastiken ausschließlich aus Keramik und Ton.
Auch wenn die beiden Frauen ihre künstlerischen Visionen auf verschiedene Weise umsetzen, sind sie doch eng verbunden durch die Themen, die ihnen am Herzen liegen: Die Ausdrucksmöglichkeiten, die der menschliche Körper bietet, ist die Inspirationsquelle für die Keramikerin. Den Körper betrachtet sie als Tempel und kreiert ihre Werke je nach Räumlichkeit und Stimmung. Da sind Zellen, die miteinander kommunizieren, Arme und Beine, die emporragen, mutige Formen, an Brüste erinnernde Schalen, die den Betrachter animieren, selbst Botschaften zu erkennen. Die Werke sollen auch Anstoß geben, nachzudenken, fügt Edeltraut Klement hinzu, vielleicht auch Ansporn, selbst kreativ zu werden. Faszinierend ist Klements Arbeitsweise: Sie verwendet verschiedene Brenntechniken, die ihren Kreationen ungewöhnliche Farbtönungen und Muster geben. Man spürt, sie experimentiert gerne und sucht nach neuen Wegen.
Die Werke sollen zum Nachdenken anregen
Im Mittelpunkt von Christine Bambergers Kreationen stehen Textilien, vorrangig Strumpfhosen aus Nylon. Die Künstlerin spannt diese Strumpfhosen je nach Räumlichkeit in verschiedene Richtungen und verstärkt sie am verletzlichen Teil, dem Zwickel, mit Perlen und Stickereien. „Frauen Europas“, nennt sich ihr Werk, das in der Scheune in Herbstadt einen zentralen Platz einnimmt. In dem Gewirr von schwarzen Strumpfhosen, die sehr effektvoll von der Decke bis an den Fußboden an neun Granitsteinen verankert sind, steht versteckt eine Frauenfigur.
Strumpfhosen, erläutert Wehe Bamberger, waren ursprünglich ein ausschließlich von Männern verwendetes Kleidungsstück, das erst im 20. Jahrhundert von Frauen getragen werden durfte. Sie waren lange Zeit sowohl in Westeuropa als auch hinter dem Eisernen Vorhang ein Luxusgut. Sie sind extrem elastisch, andererseits auch höchst empfindlich. Für Wehe Bamberger ist das ein Symbol für den Spagat, den Frauen in der modernen Welt schaffen müssen, zwischen der Rolle der Ernährerin und dem Traum der Selbstverwirklichung, auch in Bezug auf die Rollen der Osteuropäerinnen, die teils freiwillig in der Kranken- oder Altenpflege arbeiten, teils aber als Prostituierte ausgebeutet werden.
Strumpfhosen erst seit 20. Jahrhundert auch von Frauen getragen
Frauen stehen also im Mittelpunkt des Interesses beider Künstlerinnen, die sich vor 19 Jahren bei einem Symposion in Rumänien kennengelernt haben. Seither haben sie zahlreiche gemeinsame Ausstellungen gestaltet und sich in Würzburg in der Initiative KUSS, kurz für Kunst und Selbsthilfe im „Spitäle“, engagiert, in der Künstler mit Mitgliedern verschiedener Selbsthilfegruppen gemeinsam Projekte erarbeiten. Hier wünscht man sich, dass Menschen, die Probleme, sei es psychischer oder physischer Natur, in der Kreativität eine eigene Ausdrucksform finden, von der man sich auch eine lösende therapeutische Wirkung erhofft.
Neben aussagekräftigen Strumpfhosen- Kreationen erstellt Wehe Bamberger gerne Filzfiguren, die sie liebevoll „Mongen“ nennt. Angeregt dazu hat sie ein Musiker, der mit gesprochenen Silbenlauten die Künstler ermutigen wollte, die Schwingungen im eigenen Körper einwirken zu lassen. Im Gegensatz zu Klement, die die Körperformen als Inspirationsquelle nimmt, geht Wehe Bamberger durchaus mathematisch an die Umsetzung ihrer Ideen heran. Die Titel ihrer Kompositionen setzt sie in Zahlen um, und formt ihre „Mongen“ nach diesen Formeln.
Neben Körperformen auch Mathematik beteiligt
Die Ausstellung in der lichterfüllten Scheune des „Alten Guts“ in Herbstadt ist im August jeweils an den Sonntagen von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Unter Tel. (09761) 3970009 können nach Wunsch weitere Termine vereinbart werden.