„Es hat mir unheimlich viel Spaß gemacht, dass ich Ihnen das alles erzählen durfte!“, bekannte Helmut Will am Ende, doch den Spaß hatten auch seine Zuhörer im Café Art am Sonntagnachmittag. Und sie dankten dem Altbürgermeister ihrer Stadt mit viel Applaus für den Rückblick auf sein Leben als Mellrichstädter, Mitglied der Stadtverwaltung und Stadtoberhaupt.
Will war der erste Erzähler in der neuen Veranstaltungsreihe, die Brigitte Proß vom Verein „Aktives Mellrichstadt“ ins Leben gerufen hat. „Mein Leben als …“ hat sie die Reihe genannt. Dabei sollen, wie sie in ihrer Einführung erläuterte, Persönlichkeiten aus der Region von sich und ihren privaten wie professionellen Lebenserfahrungen erzählen und ihre Zuhörer Anteil haben lassen. Einmal pro Quartal soll dies im Café Art geschehen. Pross freute sich, dass sie mit Helmut Will gleich eine im Landkreis prominente Persönlichkeit gewinnen konnte.
Und dieser wusste einiges zu erzählen. Zunächst stellte er sich als „alten Mellrichstädter“ vor, beheimatet in seinem Elternhaus in der Bauerngasse. Zwei Kinder hat er, 65 Jahre ist er alt. Dass er einst Bürgermeister seiner Vaterstadt werden würde, hätte er sich nie träumen lassen. Sein Berufswunsch war Landwirt zu werden. Nach der Realschule bewarb er sich 1974 um eine Stelle als Lehrling bei der Stadt Mellrichstadt. Alfons Halbig war damals Bürgermeister. Als Mitarbeiter der Stadtverwaltung machte er Karriere: 1970 wurde er Stadtinspektor, übernahm später die Aufgabe als Leiter der Geschäftsstelle der 1975 gegründeten Verwaltungsgemeinschaft, trat in die CSU ein und kandidierte für das Bürgermeisteramt, das er von 1994 bis 2006 innehatte.
Was soll man erzählen?
Was er von sich erzählen soll, hat Will sich selbst gefragt. Lustiges? Ärgerliches? Was sollte er auslassen? Welche Akzente setzen? An Erzählstoff fehlte es ihm nicht. Im unterhaltsamen Plauderton, auch mitunter mit Selbstironie, erzählte er von seiner Zeit als „Stift“ und Inspektoranwärter, in der er Dienst- und Botengänge gehen musste, wo man ihm auch Schabernack spielte, für den er sich aber bei sich bietender Gelegenheit zu revanchieren wusste. Viehhändler musste er kontrollieren und eventuell betrügerische Absichten beim Wiegen der Tiere verhindern, Standgebühren beim Ferkelmarkt auf dem Marktplatz und später auf der Streuwiese kassieren. Schäbig fand er das Verhalten eines Viehhändlers, der keinen Finderlohn zahlen wollte, als eine ehrliche Bürgerin ihm seine vergessene Geldtasche mit über 3000 DM zurückgab. Offenbar zahlte Will selbst Lehrgeld, als er für die Baugenossenschaft im Auftrag des Bürgermeisters eine Bestätigung von der Sparkasse abholen sollte und er sich für diesen Auftrag nicht als genügend legitimiert beim Leiter der Sparkasse auswies. Gern erinnerte sich Will an die Fasenacht, wenn die Garden in der VG Station machten. Trauungen waren für ihn auch deswegen beliebt, weil die Hochzeiter der Verwaltung Zigarren, Wein und „Brötli“ als Dankeschön überließen. „Das war ein schöner Brauch, den könnte man heute mal wieder machen“, sagte Will schmunzelnd. Alles mögliche musste Will verrichten, unter anderem die Verwaltung des Parkfriedhofs. „Du bist der Jüngste“, sagte sein Bürgermeister zu ihm, „du lebst noch am längsten, also übernimmst du diesen Auftrag“. Eine Aufgabe war es, die Bürger der Stadt vor verschmutztem Trinkwasser zu warnen, wenn es nach Hochwasser verdorben war. Oder er musste gelegentlich selbst mit hinaus zur Meininger Landstraße, wenn die Mülldeponie sich wieder einmal entzündet hatte und fürchterlich stank. Landfahrer hatten sich wiederholt auf der Streuwiese niedergelassen, trotz Verbots, und waren nicht zum Verlassen des Geländes bewegen. Da half nur eine kräftige Gülle-Düngung auf der benachbarten Wiese, und über Nacht waren die Landfahrer verschwunden.
Will erinnerte sich auch an die großen Ereignisse in der Zeit seiner Tätigkeit, so auch an die Tage, als der Eiserne Vorhang fiel und die Besucher aus Thüringen in die Stadt strömten. Oskar Herbig, der damalige Bürgermeister, sei „mit Leib und Seele“ dabei gewesen, denn er hatte starke Bindungen nach Thüringen, wie Will mitteilte. Sein Amt als Bürgermeister habe ihm Spaß gemacht, und an die Zusammenarbeit mit dem Stadtrat erinnerte er sich mit Freude: Der Stadtrat habe stets über Fraktionen hinweg zusammengehalten. Einen kleinen Seitenhieb gestattete sich Will aber doch: Drei Damen aus dem Stadtrat schwatzten unbekümmert auch dann weiter, wenn er als Bürgermeister seine Rede unterbrochen hatte, um durch sein Schweigen die Aufmerksamkeit wieder herzustellen. Will erinnerte an den Erwerb der Bahnhofstraße durch den Landkreis, an die Eingemeindung von Roßrieth, an Dienstreisen nach München mit dem Zweck, Fördergelder von der Staatsregierung zu bekommen, an den Autobahnbau und die Frage, ob bei Mellrichstadt ein Autohof gebaut werden sollte. Viele Details aus seiner dreißigjährigen Arbeit wurden beleuchtet. Am Ende zitierte er seinen Amtsvorgänger Oskar Herbig: „Je länger du Bürgermeister bist, umso weniger Freunde, aber umso mehr Feinde wirst du haben.“ Das aber gilt allenfalls eingeschränkt, wenn überhaupt, für Helmut Will, denn seine Zuhörer lauschten seinen Erinnerungen mit großer Freude und Anteilnahme. Will ließ seine Erzählungen mit dem Gedicht von Peter Rosegger „Ein bisschen mehr Friede“ ausklingen, in dem er wohl eine Art von Zusammenfassung seiner eigenen Lebenserfahrungen sieht.