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BAD NEUSTADT
Harry Rauch sagt Neuscht adieu
Unnachahmlich: 61 Jahre lang schnitt Harry Rauch den Herren in seinem Salon in der Schuhmarktstraße die Haare.
Foto: Nerche-Wolf | Unnachahmlich: 61 Jahre lang schnitt Harry Rauch den Herren in seinem Salon in der Schuhmarktstraße die Haare.
Von unserer Mitarbeiterin Karin Nerche-Wolf
 |  aktualisiert: 11.11.2015 11:44 Uhr

Die Fifa-Millionen und Sepp Blatter, die Homo-Ehe – über alle aktuellen Themen sprechen Männer (man sagt, die tratschen doch eigentlich gar nicht) bei ihrem Friseur. Harry Rauch hält seit 61 Jahren mit seiner Kundschaft ein Schwätzchen, während Schere und Kamm den Haaren wieder die richtige Fasson geben. Nur noch im Juni besteht dazu in der Schuhmarktstraße 19 die Gelegenheit, dann zieht der Harry um in seinen seit 1975 bestehenden Salon in Hohenroth. Von sich aus hätte er diesen Schritt sicher nicht mehr getan, besondere Umstände haben ihn dazu bewogen.

Denn in der Schuhmarktstraßen-Kurve am Aufgang zum Zwinger wird man in wenigen Monaten nicht mehr lesen können, dass es hier mal ein Stuck- und Malergeschäft Michael Demling und die Bau- und Möbelschreinerei Peter Bulheller gab. Wenn der Bauausschuss in der nächsten Woche am Donnerstag, 11. Juni, grünes Licht gibt, werden die Altstadthäuschen Schuhmarktstraße 15,17, 19, 21 und Bauerngasse 44 voraussichtlich im September abgerissen und Hesselbach Wohnbau wird etwas Neues entstehen lassen. Die Konsequenz: Harry Rauch und die wenigen anderen Mieter wurden gebeten, das Areal Schuhmarktstraße bis Ende August zu räumen.

Daraufhin fasste Harry Rauch den Entschluss, nicht so lange zu warten, sondern seinen Rasierer und die Frisierumhänge gleich zu nehmen und nach Hohenroth in die Raiffeisenstraße 12 zu bringen. Dort steht er seiner Kundschaft ab 1. Juli zur Verfügung.

Der Abschied aus der Schuhmarktstraße fällt Harry Rauch nicht leicht, denn hier hat er fast sein ganzes Leben lang morgens den silbernen Teller, das Zunftwappen der Friseure, an den Ausleger gehängt, damit alle wussten: Der Harry ist da. Abends stieg Meister Rauch (den Titel erwarb er 1965 in Forchheim) wieder auf den Stuhl und legte damit seine Zunft schlafen. In den letzten Jahren fehlte dieses vertraute Zeichen, weil es beim 76-Jährigen mit dem Klettern nicht mehr so gut klappte.

Aber sein Handwerk, das beherrscht er immer noch aus dem Effeff. Zu seiner Kundschaft zählt er Prominenz aus Gegenwart und Vergangenheit, der Anstand gebietet es, nur Größen früherer Tage zu nennen. So ließ sich Bürgermeister Paul Goebels sein Haupthaar von Harry Rauch schneiden und hatte dabei bestimmt sein Ohr am Bürger, was der so zu den stadtpolitischen Themen meint.

Stolz ist Friseur Rauch darauf, dass auch Reinhold Vöth, früherer Intendant des Bayerischen Rundfunks, bei ihm auf dem Drehstuhl gesessen hat (Vöths Verwandtschaft lebte in Wülfershausen). Noch heute muss Harry Rauch herzlich lachen, wenn er daran denkt, dass selbst Weihbischof Alfons Kempf in seinem Salon um einen Haarschnitt bat. Harrys Freunde hatten ihn präpariert: „Wenn der kommt, dann musst Du den mit 'Seine Exzellenz' anreden.“ Der Weihbischof kam, legte Harry Rauch väterlich die Hand auf die Schulter und meinte nur: „Dich kenn ich doch“. Weil der Friseur in der Katholischen Jugend gewesen war, musste er nun nicht in Ehrfurcht erstarren.

Ein gutes Verhältnis pflegte Rauch über sechs Jahrzehnte lang zum bisherigen Hausbesitzer, zur Familie Bulheller, entsprechend haben beide Seiten nie einen Mietvertrag unterschrieben. Peter Bulhellers Vater Rudolf baute die Ladenschränke in die Wände ein und sorgte Anfang der Sechzigerjahre dafür, dass der Salon erweitert werden konnte. Einmal ist es passiert, dass ein Kunde im Friseur-Laden gestorben ist. Es war Anton Bulheller, der Großvater von Peter Bulheller, der auf der Wartebank saß und plötzlich tot umfiel.

In den Salon seines Vaters Ernst Rauch, der zunächst am Marktplatz und seit 1954 in der Schuhmarktstraße 19 beheimatet war, stieg Harry im selben Jahr nach seiner Lehre mit ein. Seither hat er liebenswerte Neuschter Geschichte geschrieben, die Fortsetzung beginnt am 1. Juli in Hohenroth. Dienstags bis samstags von 8.30 bis 12 Uhr und mittwochs und freitags von 14 bis 18 Uhr werden die Kunden von Harry Rauch persönlich bedient. Bei aller Wehmut gibt es auch etwas, auf das sich der Senior-Chef freut: Vor dem Salon in Hohenroth stehen ausreichend Parkplätze zur Verfügung.

Bald Geschichte: Für diese Häuserfront in der Schuhmarktstraße gibt es Neubaupläne, über die der nächste Bauausschuss beraten wird.
| Bald Geschichte: Für diese Häuserfront in der Schuhmarktstraße gibt es Neubaupläne, über die der nächste Bauausschuss beraten wird.
 
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