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WARGOLSHAUSEN/BAD NEUSTADT
Große Stars in die Provinz geholt
Legendäre Konzerte: In den 80er Jahren holte Lothar Büttner jede Menge bekannte Bands und Musiker, vor allem aus der damals angesagten Liedermacher-Szene, nach Wargolshausen und Bad Neustadt.
Hubert Herbert
Hubert Herbert
 |  aktualisiert: 05.11.2015 15:24 Uhr

Wenn ein Dorf keine Verrückten hat, dann geht das Dorf ein.“ Der Satz stammt von Lothar Büttner aus Wargolshausen. Und der weiß, dass er selber so ein Verrückter ist. So verrückt, dass er es in den 80er Jahren schaffte eine Konzertserie zu etablieren, die die ganz Großen des Showgeschäfts erst nach Wargolshausen und dann nach Bad Neustadt brachte: STS, Ludwig Hirsch, Reinhard Fendrich, Donovan, Haindling, Udo Jürgens – um einige zu nennen, die normalerweise Säle in großen Städten füllen.

Dabei fing alles mit einer alten Dreschmaschine an, erinnern sich Lothar und Ansgar Büttner, einer seiner Mitstreiter von damals. Die Dreschmaschine versperrte den Platz in einer Halle, die die WaKaGe für Faschingsvorbereitungen nutzen wollte. Wohin mit dem alten Gerät? Für Lothar und Ansgar Büttner war klar: verschrotten geht nicht. Könnte man nicht mit dem Ding einen Film drehen, wie das Dreschen früher vor sich ging? Die Idee war geboren, altes Dreschwerkzeug im Dorf zu finden, doch so ein Film muss finanziert werden. Bei dieser Frage kam der Pfarrgemeinderat ins Spiel, dessen Vorsitzender Lothar Büttner war. Ansgar Büttner saß ebenfalls im Gremium. Die beiden schafften es, das Gremium zu überzeugen, ein Dreschfest zu organisieren und mit dem Erlös den Film zu finanzieren. „Das hätte in die Hose gehen können“, sagt Lothar Büttner. Aber das Gegenteil war der Fall. Das Fest ohne Steaks und Bratwurst dafür mit Kobbeleskaas und Dröschwegg wurde ein Erfolg. Genauso wie der Film, für den BR-Studioleiter Franken, Martin Wagner, die Kommentare sprach. Wagner war auch der Moderator des Dreschfests. Damit war die Verbindung zum Bayerischen Rundfunk geknüpft. Lothar und Ansgar Büttner waren sogar in München-Freimann, um ihren Film über das Dreschen in der Rhön im BR vorzustellen. Da trafen sie Sängerin Joana. Und die sagt zu, zu einem Konzert nach Wargolshausen zu kommen, als sie Lothar Büttner ganz einfach danach fragte. Sie hielt ihr Versprechen und trat 1982 im voll besetzten Haus des Gastes auf.

Über Joana kam der Kontakt mit Charlie Scheibmaier zustande. „Das ist der Fritz Rau von Österreich“, sagt Lothar Büttner. Eigentlich hätte mit dem ein Konzert mit Rainhard Fendrich organisiert werden sollen. Fendrich war aber nicht frei. Scheibmaier schlug vor, Steinbäcker, Timisichl und Schiffkowitz, kurz STS, könnten in Wargolshausen auftreten. Und so kam es, dass die Band aus Österreich am 10. November 1985, in Wargolshausen zum ersten Mal „Fürstenfeld“ vor deutschem Publikum sang. Damals für eine Gage von 3500 D-Mark. Organisator des Konzerts war da schon der Verein Musik- und Kulturfreunde Wargolshausen, an dessen Spitze Lothar Bühner stand. Den drei Musikern gefiel es in Wargolshausen so gut, dass sie ein Jahr später erneut kamen. Später sogar noch einmal nach Bad Neustadt, ebenfalls auf Einladung von Lothar Büttner.

Von da an war man im Geschäft mit Charlie Scheibmaier und irgendwann auch mit Fritz Rau, dem großen deutschen Konzertveranstalter. Nach Konzerten mit Joana, STS, Fredl Fesl, Zupfgeigenhansl, Peter Horton, Hannes Wader und Stephan Wald war das Haus des Gastes zu klein. Die Konzerte zogen nach Bad Neustadt um. Die Namen der Künstler die Lothar Büttner in die Stadthalle holte, wurden klangvoller. Reinhard Fendrich, Spider Murphy Gang, Pur, Ludwig Hirsch, Purple Schulz, Haindling, Klaus Lage, Ralph McTell und Donovan, Hans Söllner, Bruno Jonas, Nana Mouskouri und Udo Jürgens sind Namen, die man sonst nur auf Konzertplakaten großer Städte liest. Dabei hat Lothar Büttner eine Erfahrung gemacht: „Je größer der Star, desto pflegeleichter.“

Bei all ihren Auftritten stand er immer hinter der Bühne, niemals im Zuschauerraum. Immer war er nervös, vielleicht mehr als die Künstler. Erst nach der Show fiel seine Anspannung ab. Dann kam er den Künstlern auch privat näher. Da hat der beispielsweise mit Hans-Jürgen Buchner von Haindling und mit dessen Musikern im Hotel einen gebechert, er war mit Reinhard Fendrich im Pinocchio. Bilder wurden viele gemacht, wie sich zu spät herausstellte leider ohne Film.

Sehr gut kann sich Lothar Bühner an den Auftritt von Udo Jürgens erinnern. Der hielt nach der Show Büttners damals zehn Jahre alten, schlafenden Sohn Christoph im Arm und sagte zu ihm: „Ihr seid schon Verrückte.“ Später beim Essen im Hotel „Schwan und Post“ bot ihm Udo das Du an. Ein Bild von Udo Jürgens mit Büttners Sohn Christoph gab es. Doch wie vieles aus dieser Zeit der Konzerte, ist es leider bei einem Brand zerstört worden, bedauert Lothar Büttner. Ein Gästebuch in dem sich all diese bekannten Künstler verewigt hatten, ging ebenfalls in Flammen auf.

Gern erinnert sich Büttner auch daran, wie damals sein Sohn Christoph ganz aufgeregt zu ihm gerannt kam und sagte: „Papa, da kommt grad STS auf Englisch im Radio“. Er hatte „Here comes the sun“ von den Beatles gehört, das STS auf deutsch singt: „Da kummt die Sunn“.

Zu Steinbäcker, Timischl und Schiffkowitz hat Lothar Büttner noch heute gute Beziehungen. Als die Österreicher auf ihrer Abschiedstournee voriges Jahr in Bamberg waren, hatte er VIP-Karten und traf die drei wieder. Gerne hätte er gehabt, dass STS auf der Abschiedstour noch einmal nach Wargolshausen gekommen wäre. Dass das nicht geklappt hat, findet er schade.

Immerhin hat Charlie Scheibmaier für adäquaten Ersatz gesorgt. Am 12. November tritt im Wargolshäuser Haus des Gastes „Solo zu viert“ auf. Eine Gruppe, die in ihrer Heimat Österreich sehr bekannt ist, in Deutschland noch nicht so sehr. So ähnlich war es damals ja auch bei STS. Und die Musik von Solo zu viert ist ähnlich. Ihr Plakat hängt jetzt jedenfalls auch in dem kleinen Raum neben der Wargolshäuser Bühne, in dem die alten Plakate von Joana, STS, Horton, Wader und all den anderen hängen.

Ob sie so etwas heute wieder machen würden? Wohl eher nicht, sagen Lothar und Ansgar Büttner. „Heute ist die Konkurrenz rundum zu groß. Überall ist etwas los. Das war früher nicht so.“ Außerdem war damals der Beweggrund für den Dreschmaschinenfilm und die Konzerte ein anderer. Kein finanzieller. „Es war halt so“, erklärt Ansgar Büttner, „dass damals Wargolshausen eingemeindet worden war, einen eigenen Pfarrer gab es auch nicht mehr. Da wollten wir die Chance wahrnehmen und etwas für das Selbstbewusstsein des Ortes tun. Wir wollten uns ein bisschen aufbäumen.“

Das hat damals und bis Anfang der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts offensichtlich auch ganz gut geklappt, wie zahlreiche gelungene Konzerte beweisen.

Haindling: Eins der wenigen erhaltenen Bilder von den großen Konzerten, die Lothar Büttner in den 80er Jahren organisierte. Haindling auf der Bühne der Bad Neustädter Stadthalle.Foto: Lothar Büttner
| Haindling: Eins der wenigen erhaltenen Bilder von den großen Konzerten, die Lothar Büttner in den 80er Jahren organisierte. Haindling auf der Bühne der Bad Neustädter Stadthalle.Foto: Lothar Büttner
Erinnerungen: Lothar (links) und Ansgar Büttner im Nebenraum der Bühne im Wargolshäuser Haus des Gastes. Alte Plakate erinnern an die Konzerte in den 80er Jahren.
Foto: Herbert | Erinnerungen: Lothar (links) und Ansgar Büttner im Nebenraum der Bühne im Wargolshäuser Haus des Gastes. Alte Plakate erinnern an die Konzerte in den 80er Jahren.
Zweimal zu Gast: STS gastierte 1985 und 1986 in Wargolshausen.
Foto: Hubert Herbert | Zweimal zu Gast: STS gastierte 1985 und 1986 in Wargolshausen.
Ludwig Hirsch trat mehrmals in Bad Neustadt auf.
Foto: H. Herbert | Ludwig Hirsch trat mehrmals in Bad Neustadt auf.
Joana war in Wargolshausen 1982 die Erste.
Foto: Herbert | Joana war in Wargolshausen 1982 die Erste.
 
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