Die Vorbereitungen der dritten Podiumsdiskussion anlässlich des 30. Jubiläums der Grenzöffnung laufen auf Hochtouren. Hierzu trafen sich kürzlich acht Zeitzeugen aus den Grenzkreisen Rhön-Grabfeld und Meiningen, teilt das Landratsamt Schmalkalden-Meiningen mit. Die Podiumsdiskussion ist am Mittwoch, 27. November 2019, unter Federführung des Kreisarchivs Schmalkalden-Meiningen geplant. Die Diskussion findet im Rahmen der Sonderausstellung „Wahnsinn-Wende-Wiedervereinigung – Aufbruch und Begegnungen in den Grenzkreisen Meiningen (Altkreis) und Rhön-Grabfeld“ statt, die das Kreisachiv seit Monaten plant.
Unter Leitung von Hanns Friedrich, Kulturreferent des Landkreises Rhön-Grabfeld, kam nach zwei vorangegangenen nun eine weitere Zeitzeugengruppe zusammen, um die Themen für die dritte Podiumsdiskussion im Rahmen der Ausstellung zu besprechen. Diese Diskussionsrunde steht unter dem Titel: „Die Grenze ist offen“ – Freudentaumel und Euphorie in Ost und West.
Welche Auswirkungen hatte die Grenzöffnung in beiden Landkreisen?
In Vorbereitung dieser Runde lag der Fokus für die Teilnehmer laut Mitteilung auf der Frage, welche Auswirkungen die Grenzöffnung in beiden Landkreisen hatte. Horst Strohbusch und Karl-Jürgen Amthor sowie ehemalige Bedienstete der DDR-Grenztruppen und des ehemaligen Volkspolizeikreisamts Meiningen sowie Gerhard Schätzlein aus Filke tauchten in interessante und spannende Erinnerungen in die Tage der Grenzöffnung im Wendeherbst 1989 ein.
Von Seiten des Roten Kreuzes waren Helmut Schuchardt aus dem Kreis Meiningen sowie Harald Schellenberger aus Mellrichstadt bereit, von ihren Begegnungen 1989/90 zu berichten. Bald entwickelten sich landkreisübergreifend erste Zusammenkünfte, wovon das Rote Kreuz im Kreis Meiningen maßgeblich profitierte. Eine herausragende Rolle nahmen dabei der ehemalige Landrat im Landkreis Rhön-Grabfeld, Fritz Steigerwald, und Adolf Saam, Kreisgeschäftsführer des Roten Kreuzes in Rhön-Grabfeld, ein.
Weiter berichtete Harald Schellenberger über die großen logistischen Herausforderungen zur Bewältigung des nicht endenden Besucherstromes von Bürgern aus Thüringen in Mellrichstadt. Nicht zu vergessen die unbeschreibliche Freude der Menschen, die sich in diesen Tagen begegnet waren. Spannend sind auch seine schriftlichen Chronikaufzeichnungen aus diesen Tagen, welche er in Kopie dem Kreisarchiv in Meiningen zur Archivierung übergab.
Chaotische Situation nach Bekanntgabe der Grenzöffnung
Uwe Reitzner berichtete aus der Sicht der Volkspolizei über die ungewissen Tage als Volkspolizist, denn Befehle und Weisungen seiner übergeordneten Dienststelle blieben aus. Weiter schilderte er die Autostaus von Meiningen Richtung Grenzübergangsstelle Henneberg/Eußenhausen, die er in den ersten Tagen der Grenzöffnung als Regulierer begleitet hat, sowie Erinnerungen an die Auszahlung des Begrüßungsgeldes.
Fritz Müller aus Meiningen erinnerte sich an die chaotische Situation nach Bekanntgabe der Grenzöffnung am 9. November 1989 als Diensthabender Offizier auf der Grenzübergangsstelle, die Öffnung zahlreicher weiterer kleiner Grenzübergänge sowie den Abbau der Grenzanlagen im Frühjahr 1990.
Wie erfolgten erste Kontakte zu den Nachbarlandkreisen?
Wie im November 1989 erste Kontakte zu den Nachbargemeinden nach Thüringen zustande kamen, darüber berichtete Gerhard Schätzlein, ehemaliger Lehrer und Bürgermeister in der Gemeinde Willmars. Initiativen mit dem Wunsch nach Begegnungen gingen oftmals von den Thüringer Nachbargemeinden aus, vor allem dort, wo alte verwandtschaftliche Beziehungen bestanden. Die ersten Schlagbäume öffneten sich um 4 Uhr in der Nacht vom 9. zum 10. November 1989.
Uwe Reitzner berichtete, dass bis Dezember 1989 weiterhin eine Kontrolle der Ausweispapiere erfolgte. Fortan fand das „Aufräumen“ in den Dienststellen der staatlichen Organe durch Überprüfung von Kontakten zum Ministerium für Staatssicherheit statt. So sollte er später erfahren, dass fünf Stasispitzel in seiner Position als Offizier auf ihn angesetzt waren.
Der Abbau der Grenzanlagen lief strikt nach Befehlen ab. Kontakte zur Grenzpolizei im Westen waren anfänglich von großem Misstrauen gekennzeichnet. Erste zwanglose Kontakte entwickelten sich vorerst „hinter den Kulissen“. Unmittelbar nach der Grenzöffnung gab es eine große Ungewissheit über die weitere Lebensplanung, so Uwe Reitzner. Zukunftsängste bestimmten bei unzähligen Bediensteten die Anfangssituation. Erst 1990 beruhigte sich die Lage.
Erinnerungen an die Auswirkung der Friedensgebete
Karl-Jürgen Amthor schließlich erläuterte seine Erlebnisse während der Friedensgebete in der Stadtkirche zu Meiningen. Er glaubte zuerst nicht an die Macht der unzähligen Kerzen, die nach den Friedensgebeten angezündet und von Demonstranten durch die Stadt getragen wurden. Ohne die Kraft der Friedensgebete wäre keine Wende möglich gewesen, glaubt er.