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Bad Neustadt
Glosse: Viechereien
Glosse: Viechereien
Andreas Müller
 |  aktualisiert: 10.03.2021 02:15 Uhr

In der Heimat hat sich die Beziehung zwischen Mensch und stummer Kreatur grundlegend gewandelt. Früher pflegte der Ureinwohner ein pragmatisches Verhältnis zum "Viechzeug". Kinder freuten sich auf den Schlachttag. Was für ein fröhliches Spektakel! Freilich nicht für alle Beteiligten. Aber die arme Sau war den Kindern buchstäblich "Wurst". Sie freuten sich auf fette Köstlichkeiten. Die älteren durften dem Metzger zur Hand gehen und das aufgefangen Blut umrühren. Für die Blutwurst!

Stellen Sie sich vor, man ließe Schulkinder heutzutage beim Schlachten zusehen! Die veganen "Heli-Muttis" würde glatt der Schlag treffen. Heute werden Tiere bei uns romantisch überhöht. Aber nicht alle! Nehmen Sie das Hausschwein. Ihm gesteht man in der modernen Massentierhaltung einen "Lebensraum" von 0,7 Quadratmetern zu. Sogar der Heilige Franziskus würde rot vor Zorn! Dafür karren Waidmänner*innen dem "darbenden Wild" tonnenweise Futter in den Wald, weil es ein bisschen geschneit hat. Dabei ist der Winter der letzte natürliche Feind von Überpopulationen.

Die Zahl der Wildunfälle steigt, die Landwirte fluchen und auf offiziellen "Wild-Verbiss-Karten" erscheint Rhön-Grabfeld seit Jahren dunkelrot. Aber unsere Jäger füttern! Sie leugnen den offensichtlichen "Überbesatz" und behaupten ohne jeden Beweis, Jogger und Landwirte wären schuld. Die reinste Verschwörungstheorie! Stellen Sie sich vor, in Venedig würde man Tauben füttern. Die gelten dort übrigens als "Luftratten". Sind Rehe "Waldratten"? Es zeugt von der hervorragenden Lobbyarbeit unserer Waidleute, dass die waldschädigende Winterfütterung nicht schon längst verboten wurde.

Kein Wunder: Die Hälfte der CSU-Granden sind selber Jäger. Sogar "Digi-Doro" geht auf die Pirsch. In Deckung! Gott sei Dank wird jetzt das Bundesjagdgesetz novelliert. Das alte stammt in Teilen noch von "neunzehnhunderthakenkreuz".

Noch absurder tritt unser schizoides Verhältnis zu Tieren beim Biber zutage. Die streng geschützten Baumschädlinge vermehren sich wie die Karnickel. Man braucht sich nur in den Saaleauen umzuschauen: Überall um- und angenagte Bäume! Die vernunftlosen Viecher versuchen um unser schönes Industriestädtchen "natürliche Lebensräume" zu schaffen. In Sibirien wäre das kein Problem. Nur Biberbeauftragte freuen sich noch über die "putzigen Nager". Dafür verschleppen Tierfreunde verkrüppelte Straßenhunde aus Rumänien zu uns, die dort unter den derben Streichen der Straßenkinder leiden.

Beim Wolf dagegen hört der Spaß auf! Was für ein Gedöhns wird da um ein Kälbchen veranstaltet, das in Unterleichtersbach angeblich vom bösen, bösen Wolf gefressen wurde. Gibt es in der Rhön überhaupt Wölfe? Der verwackelte "Bildbeweis" einer Foto-Falle zeigt etwas, das an einen fürchterlich verkreuzten Schäferhund-Mischling erinnert. Und selbst wenn es ein Wolf wäre: Bevorzugen die Rudeljäger nicht schwache, kranke Beutetiere? Na also! Vielleicht litt das arme Kälbchen ja an einer Vorerkrankung. Geschlachtet worden wäre es sowieso.

Obwohl sich unsere Gesellschaft längst von der Natur entfremdet hat, haftet Tieren bis heute etwas Mystisches an. In einem YouTube-Filmchen zum viel beachteten Lichtmess-Umzug von Jüchsen war ein Narr auf einem fahlen Gaul zu erkennen. Den rechten Arm zum Gruß gestreckt, ritt er gen Westen. Ein Bild von hoher Symbolkraft. Obwohl er keine Gesichtsmaske trug, war er kostümiert: Der vierte apokalyptische Reiter - die Pest. Lustig!

Dem "Ossi" gehört glatt der "Orden wider den tierischen Ernst" verliehen. Und die "Wessis"? Humorlos wie immer. Einige forderten allen Ernstes die Wiedererrichtung des "anti-infektiösen innerdeutschen Schutzwalls". Man muss sich das vorstellen.

 
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