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Bad Neustadt
Glosse: Sünden
Glosse: Sünden
Andreas Müller
 |  aktualisiert: 02.08.2020 02:10 Uhr

Das Verhältnis der Konfessionen war in der Heimat früher von großer Direktheit geprägt. So erinnerte die Heimatzeitung kürzlich an eine Provinzposse, die im Jahr 1960 deutschlandweit für Aufsehen sorgte. Bei den Kommunalwahlen wurde damals im tiefschwarzen Haßfurt der SPD-Kandidat Alfons Schwanzar zum zweiten Bürgermeister gewählt. Ein Skandal! Aber es kam noch besser: Der Vize heiratete nämlich eine "Protestantische" und wandte sich wohl unter ihrem ketzerischen Einfluss vom "einzig seligmachenden Glauben" ab. Er konvertierte zur "Konkurrenz". Eine Provokation!

Nur zu verständlich, dass der damaligen Stadtpfarrer Wilhelm Zirkelbach von heiligem Zorn erfasst wurde. Der streitbare Gottesmann, der als CSU-Kandidat in den Kreistag gewählt worden war, ließ daraufhin kurzerhand sämtliche Prozessionen ausfallen und die Kirchenglocken nicht mehr läuten. Dafür wurde er vom Bamberger Bischof einbestellt und strafversetzt. Wohin? Nach Bad Kissingen. Brutal! Seiner Karriere schadete es nicht: Ab 1980 durfte man ihn "Monsignore" nennen.

Wer hätte sich damals träumen lassen, dass die Kirchen binnen weniger Jahre derartig an Macht und Einfluss verlieren würden? Auch in der Heimat gehören Kirchenaustritte mittlerweile zum Alltag. Kein Wunder, dass Pfarrer sich heute nicht mehr trauen, ihren Schäfchen die Leviten zu lesen. Um nicht noch die letzten Kirchgänger zu vergraulen, wird vieles "weichgespült". Begriffe wie "Hölle", "Strafe" oder "Sünde" kommen in Predigten praktisch nicht mehr vor.

Stellen Sie sich vor, ein Pfarrer würden Gläubige damit konfrontieren, dass Geiz in Wahrheit gar nicht "geil" ist, sondern nur eine erbärmliche Todsünde. Und wie würden Käufer von Billigfleisch wohl reagieren, wenn sie im Rahmen einer Strafpredigt erführen, dass sie sich an der Schöpfung und der Menschheit versündigen, was genaugenommen ja stimmt?

Papst Franziskus traut sich das! Jeder kann es in seiner Umwelt-Enzyklika nachlesen. Und hat er nicht Recht? Wir sind alle Sünder! Am offensichtlichsten manifestiert sich diese Tatsache wohl in den zahllosen Bausünden, die das Erscheinungsbild unseres schönen Industriestädtchens prägen. Alte Gebäude mit Flair werden abgerissen und durch gesichtslose Klötze ersetzt. Die lassen sich in zwei Klassen gliedern: Den Subtyp A mit scharfen Kanten und den Subtyp B mit abgerundeten Kanten. Zum Subtyp A zählt beispielsweise der "Pappophag", ein monströses Pappkartonlager, zum Subtyp B das neue Jopp-Gebäude.

Sogar die Kirchen freveln, wobei sich die Protestanten besonders sündhaft gebärden. Musste man denn unbedingt - gewissermaßen mit dem Schuhlöffel - einen nichtssagenden Glaskasten in den schönen Umgriff der Christuskirche quetschen? Das luftige Ensemble von Natursteinfassaden, Grünflächen und altem Baumbestand ist futsch. Ein für alle Mal! Daran ändert auch blumiges "Architektensprech" von "lichtdurchfluteter Offenheit" nichts. Die Zahl der Kirchenaustritte steigt, aber man braucht ein neues Gemeindezentrum. Typisch!

Aber noch schlimmer traf es Hammelburg. Auch dort wollten die "Lutherischen" vor ein paar Jahren eine Art "Gemeindehaus-Kiste" direkt an die Natursteinfassade von St. Michael kleben. Die wunderschöne Kirche wurde in den 1960ern nach Plänen des Stararchitekten Olaf Andreas Gulbransson errichtet. Das Amt für Denkmalschutz intervenierte. Allerdings mit mäßigem Erfolg: Der Anbau musste um 70 Zentimeter (!) von der Kirche abrücken.

Liebe evangelische Brüder und Schwestern - Ökumene hin oder her - lasst euch eines gesagt sein: Wir Katholiken glauben, dass Sünden nur dann straffrei bleiben, wenn man sie bereut. Besonders Bausünden. Man muss sich das vorstellen!

 
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