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Bad Neustadt
Glosse: Mobile Endlager
Glosse: Mobile Endlager
Foto: Annette Päsler
Andreas Müller
 |  aktualisiert: 27.10.2020 02:17 Uhr

"Geben ist seliger als nehmen", hieß es früher in der Heimat. Das ist lange her. Heute tuschelt man über uns. Wozu lange darum herumreden: Wir gelten als "Nein-Sager", ja als "Drückeberger". Jawohl! In den letzten Jahren haben sich unsere Granden vor jeder Verantwortung für die Zukunft gedrückt. Ob Windkraft, SuedLink oder Nationalpark: Immer hieß es "Nein!". Bei uns nicht. Und die Ausrede, dass die Granden der Nachbarlandkreise, Wilhelm Schneider (CSU) und Thomas Bold (CSU), genauso ticken, macht die Sache auch nicht besser.

Woher kommt dieser "St. Florian-Reflex"? Warum die Verantwortung immer abwälzen? Psychologisch ist die Sache klar: Die deutsche Teilung bewirkte in den Köpfen einiger "Zonenrändler" die Ausbildung eines "Opfer-Syndroms". Wir haben genug gelitten. Vielleicht mehr als die "Ossis"! Wir fühlen uns benachteiligt. Immer! Die "Zonenrandförderung" verstärkte dieses Gefühl noch. Sogar unsere Granden entwickelten eine "Nehmer-Haltung": Immer nur Zuschüsse fordern.

Obwohl die Wiedervereinigung schon fast wieder vergessen ist, hat sich daran nichts geändert. Heute bietet sich die Gelegenheit, unserem Vaterland etwas zurückzugeben. Gesucht wird nämlich der Standort für ein Atom-Endlager. Händeringend! Warum melden wir uns nicht freiwillig? Natürlich! Es wäre nur recht und billig. Schließlich haben wir jahrzehntelang vom klimafreundlichen Atomstrom aus Grafenrheinfeld profitiert. Die Standort-Voraussetzungen erfüllen wir. Ist unser Landkreis etwa nicht dünn besiedelt; ist er nicht niederschlagsarm? Na also.

Sicher, die Geologie. Aber was bedeutet die schon? Hinter vorgehaltener Hand sprechen Fachleute längst aus, was ohnehin alle wissen: Es gibt keine geologischen Formation mit "Millionen-Jahre-Garantie". Zum Vergleich: Die Cheops-Pyramide ist gerade einmal 4600 Jahre alt. Kein Bauwerk hält eine Million Jahre. Auch nicht unter der Erde. Bester Beweis: Das Forschungsbergwerk "Asse II" in Niedersachsen. Dort hat man in den 1970er-Jahren radioaktiven Müll verscharrt. Hochkarätige "Experten" bescheinigten damals die geologische Eignung. Und zwar für Jahrmillionen.

Vier Jahre später sickerte aus der Grubensohle eine radioaktiv verseuchte Brühe. Jetzt muss alles wieder nach oben. Natürlich unter strengsten Sicherheitsauflagen, was den Steuerzahler 6 Milliarden kosten wird. Mindestens. Was mit dem krebserzeugenden Zeug geschehen soll? Ab nach Russland! Asse II – das mobile Endlager. Noch in 5000 Jahren – wenn es dann noch Menschen gibt - wird man sich daran erinnern, wie eine achtsame Generation unter der Ägide der Atom-Partei CSU einmal für kurze Zeit "Billigstrom" produziert hat.

Nein, die Geologie ist völlig "wurscht". Irgendwelche Salzstöcke finden sich zur Not immer. Wichtig ist die Akzeptanz. Das "Endlager Rhön" wäre eine gigantische Chance. Tausende von High-Tech-Arbeitsplätzen würden in der Region entstehen. Und sie wären sicher. Millionen Jahre lang. Im Gegensatz zum Campus würde das "elag-rhoen" ja sogar Gewerbesteuer abführen. Wer weiß in hundert Jahren noch etwas über eine "Rhön-Klinikum AG"? Und was wird aus unserem schönen Industriestädtchen, wenn die glorreiche Ära des Automobils demnächst zu Ende geht?

Wir dürfen die Gelegenheit nicht wieder verschnarchen, wie beim Nationalpark! Und wir müssen endlich unsere bequeme "Nehmer-Haltung" überwinden. "Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann - fragt, was ihr für euer Land tun könnt!", forderte John F. Kennedy in seiner Antrittsrede. Ein paar Historiker behaupten, Kennedy hätte diesen Satz nur abgekupfert. Der Urheber sei in Wahrheit ein anderer gewesen. Ein ganz anderer: Josef Stalin. Man muss sich das vorstellen.

 
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