Die elfte Auflage des Weideabtriebs in dem kleinen Rhönort Ginolfs lockte am dritten Oktoberwochenende wieder zahlreiche Zuschauer in die Rhön. Und es war ein einzigartiges, beeindruckendes Bild, das sich den mehr als 3000 Besuchern bot: Es galt, insgesamt weit über 1500 Tiere, die den Sommer auf den Weiden der Hochrhön verbrachten, ins Tal hinab zu führen. Ein Spektakel, das sich viele nicht entgehen lassen wollten.
Auch wenn man nach elf Jahren Weideabtrieb doch auf eine gewisse Routine zurückgreifen kann, stand die Anspannung den Herdenbesitzern ins Gesicht geschrieben, als sie auf dem Berg auf den Startschuss warten. „Es ist immer etwas aufregend“, gibt Andreas Omert zu, der jedoch die geschmückte Kuh Sandra seit eh und je fest im Griff hat. Angesichts der Menschenmenge, die unten wartet, weiß man nie, wie sich die Tiere verhalten. Ein bellender Hund am Rand könne bei den Tieren schnell zu unvorhergesehenen Reaktionen führen. Junge, unerfahrene Tiere neigen auch gern zu Übermut.
Gut gelaunter Landrat
Alle Aufregung vorher war jedoch zumindest beim diesjährigen Abtrieb der Rinderherde der Familie Manger überflüssig. Hatten die Abtrieb-Helfer im letzten Jahr alle Hände voll zu tun, die Kühe in Schach und bei normalem Tempo zu halten, verhielten sie sich dieses Jahr so ruhig wie noch nie. Angeführt von den geschmückten Kühen Sandra und Franziska lief die 35 Kühe starke Rinderherde seelenruhig ins Tal. Landrat Thomas Habermann, der die Herde an der Seite von Nadine Manger sichtlich gut gelaunt begleitete, konnte auf dem Weg nach unten sogar den einen oder anderen in der Wiese sprießenden Pilz ausfindig machen und entsprechende Zubereitungstipps geben. Sicherlich ein Verdienst einiger erfahrener Leitkühe in der Herde, die schon seit vielen Jahren beim jährlichen Weideabtrieb mit dabei sind.
Josef Kolb war es, der vor genau 35 Jahren zusammen mit dem Bund Naturschutz das Projekt Rhönschaf gegründet und eine Rhönschafherde in Ginolfs übernommen hat. Seitdem gibt es in der Rhön wieder Rhönschafe. Eine Erfolgsgeschichte, für die es Pioniergeist benötigte. Entsprechend ließ er es sich in diesem Jahr auch nicht nehmen, seine 500 Tiere starke Rhönschafherde persönlich nach unten zu führen. Das Jahr über ist die meiste Zeit sein angestellter Schäfer bei der Herde. Noch dazu ein neuer Hund. „Wir sind froh, wenn wir unten angekommen sind“, gab er vor dem Abtrieb zu. Letztlich gelang es Kolb die „prima Herde“ problemlos ins Tal zu führen. „Das lag an meiner Frau Zita, die uns begleitet hat. Wenn sie dabei ist, spuren sie alle“, freute sich Kolb.
Winnetou und Schafe
Schwieriger hatte es da schon Schäfer Julian Schulz von der Weidegemeinschaft Rhönschaf. Über 1000 Schafe sollten den Leitenberg hinunterziehen. Das Gras an der Bergkuppe war jedoch anscheinend etwas saftiger, sodass er mit Unterstützung von Viktor Schuhmacher und den fleißigen Herdenhunden noch eine Ehrenrunde drehen musste. Sein Liedwunsch „Across the Mountains“ zum Abtrieb ging zunächst ins Leere, die „Winnetou“-Melodie gefiel den Schafen dann aber schon viel besser. Der traumhafte romantische Anblick, den das Publikum genießen durfte, als die riesige Schafsherde über den Leitenberg nach unten zog, sorgte für viel Begeisterung.
Bis auf ein ganz kurzes Stocken hatte Sven Breunig mit seiner 130 Tiere zählenden Ziegenherde diesmal keinerlei Probleme auf dem Weg ins Tal. Staunende Blicke ernteten die Ziegen vom Publikum. „Das macht alles einen so richtig stolz“, erklärte der Naturliebhaber und Herdenbesitzer. Mit Unterstützung der ganzen Familie, insbesondere von Vater Günther, hält Sven Breunig mit Leidenschaft seine Ziegen auf der Rhön. Dieses Herzblut war der Familie Janz ebenfalls ins Gesicht geschrieben, als sie zum feierlichen Abschluss des diesjährigen Weideabtriebs ihre Alpakas zu lateinamerikanischer Musik von der Koppel unter lautstarkem Applaus herunterführte.
Schafscheren und Musik
Im Tal ließen sich die Besucher die regionalen Gerichte vom Gelben Frankenvieh und Rhönschaf schmecken, sie durften das Gewicht eines Zuchtbocks schätzen, sich musikalisch von der Musikkapelle Sondernau und den Original Ginolfser Dorfmusikanten verwöhnen lassen, dem Schafscherer über die Schulter schauen und beim Bauernmarkt die regionalen Spezialitäten entdecken. „Das Thema Regionales Einkaufen wollen wir mithilfe dieser Veranstaltung in den Fokus stellen“, so Herdenbesitzer Peter Schrenk, der gekonnt und kurzweilig durch das Programm des gesamten Weideabtriebs geführt hatte.