Im ganzen Haus wurden Stühle geholt, um keinen der 61 Besucher abzuweisen. Dass der Zuspruch nicht alleine am Thema lag, stelle Christiane Müller fest: "Der Abend ist etwas ganz besonders, wird doch der Vortragende selbst zum Thema. Als wir 2014 ersten Anlauf nahmen, den Vortrag in die Propstei zu holen, ahnten wir nicht, dass es zehn Jahre dauern würde, Gerhard Schätzlein zu gewinnen. Keiner konnte die Aktualität ahnen, wenn heute eine allgemeine Dienstpflicht diskutiert wird, Ziel "Kriegsfähigkeit"?
Mit Gerhard Schätzlein ist ein Prototyp des "Schullehrers" zu Gast, der neben der Bildungsarbeit immer auch ehrenamtlich in Politik und Sport tätig war. Im Ruhestand begann eine zweite Karriere als Autor und Forscher. Müller weiter: "Eudaimonia". "Mit Gerhard Schätzlein sehen Sie einen Menschen, der im antiken Sinne auf ein 'geglücktes Leben' zurückschaut. Sinnhaftes Leben- Ausnutzen der Gaben und Fähigkeiten zu Gunsten des Gemeinwesens."
In diesem Sinne hielt GS seinen bekannten Vortrag über den RAD in der Rhön, um dann speziell auf das Wechterswinkler Lager einzugehen, immer bemüht die allzu heile Landidylle in den Kontext des totalitären Staates einzubinden. So war die Spanne groß, zwischen den Arbeitsmaiden die auf den umliegenden Höfen halfen und dem Schicksal von Klaus Britz der 1938 in der Propstei verhaftet und 1944 im KZ Buchenwald erschossen wurde. In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass das aufgeklärte Publikum genau diese Breite des Vortrags gesucht hatte, um Lehren für die Gegenwart zu ziehen.
Unerwarteter Höhepunkt des Abends war die Vorstellung eines Schatzes. Nach Aufrufen in der Presse, war tags zuvor ein bebildertes Tagebuch aufgetaucht, in dem haarklein der Arbeitsablauf im Wechterswinkler Lager beschrieben wurde. Mit dem Glück des Tüchtigen konnte Gerhard Schätzlein dieses einmalige historische Dokument der Öffentlichkeit vorstellen. Auch hier lag trivialer Alltag und totaler Krieg nur Nebensätze auseinander. So wurde niedergeschrieben, dass die Bauern in Wollbach und Unsleben die Maiden "Siezten" und in der Rhön "ab Bastheim" geduzt wurde. Später die Sichtung von 300 Bombern über Unsleben, die Schweinfurt den Untergang brachten.
Von: Klaus Dippel (Gesellschafter, Propstei Wechterswinkel)