Wenn die Tageszeitung wahre Kunstwerke entstehen lässt, dann steckt jede Menge Leidenschaft dahinter. Zumindest bei dem 86-jährigen Sälzer Gerhard Reichert, dessen Talent zur Aquarellmalerei vor drei Jahren neu entflammte. "Kann man altersbedingt nicht mehr zu den Motiven, dann kommen sie mit dem Zeitungsausträger frisch ins Haus", sagt er.
Gerhard Reichert aus dem Sälzer Saaleblick hat neben seiner Familie drei große Leidenschaften. Er liebte das Skifahren und stand mit vier Jahren zum ersten Mal auf den Brettern des Winterglücks. Irgendwann musste er aus gesundheitlichen Gründen der Piste "Ade" sagen.
Seine zweite große Leidenschaft galt dem Modellbau und der Fliegerei mit den eigens angefertigten Himmelsstürmern und auch diese Liebe kam ins Hintertreffen. Denn Autofahren wird für Reichert altersbedingt immer anstrengender und so erledigt er nur noch das Nötigte damit, zum Beispiel das Einkaufen, erzählt der Senior, der 1936 im Sudetenland das Licht der Welt erblickte.
Von dort über Reyersbach, Bastheim und Bad Neustadt und einer arbeitsbedingten Zeit in Coburg kam Gerhard Reichert mit seiner Frau Jutta, die er 1959 heiratete, 1969 nach Salz. Dort wurde ihr Traum vom Eigenheim im Saaleblick real.
Er arbeitete bei Siemens, studierte in Hessen Elektrotechnik und dann ging es wieder in das Bad Neustädter Siemenswerk. An die Arbeitsstelle, wo er auch seine Frau Jutta kennen gelernt hatte. Eine waschechte Berlinerin. 1990 ging er dann in den Vorruhestand und somit wäre viel Zeit für Hobbys gewesen. Doch die Gesundheit spielte immer weniger mit. Wenn die Knochen nicht mehr so mitmachen, bekommen andere Talente wieder eine neue Chance.
Gerhard Reichert liebte schon als Kind das Malen und in den 70er Jahren besuchte er Aquarell-Kurse der Volkshochschule in Bad Neustadt, wo er seine Begabung vertiefte. Vor drei Jahren wurden der Aquarellkasten und ein Pinselset wieder heraus gekramt. Groß draus nach Motiven suchen, das geht nicht mehr. Er liebte die Winterlandschaften und verschneite Rhöndörfer in seiner Skifahrer Zeit. Durch seinen Modellflugsport kam er durch so manch schmuckes Örtchen im Rhöner Land und die Liebe zu seiner Wahlheimat steckt noch tief in ihm.
So stöbert er jetzt in seiner Heimatzeitung oder Werbeheften der Rhön nach Motiven. Der Essbereich der Wohnung wird dann für eine Zeit zum kleinen Atelier. "Beim Malen tut mir nichts weh, ich kann sitzen und kann immer wieder ganz individuell eine Pause einlegen", so der Künstler. Über 35 Werke zieren jetzt schon das Treppenhaus und jede Menge tolle Aquarelle schlummern in einer Mappe.
"Meine Ausstellungsfläche ist zu klein" merkte er mit einem Lächeln im Gesicht an. Es ist eine persönliche Präsentation, die zum Träumen einlädt. Zum Träumen von Orten, die er mit seiner Frau im realen Leben wohl so nicht mehr sehen wird und von der Liebe zu der Rhön und dem Grabfeld. Die Rhön- und Saalepost liest er seit über 50 Jahren. Sie ist für ihn ein besonderer Brückenschlag in die Welt.