"Kassiererin", "Öffnungzeiten", der Unterschied zwischen "Freitags" und "Feiertags", von allerlei schwierigen Kuppelwörtern ganz zu schweigen. Für Nicht-Muttersprachler ist es häufig nicht gerade leicht, Deutsch zu lernen. Diese Erfahrung macht auch Cynthia, die vor einigen Monaten aus Nigeria nach Deutschland gekommen ist und in der Gemeinschafts-Unterkunft im ehemaligen Burgwallbacher Gasthof "Waldesruh" lebt. Umso glücklicher ist die junge Frau, dass es Menschen wie den 15-jährigen Jonas Vogel gibt. Denn er ist eines der Mitglieder des Helferkreises für die Flüchtlinge und unterstützt Cynthia und die anderen Bewohner dabei, die Tücken der deutschen Sprache zu bewältigen, indem er ihnen ehrenamtlich in englischer Sprache Deutschunterricht erteilt.
Jonas Vogel und seine Oma Ingrid Reichert gehören von Anfang an zum 2016 gegründeten Helferkreis für die Burgwallbacher Flüchtlinge. Jonas hat neben dem Sprachunterricht etwa auch schon, als in der Unterkunft noch ältere Kinder lebten, beim Einkaufen von Schulmaterialien oder den Hausaufgaben geholfen. Ingrid Reichert organisiert zusätzlich zum Beispiel auch Fahrten zu Ärzten für die derzeit in der Unterkunft lebenden 19 Erwachsenen - alle unter 30 Jahre alt - und die zehn Kinder zwischen wenigen Wochen und 13 Monaten.
Unterricht am lebenden Objekt
Reichert nimmt sich einen Teil der wissbegierigen Bewohner der Unterkunft vor. Es geht an diesem Tag unter anderem um den Unterschied zwischen "ch" und "ck". Jonas Vogel holt ein speziell für den Deutschunterricht mit Asyl-Bewerbern konzipiertes Arbeitsheft heraus und übt mit Cynthia, die ihren sieben Monate alten Sohn André auf dem Arm trägt. Den Asylbewerbern scheint das Lernen Spaß zu machen. Geduldig sprechen sie Sätze nach oder lassen sich deutsche Wörter wie "Babywindel" erklären. Wenn es sein muss auch einmal mit Händen und Füßen. Oder gleich am lebenden Objekt - dem eigenen Kind. "Ah, Pampers!", ruft Cynthia - und hat ihrem Wortschatz wieder ein neues deutsches Wort hinzugefügt. Der Sprachunterricht durch die Ehrenamtlichen gefällt ihr gut ("I like it"), sie ist wie die anderen froh, etwas lernen zu können.
Für die Unterstützung durch den Helferkreis scheinen die Asyl-Suchenden sehr dankbar zu sein. Dies zeigt sich darin, dass sie Jonas Vogel und seine Oma zu Beginn der wöchentlichen Deutschkurs-Einheit geradezu stürmisch begrüßen. "Hallo, Mama", rufen sie an Ingrid Reichert gewandt und umarmen die beiden Ehrenamtlichen. Positiv für die Asyl-Bewerber, welche aus Nigeria und Somalia nach Deutschland gekommen sind, ist auch, dass sie durch den Sprachunterricht etwas Abwechslung in ihrem manchmal doch tristen Alltag erhalten. Denn alle in der Unterkunft Lebenden befinden sich auf der Durchreise, das heißt, sie müssen warten, bis über ihren Asylantrag entschieden ist. Bei einem positiven Bescheid ist es möglich, dass sie aus der Unterkunft aus- und in eigene Wohnungen einziehen. Wird ihr Antrag dagegen abgelehnt, droht die Abschiebung.
Engagement ist nicht immer einfach
Und auch für die Helfer ist ihr Engagement nicht immer einfach, da es von der Umwelt nicht immer honoriert werde, meint Ingrid Reichert. Sie, Jonas und die anderen vom "harten Kern" des Helferkreises, der 12 Personen umfasst, tun es trotzdem gerne. Reichert begründet dies unter anderem mit einem christlichen Auftrag und bezeichnet es als eine Selbstverständlichkeit, der Gemeinschaft etwas zurück zugeben, von der man auch viel bekomme. Dagegen definiert der 15-jährige Jonas, der wöchentlich rund zwei Stunden für sein Engagement aufbringt, Ehrenamt für sich folgendermaßen: "Es bedeutet für mich, freiwillig anderen zu helfen".
Als Jonas mit seiner Oma nach dem Unterricht die Gemeinschaftsunterkunft verlässt, werden die beiden ebenso herzlich verabschiedet, wie sie stürmisch begrüßt wurden. Auch wenn es nicht immer einfach und häufig auch anstrengend ist, das Engagement im Helferkreis bereitet dem jungen Ehrenamtlichen dennoch viel Freude und hat auch noch einen weiteren positiven Nebeneffekt, wie Jonas anmerkt: "Es macht Spaß, wenn ich merke, dass die Flüchtlinge etwas von mir gelernt haben. Außerdem hat sich mein Englisch, seit ich Sprachunterricht erteile , schon sehr verbessert". Motivation genug, sich weiterhin zu engagieren. Und irgendwann werden Cynthia und die Asylsuchenden dann sicher auch die schwierige "Kassiererin" fehlerfrei aussprechen können - Dank der Hilfe der Ehrenamtlichen.