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Nordheim
Gegen das Vergessen: Gemeinde Nordheim beteiligt sich an der Aktion "DenkOrt Deportation"
Die Würfel sind gefallen: Auszubildender Moritz Rasch (2. von links) entschied  den 'DenkOrt'-Wettbewerb für sich. Dazu gratulierten Nordheims Bürgermeister Thomas Fischer (links), Kreisheimatpflegerin Sabine Fechter und künstlerischer Schulleiter Martin Bühner.
Foto: Tanja Heier | Die Würfel sind gefallen: Auszubildender Moritz Rasch (2. von links) entschied  den "DenkOrt"-Wettbewerb für sich.
Tanja Heier
 |  aktualisiert: 21.12.2024 02:35 Uhr

Häufig wird im Gemeinderat von Nordheim über Haushaltszahlen, Steuern und Gebühren beraten. Diesmal ging es um Kunst.

Als Gäste begrüßte Bürgermeister Thomas Fischer Martin Bühner (künstlerischer Leiter an der Berufsfachschule für Bildhauer in Bischofsheim), Kreisheimatpflegerin Sabine Fechter sowie die Kunstschaffenden Moritz Rasch und Silke Kopp. Online zugeschaltet waren Jakob Hinterstocker und Margaret Ann Wieland.

Anfang September fiel der Beschluss, dass sich die Gemeinde Nordheim als Heimatort von unter dem NS-Regime deportierten Jüdinnen und Juden an der Aktion "DenkOrt Deportation" beteiligt. Von Würzburg aus traten zwischen 1941 und 1944 viele Menschen ihre Reise in den Tod an. Koffer, Rucksäcke und Deckenrollen sollen jüdische Gemeinden und Wohnorte repräsentieren. Besonderheit: Jedes Teil gibt es doppelt.

Diese vier Modelle kamen in die engere Auswahl. Das Werk von Moritz Rasch (2. von links) überzeugte den Gemeinderat.
Foto: Tanja Heier | Diese vier Modelle kamen in die engere Auswahl. Das Werk von Moritz Rasch (2. von links) überzeugte den Gemeinderat.

Ein Exponat steht am DenkOrt in Würzburg, sein Pendant verbleibt als Mahnmal innerhalb der Herkunftskommune. Im Rahmen eines Wettbewerbs konnten interessierte Absolventinnen und Absolventen der Berufsfachschule für Holzbildhauerei einer Nordheimer Jury ihre Vorschläge unterbreiten. Vor wenigen Wochen fand die Vorstellungsrunde statt. Acht Modelle standen zur Diskussion, vier Favoriten blieben übrig.

Welche "DenkOrt"-Modelle zur Auswahl standen

Martin Bühner informierte einführend, es sei keine Option gewesen, Koffer oder Gepäckstücke zu kopieren, vielmehr sollte den Werken eine individuelle Note verliehen werden. "Kopien sind langweilig und entsprechen nicht dem Anspruch unserer Schule", machte er deutlich.

Jakob Hinterstocker entschied sich für eine Pixeldarstellung. Da eine Vertreibung immer mit Verlust verbunden sei, fehlten einige dieser Pixel, meinte er. Gemeinderat Gilbert Metz argumentierte, Kunst sei ein schwieriges Feld. Die meisten der Betrachter seien Laien und fänden deshalb wahrscheinlich nur schwer Zugang zu Hinterstockers Objekt.

Der Umgang der Nazis mit Musik spielte eine Rolle

Margaret Ann Wielands Entwurf trägt den Titel "Requiem Ebraico – The 92nd Psalm". Man wisse aus sicherer Quelle, wie während der NS-Zeit mit Musik – Wielands erster Intention zur Thematik – umgegangen wurde. Unerwünschte Künstler seien abgelehnt, verfolgt und schließlich gewaltsam entfernt worden. Deshalb stellte die Holzbildhauerin einen offenen, leeren Geigenkasten dar.

Silke Kopp schuf ebenfalls einen Geigenkoffer – allerdings geschlossen. Bei ihrer Recherche sei sie auf Musikerinnen und Musiker gestoßen, deren Geschichten tief bewegten. In Konzentrationslagern mussten einige der Gefangenen Instrumente spielen, um den Marschrhythmus vorzugeben oder Schreie zu übertönen.

Das Lager Auschwitz, wo auch die Nordheimer Jüdin Jette Adler starb, hatte ein 80 Mitglieder starkes Orchester. Dazuzugehören, erhöhte damals die Überlebenschance, berichtete Kopp sichtlich berührt.

Sehnsucht nach dem "Aufblühen der Menschheit"

"Ich sehne mich nach dem Aufblühen der Menschheit", informierte Moritz Rasch, Auszubildender im zweiten Lehrjahr. Sein Exponat, gezeichnet durch eine Brandfläche, symbolisiere die schreckliche Art und Weise, wie Menschen miteinander umgingen.

Vor dem Brand würden tiefe Kerben erzeugt, so dass Sukkulenten sich mit dem Basaltsand verbinden und Wurzeln schlagen können. Die Bepflanzung sei für ihn die Verkörperung des Neuanfangs und stelle eine Möglichkeit der Veränderung dar. Seine Arbeit soll zum Nachdenken anregen, denn solch tiefe Brandwunde blieben immer sichtbar. Doch mit Mühe, Zeit und Menschlichkeit erblühe selbst die dunkelste Vergangenheit, verlieh der junge Künstler seiner Hoffnung Ausdruck.

Silke Kopp und Moritz Rasch hinterließen Eindruck beim Gemeinderat. "Alle Künstler haben sich viele Gedanken gemacht, alle Modelle sind klasse", versicherte Thomas Fischer.

Die Entscheidung fiel schwer. Am Ende hatte Moritz Rasch mit sieben zu vier Stimmen die Nase vorn. Sein versöhnliches Kunstwerk wird künftig am Nordheimer Bahnhof als Mahnmal an das Grauen des Nationalsozialismus erinnern.

 
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