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MEININGEN
Gedenken, lobhudeln, augenzwinkern
Historisches Prunkstück: Ab 22. Februar wird im Meininger Theatermuseum der historische Brücknersche Bühnenprospekt der Gerichtsszene aus Shakespeares „Wintermärchen“ von 1878 gezeigt. Regie und Ausstattung dieser Inszenierung lag in den Händen des Theaterherzogs Georg II.
Foto: Siggi Seuss | Historisches Prunkstück: Ab 22. Februar wird im Meininger Theatermuseum der historische Brücknersche Bühnenprospekt der Gerichtsszene aus Shakespeares „Wintermärchen“ von 1878 gezeigt.
Von unserem Mitarbeiter Siggi Seuß
 |  aktualisiert: 26.04.2023 21:18 Uhr

Feiert, würdigt, gedenkt, lobhudelt oder zwinkert man mit den Augen, wenn der runde Todestag einer verdienstvollen Persönlichkeit vor der Tür steht? Die Meininger haben sich anlässlich des 100. Todestages ihres Theaterherzogs Georg II. von Sachsen-Meiningen am 25. Juni gleich für alle fünf Erinnerungsarten entschieden, und zwar – wie eine Pressekonferenz im Meininger Theater belegt – in einem Umfang, den man in dem Städtchen vor oder hinter den sieben Bergen (je nach Sichtweise) so schon lange nicht mehr erlebt hat.

Neben zahlreichen kleineren und größeren Veranstaltungsreihen und kulturellen Events ist hier im unmittelbaren Umfeld des Todestages besonders der Festakt am 26. Juni hervorzuheben, mit der thüringischen Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht und Ulrich Khuon, dem Intendanten des Deutschen Theaters in Berlin als Festredner. Am Abend gibt es ein Konzert der Meininger Hofkapelle mit Werken von Brahms, Reger und Richard Strauss mit der Pianistin Herin Sung, unter der Leitung von GMD Philippe Bach. Eine öffentliche Kranzniederlegung am Parkfriedhof folgt am 26. Juni. Am 27. Juni gastiert das Deutsche Theater Berlin mit der Inszenierung des Jahres 2009, Anton Tschechows „Die Möwe“ (Regie: Jürgen Gosch †), mit Corinna Harfouch als Irina Nikolajewna. (Weitere Veranstaltungen siehe Kasten.)

Um das und noch viel mehr kundzutun, haben sich gleich neun Vertreter der veranstaltenden Institutionen den (erwarteten) Fragen der Journalisten gestellt. Zudem wurde eine Vielfalt von Veranstaltungsprospekten offeriert. So konnte man fast glauben, Meiningen feiere 2014 seine Wiedergeburt als Musenort zwischen Weimar und Bayreuth, zwischen der Wiege der deutschen Klassik und der Wiege des deutschen Wagnertums.

Die Fragen der Presse reduzierten sich nach den ausführlichen Darstellungen von Bürgermeister, Intendant, Museumsleiter, Kulturreferentin, Kunstschulleiterin, Sponsorenvertreter und Historikerin allerdings am Ende auf eine: Gibt es ein gemeinsames Motto der verschiedenen Veranstalter zu diesem Gedenkjahr, außer dem, das auf dem offiziellen Flyer steht: „Georg der Zweite – Das volle Programm“?

Nein, gibt es nicht. Trotzdem rang der Georg II.-Forscher Professor Alfred Erck um ein paar Formulierungen darüber, was man hätte formulieren können.

Sicher ist, dass das Meininger Theater ohne Georg II. nicht das wäre, was es unter seiner Regentschaft von 1866 bis 1914 wurde: ein Theater, um das eine Stadt gebaut ist und das dank des Herzogs zur europäischen Wiege des Realismus und des Regietheaters auf der Bühne wurde. Dass sich Georg II. als Regisseur, Bühnenbildner, Kostümbildner und Generalverantwortlicher auch als einer der ersten Gesamtkunstwerker verstand, versteht sich von selbst. Über die pekuniäre Seite des ambitionierten Kleinststaatsunternehmens reden wir an dieser Stelle lieber nicht.

Jedenfalls tat Georg II. das alles – darüber bestehen keine Zweifel –, um das Volk zu erfreuen und zu erheben. Demokrat war er deshalb noch lange nicht. Er war ein aufgeklärter, konservativer Herrscher, dreimal verheiratet, zuletzt sogar in Liebe zu einer Bürgerlichen, der Schauspielerin Ellen Franz. Georg II. sei ein Landesherr gewesen, der, so Alfred Erck, „durchs Volk gar nichts machen ließ, aber fürs Volk alles tat“.

Dieses mögliche Motto war den Veranstaltern denn doch zu provokant, ebenso wie „Der letzte Musenhof geht in Flammen auf“ – ein Satz, der zum einen Bezug nimmt auf die vielfältigen künstlerischen Beziehungen des Herrschers zu Weimar und Bayreuth und der zum anderen auf die Tatsache verweist, dass sich am Tag von Georgs Beerdigung die Kunde von den Schüssen von Sarajevo im Ort verbreitete. Der Reichsfürst war ein entschiedener Kriegsgegner, aber seine Meinung hatte kein nennenswertes Gewicht in den herrschenden Kreisen. Er starb – und musste nicht mehr erleben, wie seine Epoche in den Flammen des Weltkriegs vernichtet wurde.

Am Ende scheiterte das Bemühen der Veranstalter, zumindest eine Facette von Georgs Charakter in den Vordergrund zu stellen. Es gibt einfach derer zu viele: Visionär. Kriegsgegner. Möglichmacher zeitgenössischer Kultur. Um-die-Ecke-Denker. Nonkonformist. Futurist. Herrscher. Künstler. Vater. Theatermann. Geliebter. Also, dann doch lieber „Georg der Zweite – Das volle Programm.

(Nicht ganz) das volle Programm

Auszüge aus dem Jahresprogramm zu Ehren des Meininger Theaterherzogs:

Der Veranstaltungsreigen zum 100. Todestag des Theaterherzogs Georg II. von Sachsen-Meiningen beginnt am 22. Februar mit der diesjährigen „Zauberwelt der Kulisse“-Präsentation. Im Theatermuseum wird der Brückner-Prospekt der Gerichtsszene aus Shakespeares „Das Wintermärchen“ zu sehen sein. Zu diesem Anlass wird das Buch „Königin und Täubchen – Die Briefe von Cosima Wagner an Helene von Heldburg“ von Maren Goltz und Herta Müller vorgestellt (22. Februar, 19 Uhr, Theatermuseum).

• „Zwischen Verehrung und Augenhöhe – Georg II. von Sachsen-Meiningen und die bildende Kunst“ (Ausstellung vom 18. Mai bis 16. April 2015, Meininger Museen, Schloss Elisabethenburg).

• „Ein Thron für den Theaterherzog und seine Freifrau“. Künstler und Kreative aus der Region zeigen reale und surreale Positionen im öffentlichen Raum (Mai bis Oktober, Meininger Innenstadt).

• Meininger Kindertag. Historische Spiele aus der Zeit von Georg II. (2. Juni, 9 bis 12 Uhr, Theater, Stadt- und Kreisbibliothek, Meininger Museen).

• 1. Thüringer Schlössertag – Thüringer Residenzen – Aufgetischt! Lebenslust und Tafelfreuden (7. bis 9. Juni, Treffpunkt Schloss Elisabethenburg und Schloss Landsberg).

• Festakt zum 100. Todestag von Georg II. von Sachsen-Meiningen (25. Juni, 17 Uhr, Meininger Theater. Geschlossene Veranstaltung).

• Festkonzert zum 100. Todestag mit Werken von Brahms, Reger und Richard Strauss. Solistin: Herin Sung (Klavier), Dirigent: GMD Philippe Bach (25. Juni, 19.30 Uhr, Meininger Theater, Großes Haus).

• „Herzog Georg II. von Sachsen-Meiningen – Kultur als Behauptungsstrategie“. Wissenschaftliche Tagung (26. bis 28. Juni, Schloss Elisabethenburg, Schlosskirche).

• Anton Tschechow, „Die Möwe“, Gastspiel des Deutschen Theaters Berlin, mit Corinna Harfouch (27. Juni, 19.30 Uhr, Meininger Theater).

• Meininger Kult(ur)lauf: 3. Herzog-Georg-Lauf (12. Juli, Anmeldung über www.ssfv-meiningen.de)

• „Die Fassade tanzt – Digitale Filme, Sounds, Projektionen, in Zusammenarbeit bei der Bauhaus Universität Weimar (22. und 23. August, 21.30 bis 23.30 Uhr, alle 20 Minuten Videomapping, Schlosshof Elisabethenburg.

• Ausstellung „Herzog Georg II. und die Dichter“ (28. September bis 26. April 2015, Literaturmuseum Baumbachhaus)

• „Paulus Oratorium“ von Felix Mendelssohn Bartholdy. Abschlusskonzert im Georg-Jahr mit der Meininger Kantorei und mehreren Chören (16. November, 17 Uhr, Stadtkirche)

Außerdem gibt es noch eine Reihe kleinerer Veranstaltungen und Vorträge, Stadt-, Schloss- und Parkführungen, unter anderem ein „Geo(rg) Caching“ mit Smartphones, und last not least Vorstellungen neuer Bücher zu Georg II. und seiner Helene.

ONLINE-TIPP

Informationen und Programm-Flyer über das Kulturreferat Meiningen oder die Touristinfo, Tel. (0 36 93) 44 65 0, www.meiningen.de

 
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