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Bad Neustadt
Gebürtige Bad Neustädterin erhält renommierten Leibniz-Preis
Der Klimaforscherin Veronika Eyring wird der mit 2,5 Millionen Euro an Forschungsgeldern dotierte Leibniz-Preis verliehen. Zwei Bad Neustädter Lehrer haben ihr Interesse für Physik geweckt.
Gerd-Ludwig Borst
 |  aktualisiert: 08.02.2024 23:47 Uhr

Ein Zeitsprung zurück in den Mai 1987. Am Bad Neustädter Rhön-Gymnasium ist Abiturzeit. Mit ihrem über 100 Schüler starken Jahrgang sitzt Veronika Eyring über den kniffligen Matheaufgaben, formuliert treffliche Argumente für die Erörterung in Deutsch und übersetzt aus dem Englischen. Alles geht ihr leicht von der Hand. Genau ein Jahr zuvor, im Jahr 1986, wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG zum ersten Mal der Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis verliehen, der herausragende Wissenschaftler auszeichnet. Und exakt diese Ehre wurde Veronika Eyring nun kurz vor dem Weihnachtsfest 2020 zuteil, die feierliche Übergabe des wichtigsten deutschen Forschungsförderpreises erfolgt Mitte März.

„Ich hab’ mich über diese ganz besondere Anerkennung wirklich riesig gefreut. Besonders deshalb, weil damit auch die so extrem bedeutende Atmosphären- und Klimaforschung ausgezeichnet wird“, gibt sich die auf ihrem Gebiet international bekannte Klimaforscherin eher bescheiden.

Ihr Physiklehrer Max Prinzing erinnert sich

Aber so war sie wohl schon in ihrer Schulzeit, ihr damaliger Physiklehrer Max Prinzing erinnert sich. „Ich hatte Veronika in der Oberstufe im Leistungskurs, da gab es in der gesamten Gruppe insgesamt nur zwei Mädchen. Und sie war einfach hervorragend, ruhig und niemals oberflächlich. Sie arbeitete intensiv, wollte den Dingen immer auf den Grund gehen.“ Veronika Eyring gibt dieses Kompliment heute gerne zurück. „Ich kann sagen, dass damals sowohl Herr Prinzing als auch Herr Balling, ebenfalls mein Physiklehrer zu dieser Zeit, durch ihren anspruchsvollen Unterricht meine Liebe zur Physik geweckt haben.“ Diese Liebe hielt an und setzte sich an der Universität in Erlangen fort, wo die junge Studentin Physik studierte und im Jahr 1994 mit dem Diplom abschloss. Ihre Promotion in Umweltphysik folgte 1999 hoch oben im Norden an der Universität in Bremen.

Unsicherheiten bei Klimavorhersagen reduzieren

Was ist der Inhalt ihrer täglichen Arbeit? Was macht ihre Forschung so wertvoll für die Menschheit? Veronika Eyring begründet es so: „Der vom Menschen verursachte Klimawandel ist eindeutig und wirkt sich bereits heute auf viele Aspekte von Gesellschaft, Wirtschaft und Ökosystemen aus. Diese Auswirkungen werden in diesem Jahrhundert noch sichtbarer und gravierender werden – in welchem Ausmaß hängt davon ab, wie viel zusätzliche Treibhausgase von der Menschheit ausgestoßen werden. Die zukünftige Entwicklung des Klimawandels hängt aber auch davon ab, wie stark das System 'Erde' auf diese Emissionen reagiert. Um die Entwicklungen und entsprechende Szenarien vorherzusagen, werden weltweit computergestützt Klima- und Erdsystemmodelle entwickelt. Es bestehen jedoch weiterhin Unsicherheiten in den Vorhersagen der Modelle. Hier setzen unsere Forschungsarbeiten an. Wir entwickeln innovative Methoden, um das Erdsystem und den Klimawandel besser verstehen und vorhersagen zu können.“

Schiffsemissionen und das Klima

Zu Beginn ihrer Forschungsarbeit beschäftigte sich die Wissenschaftlerin mit den Auswirkungen von Schiffsemissionen auf das Klima. Dafür wurde ein konsistenter Datensatz von Schiffsemissionen entwickelt, der es erstmals erlaubte, den Klimaeffekt von Schiffsemissionen detailliert in Klimamodellrechnungen zu berücksichtigen. Diese Arbeiten lieferten wichtige Beiträge für Verhandlungen der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation.

In den vergangenen zehn Jahren hat Eyring ihre Forschung auf die Klima- und Erdsystemmodellierung ausgedehnt. Ihre Abteilung am Institut für Physik der Atmosphäre des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und ihr Lehrstuhl für Klimamodellierung am Institut für Umweltphysik der Universität Bremen liefern seit vielen Jahren maßgebliche Beiträge für das Weltklimaforschungsprogramm.

Hier sieht man die Änderungen der Oberflächentemperatur, wie sie als Mittelwert über verschiedene Klimamodelle für das Ende des 21. Jahrhunderts für zwei Szenarien simuliert werden. Dabei entspricht die linke Abbildung näherungsweise einem Szenario für Einhaltung des Zwei-Grad-Ziels, während die rechte Abbildung näherungsweise ein 'Weiter-wie-bisher-Szenario' darstellt. Die Werte beziehen sich auf den Vergleichszeitraum von 1986 bis 2005. Änderungen in den grau schattierten Regionen heben sich nicht klar von der natürlichen Variabilität ab.
Foto: DLR/Deutsches Klimarechenzentrum | Hier sieht man die Änderungen der Oberflächentemperatur, wie sie als Mittelwert über verschiedene Klimamodelle für das Ende des 21. Jahrhunderts für zwei Szenarien simuliert werden.

Künstliche Intelligenz in der Klimaforschung

Seit Beginn 2020 erweitert Veronika Eyring als Koordinatorin eines interdisziplinären Teams ihre Forschungsarbeiten auf das Gebiet der künstlichen Intelligenz. Das Team entwickelt maschinelle Lernverfahren, um das Verständnis und die Modellierung des Erdsystems weiter zu verbessern. Hier werden neue Parametrisierungen für Wolken und Landoberflächenprozesse entwickelt, um Unsicherheiten in Klimavorhersagen zu reduzieren. Darüber hinaus arbeitet das Team daran, Klimaschwankungen und Extremereignisse wie Dürren mit Methoden wie „Deep Learning“ auf ursächliche Zusammenhänge hin zu untersuchen. Das Team erhofft sich, durch die Brücke zwischen Physik und maschinellem Lernen die Modellierung und Analyse des Erdsystems zu revolutionieren und langfristig zu robusteren Klimaprojektionen beizutragen. Für diesen gemeinsamen Forschungsantrag erhielt das internationale vierköpfige Team im Jahr 2019 den ebenfalls höchst angesehenen „Synergy Grant“ des Europäischen Forschungsrats, verbunden mit zehn Millionen Forschungsgeldern.

Glaubt die Forscherin an einen Wandel der Klimaentwicklung zum Positiven? „Die Reduktion von Treibhausgasen ist dringend notwendig, um einen weiteren Temperaturanstieg und die damit verbundenen negativen Konsequenzen für Ökosysteme und den Menschen zu verringern“, warnt die Klimaexpertin eindringlich. Den Beweis bleibt sie keinesfalls schuldig: Für das Ende des 21. Jahrhunderts hat Veronika Eyring mit ihrem Team Simulationen von verschiedenen Klimamodellen für zwei unterschiedliche Szenarien hinsichtlich der Änderungen der Erdoberflächentemperatur ausgewertet, einmal das „Zwei-Grad-Szenario“ und zum anderen das „Weiter-wie-bisher-Szenario“. Und da schaut es, besonders auf das letztere bezogen, nicht gut aus für die Erde.

In mehreren wissenschaftlichen Gremien vertreten

Deshalb will sich die engagierte Physikerin auch weiterhin in herausragenden Rollen in zahlreichen internationalen wissenschaftlichen Leitungsgremien betätigen. So hatte sie unter anderem von 2014 bis 2020 den Vorsitz des „CMIP Panels“ (internationales Klimamodell-Gremium) übernommen, in dessen Rahmen Klimamodell-Simulationen koordiniert werden, die von mehr als 40 Modellgruppen weltweit gerechnet werden. Und sie ist momentan koordinierende Leitautorin des Kapitels „Menschlicher Einfluss auf das Klimasystem“ im 6. Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC, der im Zeitraum 2021/2022 veröffentlicht wird. Aber jetzt freut sich die Forscherin erstmal auf den 15. März, wenn ihr der Leibniz-Preis virtuell verliehen wird.

Mehr darüber hier: https://www.dfg.de/gefoerderte_projekte/wissenschaftliche_preise/leibniz-preis/

 
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